Süddeutsche Zeitung

Seefeld:Sauberer Flug

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Künstler lassen klimafreundliches Flugobjekt bei Seefeld steigen

Von Paul Healy, Seefeld

Vier junge Männer in Pullis stiefeln am Dienstagmorgen über einen Acker nahe der Landstraße zwischen Hechendorf und Schlagenhofen. Sie kramen Instrumente aus einer Kiste hervor. Kommt man näher, wird erkennbar, dass sie etwas aufbauen. Die Männer gehören zum Aerocene-Festival, das in den vergangenen Tagen mit Beiträgen aus Kunst und Wissenschaft vereinen wollte, was unvereinbar scheint: zu fliegen und gleichzeitig das Klima zu schützen. Beim Festival um den Künstler Tomás Saraceno in München wurde aber weder über Flugverbote noch über eine Kerosinsteuer diskutiert. Mit der Kunst (oder Technik) der Aerocene-Community soll Fliegen möglich sein, ohne dass dabei C0₂ emittiert wird.

Das Vehikel, das diese Vision verkörpert, kann als Zwitter aus einem Drachen und einem Heißluftballon beschrieben werden. Es wird nur durch Thermik und Sonne zum Fliegen gebracht. Eines dieser Exemplare hält Erik Vogler, verantwortlich für den reibungslosen Ablauf des Fluges, auf dem Hechendorfer Acker in der Hand. Nach und nach verfolgen gut ein Dutzend Menschen das Geschehen auf der Anhöhe. Zunächst wird die Skulptur mit Luft befüllt. An der unteren Spitze hängt eine Leine, an der wie an einem Mobile eine Action-Kamera, ein pyramidenförmiger Radarreflektor und eine Box mit Empfängergeräten aufgereiht sind. Ab und an halten Spaziergänger und Radfahrer, um sich ein Bild von der Szenerie zu machen. Nach kurzen Absprachen mit den Fluglotsen aus Oberpfaffenhofen und München und eines abschließenden Materialtests geschieht das, worauf das Festival-Team nach den wolkigen und daher auch fluglosen Tagen gewartet hat: Ein Windstoß kommt auf, gekonnt trennt Vogler die Sicherungsleine, sachte treibt der Wetterballon in nordwestlicher Richtung davon. Nach einigen Minuten des Jubelns sind erste Spekulationen über den Flugverlauf des Ballons zu hören: Die Skulptur soll zunächst nördlich von München kreisen. Geht die Sonne unter, sinkt die Skulptur zu Boden. Bis dahin soll sie dann bereits in Rumänien sein und dort von Aerocene-Sympathisanten, die den Ballon geortet und so den Flugverlauf nachvollzogen haben, in Empfang genommen werden und weiter in die Ferne ziehen.

Dank der angehängten Gerätschaften kann jeder den Flug im Internet verfolgen, man erhält dazu Position und Panoramablick aus der Höhe unter www.aerocene.org.

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Quelle:
SZ vom 11.09.2019
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