Wenn es um Hygiene geht, dann wird auch bei Ehrengästen keine Ausnahme gemacht: Vor der Besichtigung des neuen Operationssaals im Klinikum Seefeld trifft es Bürgermeister und ehemalige Chefärzte ebenso wie Krankenhaus- und Pressevertreter, die OP-Kittel und Überschuhe anziehen müssen.
Drinnen erklärt Geschäftsführer Thomas Weiler vom "Verbund Starnberger Kliniken", zu dem auch Seefeld gehört, dass der Saal nach der Endabrechnung wohl zwei bis drei Millionen Euro kosten wird. Der neue Operationssaal ist quasi ein Geburtstagsgeschenk anlässlich des 150. Geburtstags der Klinik, der mit einem Festakt und Tag der offenen Tür begangen wurde.
Chefarzt Georg Gradl fehlt allerdings bei der Führung. Er muss in den OP - ein Notfall. Der neue Hightech-Raum ist mit 44 Quadratmetern fast doppelt so groß wie die beiden alten Räume. Operationstisch, Instrumente und verstellbare Leuchten stehen inmitten eines weiß markierten Vierecks. Per Unterdruck dank "Laminar Air Flow" ströme von der Decke "total reine Luft", die sich nicht mit der Luft außerhalb des Vierecks vermische, erläutert Weiler und zeigt auf glatte Wände ohne Fugen oder Lüftungsschlitze. Nur wer operiert oder assistiert, dürfe innerhalb der Markierung beim Patienten stehen.
Zuvor aber muss man durch eine durch zwei Türen doppelt gesicherte Luftschleuse gehen. Das alles soll gegen multiresistente Krankenhauskeime schützen. An den Wänden des OPs sind große Bildschirme eingelassen. Damit können die Ärzte ihre Eingriffe, die von einer Kamera aufgezeichnet werden, vergrößert betrachten, können das Ganze für die Dokumentation speichern. Neben dem OP-Tisch mit den türkisfarbenen Tüchern liegen sterile Instrumente bereit. Dass die Tücher nicht weiß sind, hat praktische Gründe: "Weiß" würde alles total überblenden, so Weiler. Grün und Blau mache die Sichtbarkeit für Auge und Kamera besser.
Trotz der unsicheren Zukunft des Standorts Seefeld sind die Investitionen in den neuen OP-Saal für Landrat Stefan Frey (CSU) und Weiler zwingend notwendig. Sie seien ein Baustein, um die Starnberger Kliniken zu sichern. "Wir wollen weiter existieren", sagt Weiler. Man wisse zwar nicht, was die Zukunft bringe, "aber wir machen alles, um die Klinik zu betreiben". Und Frey ergänzt: "Unter den alten Bedingungen können wir den Standard nicht halten". Dies sei für den Fortbestand der Kliniken genauso wichtig, wie das Konzept, Leistungen zu konzentrieren, um die geforderten Fallzahlen zu bekommen.
Bereits jetzt werden in Seefeld jährlich mehr als 3500 Endoprothesen eingesetzt - von der Schulter über Hüfte und Knie bis zum großen Zeh. Im Verbund sind die Kliniken mit ihren etwa 33 400 stationären Fällen einer der größten Arbeitgeber im Landkreis. Auch wenn nichts entschieden ist - über die Zukunft des Klinikgebäudes machen sich die Verantwortlichen Gedanken.
Bei diesen Planungen ist ein Vorteil des neuen OP-Saals die modulare Bauweise: Sollte die Seefelder Klinik aufgegeben werden, könnten die Bauteile versetzt werden. Die medizinische Ausstattung könnte aber auch von einem Nachfolger - etwa einer Schönheits- oder Tierklinik - übernommen werden. Aber das sind bislang nur Gedankenspiele.
1864 wurde der bis heute bestehende Krankenhauszweckverband gegründet. Zehn Jahre später und dank einer Finanzspritze von König Ludwig II. konnte das neue Krankenhaus in Seefeld eröffnen. Die Patienten wurden in zwei Zimmern mit jeweils 16 Betten untergebracht. Den alten Haupteingang mit dem schönen Torbogen gibt es noch, jedoch wurde er vom repräsentativen Haupteingang abgelöst. Heute gehört Seefeld mit den Kliniken in Starnberg, Penzberg und Herrsching zum Verbund der Starnberger Kliniken.
