Einen ganzen Tisch voller Blätter mit handgeschöpftem Papier hat Lukas für die Ausstellung ausgelegt. Tagelang widmete sich der Grundschüler im Ferienprogramm ausschließlich dem Papierschöpfen und fertigte mal kleinere, mal größere, mal dickere oder dünnere Blätter an. Immer wieder fragten ihn die beiden Kunstpädagoginnen Sarah Gerber und Sarah Brinkmann, ob er nicht – wie die anderen Kinder im Ferienprogramm – auch mal etwas malen oder modellieren möchte. Doch Lukas blieb beim Papierschöpfen, in das er sich komplett vertiefte.
Diese Hingabe hat die Kunstpädagoginnen beeindruckt. „Für uns ist das völlig in Ordnung“, erklärt Sarah Brinkmann, die mit ihrer Kollegin vor Kurzem die „Kreativinsel Fünfseenland“ in Seefeld eröffnet hat. Das Beispiel von Lukas zeigt die Philosophie der beiden 40 und 39 Jahre alten Pädagoginnen. In der Malwerkstatt geht es nicht um Ergebnisse oder darum, dass jeder das gleiche Pensum erfüllt oder bestimmte Techniken lernt. Anders als in manchen Malkursen soll hier jeder seine Kreativität individuell ausleben können.
Jeden Dienstag von 16 bis 18 Uhr gibt es eine offene Kreativwerkstatt für Kinder und Jugendliche ab sechs Jahren. Sie steht unter dem Motto „Entdecken, Ausprobieren, Gestalten und Staunen“. Die Teilnehmer können verschiedene Techniken ausprobieren, „ganz ohne Leistungsdruck und im eigenen Tempo“, heißt es auf dem Infoflyer. Beide Sarahs haben langjährige Erfahrung als Kunstvermittlerinnen. Brinkmann hat mit Jugendlichen sowie am Gilchinger Abenteuerspielplatz an Schulen und im Ausland Kunstprojekte gemacht. Gerber hat museumspädagogische Angebote in Münchner Museen ausgeführt, war Kunsttherapeutin in einer Kinder- und Jugendpsychiatrischen Praxis in Hamburg und die vergangenen beiden Jahre als Kunstlehrerin an einem Münchner Gymnasium tätig.
Jetzt haben sie sich ihren Traum einer eigenen Malschule erfüllt (Infos unter www.kreativinsel-fuenfseenland.de). Sie befindet sich in einem kleinen Geschäftsraum in der Inninger Straße 7 bis 9. „Mein Partner ist praktischerweise Architekt und Schreiner“, freut sich Gerber. Er hat die großen Tische angefertigt, aber auch den Boden mit Holzplatten verlegt, auf denen bunte Farbkleckse nicht stören. Es gibt Tische zum Arbeiten, Staffeleien und Pinnwände, um Papier zum Bemalen aufzuhängen. In den Regalen stehen Malutensilien wie Leinwände, Papiere, Pinsel, Acrylfarben, Aquarellkreiden, Modellierton sowie Upcycling-Material für Skulpturen.
„Wenn man sieht, was man mit den Händen erschaffen hat, stärkt das das Selbstwertgefühl“, hat Brinkmann festgestellt und beide finden: „Malen tut gut, macht glücklich und gibt Kraft.“ Die Kunstangebote richten sich nicht nur an Kinder, auch Erwachsene sind eingeladen. Jeden Dienstag von 19 bis 21 Uhr gibt es eine offene Werkstatt. „Das soll hier ein Ort werden, an dem man sich zum Malen und Unterhalten zwanglos treffen kann“, hofft Gerber.
Beide haben die Erfahrung gemacht, dass viele Menschen zwar Lust auf kreatives Schaffen haben, sich aber häufig nicht so recht trauen oder glauben, „das kann ich nicht“. Oft eignet sich das häusliche Umfeld auch nicht für Malaktionen und es fehlt das Zubehör. Im Kreativatelier ist das kein Problem. Es gibt gutes Material aus dem Fachhandel für Kunstbedarf, Anregungen und Tipps von den Kunstpädagoginnen. Sie kennen die Angst vor dem leeren Blatt und wissen, wie man sie vertreibt.
Geplant sind im Atelier auch Afterworkpainting, Geburtstage und Teamevents
In den Herbstferien wird es wieder ein Programm für Kinder geben. Daneben soll es Kurse zu Spezialthemen wie Collagetechnik, Drucken, Zeichnen und anderes geben. Es wurden bereits zwei Kindergeburtstage im Atelier gebucht. Die Gruppe der Schulkinder wird mit Heißkleber und Draht Skulpturen bauen. Bei den Kindergartenkindern wird es mehr „haptisch“ zugehen. Da kann beispielsweise mit Fingerfarben experimentiert werden. Die beiden Frauen können sich aber auch Junggesellenabschiede, Afterworkpainting, Teamevents, Geburtstage und anderes in ihrer Kunstwerkstatt vorstellen.
Langfristig möchten sie außerdem Kunst in Altersheime, Schulen und Jugendzentren bringen. Sie hoffen, dass das Angebot in der Gemeinde ankommt. Ein Feedback von den Kindern gibt es schon: „Viel zu kurz“ seien die vier Kreativtage in den Ferien gewesen.