Süddeutsche Zeitung

Klinik-Neubau des Landkreises Starnberg:Plötzlich Herrsching

Der Klinik-Streit dreht sich um den Standort in Hechendorf, weil das Grundstück unter Landschaftsschutz steht. Beim Infoabend zum Bürgerentscheid erklärt Klinik-Chef Thomas Weiler allerdings unerwartet, dass er eine ganz andere "oberste Priorität" hat.

Von Christine Setzwein

Damit hatte wohl kaum einer der 70 Zuhörer in der Hechendorfer Turnhalle und der 65 Zuschauer an den heimischen PCs gerechnet: Während sich der Streit um einen Klinik-Neubau vor allem um den Standort Hechendorf dreht, sagte Thomas Weiler, Geschäftsführer der Starnberger Kliniken GmbH, am Dienstagabend klipp und klar: "Oberste Priorität hat für mich der Ausbau der Schindlbeck-Klinik." Sollte das Gesundheitsministerium zu dem Ergebnis kommen, dass dies möglich ist, könnten die Internistische Schindlbeck-Klinik und die Chirurgische Klinik Seefeld in Herrsching vereint werden. Wenn nicht, braucht der Landkreis Starnberg als Bauträger eine Alternative. Und die sieht er nur an der Lindenallee in Hechendorf im Landschaftsschutzgebiet.

Auf Herz und Nieren wird das Gesundheitsamt untersuchen, ob eine Erweiterung der Schindlbeck-Klinik, die gerade ihr 75-jähriges Bestehen feiert, auf ein 190-Betten-Haus möglich ist. Darin sollen die 72 Betten von Seefeld (150 Arbeitsplätze) und die 116 von Herrsching (300 Arbeitsplätze) sowie die Abteilungen Innere Medizin, Chirurgie und aus Starnberg die HNO zusammengelegt werden. Ein Ausbau in Herrsching habe unter anderem den Vorteil, dass dort bereits Baurecht vorhanden sei und die Fläche nicht aus dem Landschaftsschutz genommen werden müsse - ein wichtiger Zeitfaktor, sagt Weiler bei der Informationsveranstaltung am Dienstagabend.

Aber: Für einen Neubau in Hechendorf hat der Landkreis 25 000 Quadratmeter eingeplant, darauf würde wohl ein zweistöckiges Gebäude ausreichen, meint der Holding-Geschäftsführer. Das Areal der Schindlbeck-Klinik am Ammersee ist nur 15 500 Quadratmeter groß. Zwei Nachbargrundstücke, die der Kreis gerne hätte, sind laut Weiler nicht verkäuflich. Es müsste also in die Höhe gebaut werden. Weiler: "Das muss dann der Gemeinderat Herrsching entscheiden."

In der von BR-Moderator Jürgen Kaul geleiteten Veranstaltung berichteten Landrat Stefan Frey, Bürgermeister Klaus Kögel (beide CSU), Thomas Weiler und Oliver Prells vom Planungsverband Äußerer Wirtschaftsraum München, wie es zum Standort an der Lindenallee gekommen ist. Sie schilderten die vielen - gescheiterten - Grundstücksverhandlungen für mögliche andere Standorte und erläuterten, dass die zwei Kliniken zusammengelegt werden müssten, weil auf Dauer zumindest das defizitäre Seefelder Krankenhaus der Grund- und Notfallversorgung nicht mehr zu halten sei.

Die Behauptung der Bürgerinitiative Eichenallee (BI) in einem Flyer, dass eine ersatzlose Schließung der Kliniken Seefeld und Herrsching wegen der medizinischen Versorgung rechtlich unzulässig sei, sei falsch, sagte der Landrat. Rechtlich wäre das Klinikum Starnberg mit seinen 312 Betten "völlig ausreichend". Alles andere, wie ein kommunales Krankenhaus im westlichen Landkreis, sei "das Sahnehäubchen obendrauf". Dem habe der Kreistag mit großer Mehrheit zugestimmt. Über den Flyer der BI ärgerte sich Frey sehr. Darin stünden "auf Hochglanzpapier" drei Falschbehauptungen. Noch viel mehr fand später Altbürgermeister Wolfram Gum.

Zu Wort kamen auch der Bund Naturschutz (BN) sowie die Fraktionssprecher des Seefelder Gemeinderats. BN und Grüne/BI Eichenallee bekräftigten ihr Nein zum Bau einer Klinik im Landschaftsschutzgebiet und verwiesen auf "bessere und machbare Alternativen", ohne welche zu nennen. BVS, FWG, CSU, SPD und FDP sind für den Standort in Hechendorf, aber auch offen für eine Zusammenlegung in Herrsching.

Immer wieder wurde darauf hingewiesen, dass es im Ratsbegehren, das am 27. Juni zur Abstimmung steht, nur darum gehe, den Standort an der Eichenallee in einem Bauleitplanverfahren gründlich zu prüfen, in dem auch die Bürger wieder beteiligt würden. Zu Wort meldete sich auch Markus Wagner, der Ärztliche Direktor des Seefelder Krankenhauses. Er komme sich vor wie "in einem Pokerspiel mit schlechten Karten". Was, wenn Seefeld geschlossen würde? Die 3200 Operationen pro Jahr müssten dann in München gemacht werden, Starnberg sei dazu nicht in der Lage. "Wir geben Kompetenz weg", warnte Wagner.

Die Gemeinde Seefeld ließ sich diese erste Live-Online-Übertragung 4500 Euro kosten. Laut Rathaus-Geschäftsführer Fritz Cording wolle man versuchen, eine Aufzeichnung auf www.krankenhaus.ortsentwicklung-seefeld.de zu stellen. Dort würden auch die Fragen der Bürger beantwortet. Mit der Resonanz auf die Veranstaltung sei er "sehr zufrieden". BN und BI sind es nicht: "Leider hat die Veranstaltung ihren Zweck vollständig verfehlt."

Informationen unter www.krankenhaus.ortsentwicklung-seefeld.de, www.krankenhaus-seefeld.de, www.initiative-eichenallee.de und www.gruene-seefeld.de

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SZ vom 10.06.2021
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