Das Seefelder Krankenhaus hatte allerdings schon immer zu kämpfen. Schon bei der 100-Jahr-Feier merkte der damalige Bürgermeister an, wie schwer es sei, den Unterhalt zu stemmen. In den Achtzigerjahren, bevor der ehemalige Klinikchef Nikolaus Hermes anfing, "lag die Klinik völlig am Boden", erinnerte sich Hermes in der Festschrift: "Sie sollte stillgelegt werden, womöglich in ein Seniorenheim umgewandelt werden". Drei Jahre lang habe Hermes quasi "Tag und Nacht" und ohne Urlaub gearbeitet.
Die Belegungszahlen erholten sich jedoch - genau wie das Image der Klinik. 2015 folgte jedoch die nächste Hiobsbotschaft: Die Bilanzen waren geschönt worden, um den Schuldenberg zu verbergen. Erneut stand die Klinik kurz vor dem Aus. Nur die Fusion mit Starnberg rettete die Klinik. "Ohne Altbürgermeister Wolfram Gum, Altlandrat Karl Roth und Thomas Weiler" hätte die Klinik Seefeld heute sicher kein 150-jähriges Jubiläum feiern können, sagt der Ärztliche Direktor Markus Wagner.
Prominente Patienten wie Franz Beckenbauer ließen sich in Seefeld behandeln
Dabei pilgerten zu den Hochzeiten sogar Promis in die Klinik. Karl Häser, Oberarzt und späterer Chefarzt, wurde als "Hauschirurg beim FC Bayern München" bekannt, heißt es in den Annalen. Er operierte Franz Beckenbauers große Zehe und richtete Gerd Müller den Arm, den sich der "Bomber der Nation" 1967 bei einem Länderspiel gegen Jugoslawien gebrochen hatte.
Vielleicht sei genau die Größe des Klinikums Seefeld mit seinen 72 Betten das Erfolgsrezept der Einrichtung, überlegte Weiler: Ein Ort "an dem man seinen Operateur noch kennt". An die familiäre Atmosphäre erinnert auch Wolfram Gum in der Festschrift. In den Siebzigerjahren sei er als junger Mann nach einem Autounfall als Patient in die Klinik gekommen. "Es ging mir gut. Ich lag auf der Station im Erdgeschoss. Abends reichten mir meine Kumpels die Bierflaschen durch das Fenster". Zudem habe es da eine Schwesternschülerin gegeben, die abends mitfeierte und sich im Kleiderschrank versteckte, wenn die Nachtschwester nahte.
Frey indes schlägt ernstere Töne an. Er blickt in seiner Rede in die Zukunft der Gesundheitsvorsorge. Vor allem kleine Kliniken seien vom Strukturwandel betroffen. Gleichwohl lobt er den "stolzen Klinikverbund mit insgesamt 620 Betten an vier Standorten" sowie die "Gesundheitsvorsorge auf höchstem Niveau - besonders auch hier im Klinikum Seefeld".
Die Belegzahlen würden stimmen, aber man merke den Rückgang stationärer Patienten, den Fachkräftemangel, Kostensteigerungen, Inflation. Und jede Investition sei mit "unfassbar hohen Baukosten" verbunden. Dabei seien die Verhandlungen zur Strukturreform zwischen Bund und Ländern festgefahren. Finanzielle Abhilfe für die Träger der Krankenhäuser sei nicht in Sicht.
Perspektivisch gesehen "müssen wir uns neu aufstellen", mahnt Frey. Das heißt: Von Gewohntem Abschied nehmen und sich an die Veränderungen anpassen. Es werde künftig nur einen zentralen Standort im Landkreis geben, prognostiziert er, "keine vier Notaufnahmen mehr". Die Vorgabe laute: Eine Konzentration auf bestimmte Leistungen, "in denen wir besonders gut sind und die wir finanziert bekommen".