Süddeutsche Zeitung

"Jazz it up" im Schloss Seefeld:Fesselnder Jazz und düsterer Blues

Das Bernd Lhotzky Trio überzeugt das Publikum im Sudhaus mit breitem musikalischen Repertoire.

Von Reinhard Palmer, Seefeld

Der Veranstalter, Kultur im Schloss Seefeld, schien selbst überrascht zu sein über den Zuwachs im Bernd Lhotzky Trio: Der niederländische Trompeter Menno Daams ergänzte es zu einer Besetzung, die man im Sudhaus des Seefelder Schlosses schon von der bereits aufgelösten Formation Echoes of Swing bestens kannte. Pianist Bernd Lhotzky und Schlagzeuger Oliver Mewes spielten schon dort 20 Jahre lang zusammen. Nun komplettiert Claus Koch am Tenorsaxophon - gelegentlich auch an der Klarinette - das Bernd Lhotzky Trio mit rundem, weichen Timbre.

Insofern war hier der Einsatz von Daams nicht nur eine Ergänzung: Sein schärferer Trompetenklang, bisweilen schon mal ordentlich geschmettert oder mit Flattertönen euphorisiert, trat immer wieder als Kontrast in den Vordergrund. Klassisch ausgebildet und am Amsterdamer Konservatorium lehrend beherrscht Daams natürlich alle Register des Trompetenspiels und vermochte Koch genauso ein einfühlsamer Duopartner zu sein. Die reißerischen Passagen blieben so den Höhepunkten vorbehalten, sodass der ursprüngliche Trio-Charakter großteils gewahrt blieb, zumal der Auftritt gänzlich ohne elektronische Verstärkung auskam - von der Klangqualität her also ein Szenario der besonders feinsinnigen, kammermusikalischen Art.

Ein inspiriender Abend, auch mit Anekdoten und Geschichten aus dem Leben der Musiker

Lediglich Sprecher Peter Veit, bekannt von Funk und Fernsehen sowie Hörspielen, benötigte ein Mikrophon, um entspannt seinem keinesfalls nachrangigen Part nachzukommen. "Jazz it up" ist kein Konzert mit Ansagen, sondern eine Art Literaturkonzert, in dem sich Text und Musik inhaltlich ergänzen. Die in Seefeld anwesende Entwicklerin des Konzepts, Eva Hofmann, die bis vor gut einem Jahr Kulturamtsleiterin in Oberhaching war, konzipierte das Programm als eine besondere Geschichte des Jazz mit Anekdoten und Begebenheiten aus dem Leben vor allem von Komponisten, deren musikalische Werke das fesselnd gesprochene Wort sogleich abrundeten. Allerdings weniger mit Gassenhauern des Jazz als mit anspruchsvollen Raritäten, die dazu herausforderten, die bekannten Persönlichkeiten neu zu entdecken. Die Trompete bekam in dem Konzept durchaus schon mal eine führende Rolle, denn wie wäre die Musik von Louis Armstrong ohne sein Instrument ausgekommen? Und ohne Armstrong im Programm hätte ein humoristischer wie überraschender Höhepunkt gefehlt. Denn wer weiß schon, dass die Trompeterlegende auf Abführmittel schwor und nahezu missionarisch die Menschheit von den Vorzügen einer regelmäßigen Darmentleerung zu überzeugen versuchte.

Aber es ging hier im überaus unterhaltsamen Programm nicht nur um Humor. Dass der im Puls der Dampfermotoren komponierende homosexuelle Cole Porter in Paris dennoch eine Frau heiratete, ist ein typischeres Beispiel, wie Hofmann über Episoden und Hintergrundwissen aus dem Leben die jeweiligen Musikercharaktere greifbar zu machen versuchte. Kurios etwa im Fall des russischen Immigranten Irving Berlin, der als Autodidakt nur auf den schwarzen Tasten Klavier zu spielen erlernte und für andere Tonarten ein transponierendes Klavier brauchte. Dennoch sind seine Songs wie etwa "Blue Skies", "God Bless America", "Puttin' on the Riz" oder "White Christmas" weltberühmt geworden. Seine virtuose Gewandtheit des Stride-Piano-Spiels auszukosten, bekam Lhotzky im Kontext mit Willie "The Lion" Smith, der zu den großen Meistern dieses Fachs zählte. Wie auch Fats Waller, der offenbar zunächst mit einer ungepflegten Erscheinung, dann aber mit genialem Spiel für Aufmerksamkeit sorgte - und nur 39 Jahre alt wurde. Sein "Ain't Misbehavin'" war wohl der populärste Song im Repertoire des Abends.

Noch kürzer lebte der autodidaktische Kornettist Bix Beiderbecke: 28 höchst intensive Jahre bis zur Lungenentzündung. Seine Geschichte von Alkohol und losem Stiftzahn sorgte aber dafür, dass auch ein eher düsterer Blues ins Programm fand. Und klar: Duke Ellington und George Gershwin durften hier auch nicht fehlen. So bekam das Programm eine große Bandbreite, der die Musiker nicht nur mit stilistischer Sicherheit, sondern auch mit besonderen Klangausprägungen im Detail begegneten. Ein fesselnder Abend mit reichlich Musik der früheren Jazzjahre.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5713614
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/deu
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.