Seeshaupt:Ohne Weichspüler

Seeshaupt Seeresidenz, Konzert

Paris Washboard mit Daniel Barda (Posaune, v. re.), Stephane Seva (Perkussion und Gesang), Alain Marquet (Klarinette) und Philippe Carment (Klavier)

(Foto: Georgine Treybal)

Das Paris-Washboard-Quartett geht in Seeshaupt in die Vollen

Von Reinhard Palmer, Seeshaupt

Viele wuschen einst Wäsche damit, manche haben es sich in den Bauch trainiert. Die dritte Gattung, die damit Musik macht, ist fast schon in Vergessenheit geraten. Das französische Quartett "Paris Washboard" versucht seit 1988 das Spiel auf dem Waschbrett mit Repertoire aus den 1920er bis 1940er Jahren lebendig zu halten. Tatsächlich stand auch hier beim SeeJazz-Festival Perkussionist Stephane Seva in der Seeresidenz Alte Post in Seeshaupt im Fokus, und dies nicht nur als Kuriosum. Aus armutsbedingter Not in den Anfangszeiten des Jazz aufgekommen, erfreute sich das Waschbrett aufgrund des eigentümlichen Klanges großer Beliebtheit als portables Schlaginstrument.

Mit metallenen Fingerhütten am Zink-Waschbrett geschrubbt, gescheuert oder darauf geschlagen, kann man schon faszinierende und erstaunlich laute Rhythmuseffekte erzeugen, zumal nicht nur zwei Schlägel, sondern gleich zehn Finger zur Verfügung stehen. Seva begnügte sich aber nicht damit, montierte eine Kuhglocke, zwei Kastagnetten, einen Holzblock und drei Becken auf sein Waschbrett-Tisch und vermochte damit das Fehlen eines Schlagzeugs vergessen zu machen.

Was die besondere instrumentale Konstellation klanglich ausmachte, war in erster Linie der hellere, leichtere, eben geräuschhaft grundierte Klang, der auf fehlenden Tiefen basiert. Ohne Bassdrum und Bass war der Ensembleklang schlank, andererseits dadurch auch in luftigen Höhen euphorisierend. Einzig Klaviervirtuose und durchaus ein Star der französischen Ragtime-Szene, Philippe Carment - hier offenbar kurzfristig eingesprungen -, setzte mit seiner linken Hand ein solides Fundament unter die packenden Duelle der Bläser. Die rechte erging sich indes nicht selten in rasant wirbelnder Virtuosität, gewiss beeindruckend in der schwindelerregenden Handfertigkeit und Geläufigkeit, doch dabei leider allzu oft reine Fingerakrobatik.

Den Grandseigneurs an den Bläsern ging es vielmehr um Musikalität - und sie haben es noch voll drauf, dem Publikum einzuheizen. Der 73-jährige Posaunist Daniel Barda lieferte denn auch ein ordentliches Schmetterblech, wenn es galt, entfesselt mit Powerplay mitzureißen. Dann aber auch mit dem obligatorischen Hüftschwung, der sich immer noch sehen lassen kann. Alain Marquet agierte zurückhaltender, suchte an der Klarinette eher das virtuose, doch einfühlsame Mäandern, stand aber an Engagement mit seinen 75 Jahren seinen Mitspielern in nichts nach, vor allem wenn es darum ging, die alten New-Orleans-Zeiten wieder aufleben zu lassen. Etwa mit dem "Basin Street Blues", in Erinnerung an den Rotlicht-Bezirk von New Orleans, der Wiege des Jazz.

Viele der Titel im Repertoire von Paris Washboard gehören längst zu den Standards, sind allerdings nicht alle so populär wie Gershwins "I got rhythm", das hier straff vorantrieb. Beherrschende Charakteristik im Stil des Quartetts blieb der heiter beschwingte Duktus, bisweilen mit fetzigen Soli wie in "I never knew" oder mit melodiöser Lyrik wie in "I see you in my dreams" mit Sevas stimmlich wie erzählerisch überzeugenden Gesangseinlagen.

Insgesamt zwischen Dixie, Swing und Rag angesiedelt, erklangen auch Balladen mit einem gewissen Drive. Die einfühlsame, warmtonige Variante mit gedämpfter Posaune wird dem zahlreichen Publikum nur selten geboten. Vom Popsong zum Jazzstandard schaffte es auch das berühmte "Sweet Georgia Brown", das es als Zugabe zur Belohnung für die frenetischen Ovationen gab. Sozusagen ein Zusatzpäckchen guter Laune für den Heimweg.

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