Seefeld:Drei Frauen

Bewegende Kurzfilme überraschen die Seefelder

Von Gerhard Summer, Seefeld

Mona ist nach dem Abitur in ein tiefes Loch gefallen und kämpft mit ihren Depressionen. Alexandra lebt hinter einer Mauer und ist kaum zu Beziehungen fähig. Und Mia hat sich in einer Astrid-Lindgren-Idylle eingerichtet und muss ihren Großvater pflegen, weil es sonst keiner tut. Gut, das klingt jetzt nicht unbedingt nach großer Abendunterhaltung. Aber man soll sich nicht täuschen lassen: Diese drei mittellangen Kurzfilme, allesamt unter der Regie von Filmhochschulstudenten entstanden, sind bewegender als etliche aufpolierte Standard-Produktionen, die das Fernsehprogramm mühsam füllen oder sogar den Weg ins Kino gefunden haben.

"Mona" von Helena Golz, Theres Offenbeck und Christine Rauscher, "Alexandra" von Nicolai Dimitri Zeitler und "Mia" von Sophie Averkamp waren am Sonntag zum Abschluss der "Short plus"-Reihe in Seefeld zu sehen, die gleichsam die Vorhut des Fünfseen-Filmfestivals bildete. Barbara Winkler vom Verein Weitwinkel moderierte die Vorstellung und interviewte die jungen Regisseure, sodass aus einem Kurzfilm-Vergnügen dann doch ein ausgewachsenes dreistündiges Kino-Ereignis wurde.

Das reifste der drei Porträts ist "Mia": ein raffiniert und liebevoll konstruierter Film, der wie nebenbei Details preisgibt, die wichtig sind fürs Verständnis der Handlung. "Mia" profitiert wie die anderen beiden Produktionen von ausgezeichneten Hauptdarstellerinnen, entwickelt eine versponnene, in sich gekehrte Perspektive und ist streckenweise sehr witzig. Mias Innenleben spiegelt sich beispielsweise in einer Art Theater im Koffer wider. Da fliegt dann ein Walfisch durch den Wald, der eine Wasserpistole ist, und ein Schmetterling, mit dem die 21-jährige Eremitin später eine kaputte Mandoline verschönern will. Mia wirft nämlich nichts weg, und die Sammlerin gibt auch niemanden auf: Ihre Eltern reisen durch die Weltgeschichte, also bleibt ihr nichts anderes übrig, als den Großvater zu pflegen. Sie tut es mit Hingabe und einem Sud aus Honig und Kräutern. Doch dann taucht der vorwitzige und charmante Pfleger Ben auf, der sich im Badezimmer so selbstverständlich neben der Zähne putzenden Mia auszieht, als sei er hier zu Hause, und verordnet Opa wieder die richtigen Medikamente. Ob der Großvater nun deshalb stirbt oder einfach, weil seine Zeit gekommen ist, bleibt unklar. Und das ist eine der Qualitäten dieses Films, der in eine Romanze mit einer Musikalienhändlerin mündet: dass der Zuschauer die Geschichte im Kopf weiterdrehen kann.

"Mona" ist der emotionalste unter den sogenannten "Frauenbilder"-Filmen. Eine 24-Jährige, die immer glaubte, ganz besonders sein zu müssen, um bestehen zu können, verfällt in Panik. Sie hat Essstörungen. Sie kann nicht mehr schlafen. Sie hängt herum. Sie erstarrt. Im Endeffekt ist "Mona" mit seinen Rückblenden, die fast so wirken, als hätte sie die Hauptdarstellerin selbst gedreht, ein Stück Selbsttherapie. Die drei Regisseurinnen rücken Heulszenen, übel abgebissene Fingernägel und die Verzweiflung beim Schminken ins Bild. Mona spricht über ihre Ängste, versucht selbst eine Analyse. Am Ende helfen ihr ihre Pferde, das Improvisationstheater und der Einfall, in ihrem Tagebuch herumzukritzeln und ungehemmt "Bullshit" zu produzieren". Der Film hat kein Happy-End, aber einen zuversichtliches Schluss, den zwei der Regisseurinnen in Seefeld aber relativierten: Mona Meier werde wohl ein Leben lang mit Depressionen zu tun haben.

Auch "Alexandra" handelt von einer Störung, bewegt sich im Unterschied zu "Mia" und "Mona" aber am Rande der Nouvelle Vague. Zeitlers Film fehlt noch das letzte Quäntchen Lockerheit und Absurdität, aber er hat sehr wohl ein feines Gespür für verstörende Szenen, merkwürdige Dreierbeziehungen und beklemmende Atmosphäre. Seine Frauenfigur agiert, verglichen mit Mona und Mia, am ehesten wie ein Mann: ziemlich kalt, ja fast schon diabolisch. Und genau diese Unfähigkeit, sich zu öffnen und sein Herz zu zeigen, ist Thema dieses 40-minütigen, oft wie eine Versuchsanordnung wirkenden Filmes. Im winzigen Seefelder Kino gab es dafür genauso wie für die beiden anderen Produktionen viel Applaus.

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