Süddeutsche Zeitung

Seefeld:Tumult im Sitzungssaal

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Gemeinderat beschließt den Bau einer größeren Containeranlage für Asylbewerber

Von Christine Setzwein, Seefeld

So einen hochroten Kopf hat Wolfram Gum selten. Aber was ihm am Dienstagabend im Rathaus vorgeworfen wird, geht über die Hutschnur. Mehr als 50 Seefelder drängen sich im Sitzungssaal und wollen nur eines: dass der Bauausschuss den Bau einer Containeranlage für 144 Asylbewerber an der Ulrich-Haid-Straße ablehnt. Es kommt zu Tumulten, der Bürgermeister pocht auf sein Hausrecht und droht mit der Polizei. Die Gemeinderäte lassen sich aber nicht einschüchtern und genehmigen die Anlage einstimmig.

Vor der Sitzung verteilte ein Anlieger, der zur neuen Aktionsgemeinschaft "Regionale Werte erhalten" gehört, ein fünfseitiges Schreiben an Landrat Karl Roth und Bürgermeister Gum. Darin werden viele Paragrafen zitiert: Von einem "Zusammenbruch des europäischen Systems" ist die Rede, von "Lügenkultur", fehlerhafter Informationspolitik der Gemeinde Seefeld, von "unerträglichem Eingriff in die Eigentumsrechte der Anlieger" und vom Werteverfall der Grundstücke, von einem "enorm hohen Gefährdungspotenzial" durch die Aylbewerber. Außerdem werde mit der Containeranlage das Ortsbild von Seefeld verschandelt. "Sie als Bürgermeister hätten das verhindern können", lautete der lautstark vorgebrachte Vorwurf einer Bürgerin. Und wenn schon Container, dann sei der Jahnweg am Ortsrand ein viel besserer Standort.

Gum ließ sich das nicht bieten und redete sich in Rage. Wie viele Asylbewerber Seefeld aufnehmen müsse, entscheide nicht die Gemeinde, sondern das Landratsamt. Dem Landkreis werden wöchentlich 53 Flüchtlinge zugeteilt, und die müssten untergebracht werden. "Ich sehe keine Möglichkeit, dem Bauantrag nicht zuzustimmen", sagte Gum. Nicht nur wegen der Menschlichkeit, sondern auch aus Solidarität den anderen Gemeinden gegenüber. Wer diese Flüchtlingspolitik nicht wolle, müsse nach Berlin gehen. Der Standort Jahnweg sei deshalb ungeeignet, "weil wir die Menschen nicht an den Ortsrand abschieben, sondern integrieren wollen", sagte der Bürgermeister. "Damit müssen Sie leben", machte er den Anliegern klar.

Für den Bau der - zeitlich befristeten - Anlage braucht das Landratsamt 3229 Quadratmeter des insgesamt 16 000 Quadratmeter großen Privatgrundstücks. Darauf sind sechs zweigeschossige Wohncontainer und ein Container als Gemeinschaftsraum vorgesehen. Um das Baugrundstück wird, auch zum Schutz der Asylbewerber, ein Zaun gezogen.

In die erregte Debatte schalteten sich auch Gemeinderäte ein. Robert Schindlbeck nannte es "extrem unfair", die Asylpolitik am Bürgermeister festzumachen. Ute Dorschner verwies auf die Flüchtlinge im Hechendorfer Bürgerstadl, wo es mit den "total netten Jungs" keinerlei Probleme gebe. Offensichtlich erschüttert über die Diskussion war auch Musiker Martin Schmitt, der in Hechendorf lebt und wegen eines anderen Tagesordnungspunkts in die Sitzung gekommen war: Beim Hinausgehen sagte er zu den Anliegern, dass es nirgends in der Umgebung Vorfälle mit Flüchtlingen gegeben habe.

Die nächste Unterkunft für Migranten wird in Hechendorf entstehen, kündigte Gum an. Dort will das Landratsamt eine Halle bauen.

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Quelle:
SZ vom 21.01.2016
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