Süddeutsche Zeitung

Das Hobby zum Beruf gemacht:Die Schönmacherinnen

Sonja Jänisch und Renate Stillkrauth haben ihr Hobby zum Beruf gemacht: Sie dekorieren Wohnungen und Büros um, sogar Immobilien hübschen sie auf, damit diese besser verkauft werden können

Von Manuela Warkocz, Seefeld

Urlaubszeit ist die Lieblingszeit von Sonja Jänisch und Renate Stillkrauth. Dann dringen sie in fremde Wohnungen ein, räumen aus, stellen alles auf den Kopf, machen sich an Wänden, Böden, Decken zu schaffen. Und wenn die Bewohner wieder heimkommen, strahlen sie. Vor Freude. Denn was die beiden Frauen aus Seefeld und Puchheim gezaubert haben, schaut aus wie in "Schöner Wohnen": Klare Formen, stimmige Farben, hier ein Kronleuchter als Hingucker, dort eine Stuckleiste neben einer schlichten Couch.

Früher verwirklichten die Freundinnen gerne unentgeltlich ihre kreativen Ideen - bei Bekannten, wenn eine Bude aufgehübscht werden sollte. Oder gestalteten das eigene Heim immer wieder neu. Das Streichen, Umräumen, Dekorieren ging ihren Männern ein wenig auf die Nerven. Im Jahr 2012 haben sie aus ihrer künstlerisch-kreativen Leidenschaft ein Geschäft gemacht. Als "Die Wohngestalterinnen" frischen sie rund um Starnberg, Fürstenfeldbruck und München Privat- und Geschäftsräume auf und setzen mit "Homestaging" Immobilien zum besseren Verkauf in Szene.

"Mit einfachen Mitteln ein geschmackvolles Umfeld schaffen, in dem sich die Leute wohlfühlen", so lautet das Credo von Sonja Jänisch. Persönliches, Individuelles solle dabei unbedingt integriert werden. In der Doppelhaushälfte der Familie im Seefelder Ortsteil Meiling mischt die 55-Jährige im Wohnzimmer bemalte Möbel mit ihrer Sammlung alter Porzellantassen. Die Gästetoilette überrascht als begehbare Schmuckdose, an der Ludwig II. seine Freude gehab hätte: rot ausgemalt, Muschelwaschbecken, Muscheltoilettensitz, ein Setzkasten voll edler Parfumflakons. Für die Wandlungsfähigkeit, die ein Haus in mehreren Familienphasen durchläuft, steht ein kleiner Raum mit schrägen Wänden unter dem Dach. Der war schon Bauernstube und Kinderzimmer, dann Büro des Hausherrn. Heute präsentiert er sich als elegantes Lese- und Ankleidezimmer. Akzente setzen ein Sessel, am Flohmarkt aufgestöbert und neu bezogen, am unteren Drittel der Wand eine Tapete aus dem Baumarkt, die mit einer Sockelleiste abschließt und den Raum strukturiert, sowie die hellen Einbauschränke.

Bei einem Kunden versuchen Jänisch und Stillkrauth als erstes herauszufinden: "Was ist seine Vorstellung? Was ist das für ein Wohntyp?". Oft hätten die Leute aber gar keine so rechte Vorstellung, fühlten sich einfach nur unwohl und lechzten nach Veränderung. Nach dem Motto: "Ich vertrau euch, macht was Schönes." Etwa der Mann, der nach seiner Scheidung eine neue Wohnung bezogen hat. "Der hatte eine Küche steril wie im Krankenhaus", erinnert sich Stillkrauth, 52. Mit Braun, Beige und Schwarz bekam sie Stil, über dem Essbereich wurde die Decke farblich abgesetzt. Möbel suchte man mit dem Kunden gemeinsam im Möbelhaus aus. "Meistens besprechen wir, was als Anschaffung sinnvoll wäre und haben dann ein bestimmtes Budget", sagt Jänisch. Oft reichten eine Lampe, ein paar Kissen, ein Tischchen. Und ein bisschen Mut für ungewöhnliche Lösungen. Warum nicht ein fensterloses Bad mit einem aufwendigen Holzspiegel und einem Kronleuchter zum Strahlen bringen?

Viel wichtiger als eine neue Möblierung findet Stillkrauth aber, Ordnung zu schaffen: "Ausmisten, klare Linien herstellen, eine Grundreinigung und schöne Düfte sind Voraussetzungen zum Wohlfühlen." Zwischen ein bis zwei Tagen und einer Woche rechnen sie, um eine Wohnung attraktiv herzurichten - je nachdem, ob auch gestrichen, tapeziert, Decken abgehängt oder Gardinen genäht werden. Viel Handwerkliches haben sich die Schönmacherinnen, beide gelernte Einzelhandelskauffrauen aus der Modebranche, selbst beigebracht. Für andere Gewerke arbeiten sie mit Fachleuten zusammen. Etwa bei der Umgestaltung des Großraumbüros eines Tintenpatronenherstellers in Olching. Eine Sattlerei nähte große Segel. Darunter hängten die Frauen schlichte Papierballons, gefüllt mit Watte. "Damit ließ sich der Raum für die acht Mitarbeiter viel kostengünstiger dämpfen als mit Deckenplatten", freute sich Stillkrauth. Trennwände wichen Pflanzeninseln. An die Wände kamen bunte Zertifikate des Patronenfabrikanten. Und schon mutete das Büro fast an wie die Lounge eines Ferienhotels.

Gaststätten haben sie ebenfalls schon gastfreundlich gestaltet. Wie die Gilchinger Pilsbar "Zinnkrug". Dort mussten die verstaubten Seidenblumen weichen. Dafür strahlen jetzt weiße Gardinen ein frisches Ambiente aus, Bonbongläser am Tresen wirken einladend, Schallplatten an den Wänden passen zu der Musikkneipe.

Besonders viel Spaß macht Jänisch und Stillkrauth das Herausputzen von Immobilien, um sie optimal zu verkaufen. Für die in Deutschland noch recht junge Geschäftsidee haben sich die Geschäftspartnerinnen in Rosenheim im "Deutschen Ausbildungszentrum für Home Staging" (DHAS) in Kursen qualifiziert. Sie gehören damit zu den etwa 360 Fachleuten, die Immobilien "aufpimpen", wie Stillkrauth sagt. In Holland seien sogar rund 3000 Homestager am Werk. "Entpersonalisiert wie ein Hotelzimmer, aber top", sei das Ziel des Raum-Makeups, so Jänisch. Schmuddelige Teppichböden und Tapeten kommen raus, Laminat und dezente Farbe rein. Sie haben sich leicht transportable Möbel aus Pappmaschee zugelegt wie eine Küchenzeile. Ein Bett aus Umzugskisten, darüber eine schicke Tagesdecke, ein paar Pflanzen, Stehlampen und Tabletttische - alles in fünf Minuten auf- und abzubauen. "Wir können so Anregungen für potenzielle Käufer schaffen. Sie sehen, wie die Wohnung wirken könnte", sagt Jänisch. Dafür muss der Kunde etwa 300 Euro pro Raum investieren, die dreimonatige Leihgebühr für die Möbel eingeschlossen. Die Urlaubskosten kann man sich dagegen sparen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3037988
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 17.06.2016
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.