Initiative:Wildblumen statt Rasen

Die Solidargemeinschaft ´Starnberger Land` will Kommunen, Pfarreien und Unternehmen überzeugen, ihre Grünflächen neu zu gestalten, um das Bienen- und Insektensterben zu stoppen.

Von Astrid Becker

Wenn es nach Reinhard Witt ginge, gäbe es keine Rasenflächen mehr. Nirgendwo. Denn was oft des Hobbygärtners ganzer Stolz ist - ein ordentlich aussehendes und regelmäßig gemähtes Grün vor dem Wohnzimmerfenster - grenzt für Witt an Umweltterrorismus. Natürlich sagt das der promovierte Biologe in diesen Worten nicht, aber seine Passion sind Naturgärten und Wildblumenwiesen. Seit 30 Jahren setzt sich Witt dafür ein, Menschen von der Idee zu überzeugen, Gärten und öffentliche Grünflächen in ein Paradies für Insekten, Vögel und Tiere zu verwandeln. Und wer Witt aufmerksam zuhört, wird eines schnell feststellen: Der Weg dorthin ist nicht so schwierig, wie es anfangs scheint.

Biene auf Blumenwiese

Die Phacelia trägt ihren deutschen Namen zu recht: Der "Bienenfreund" dient vielen Insekten als eine wertvolle Nahrungsquelle.

(Foto: Andreas Gebert)

Witt ist an diesem Donnerstagmorgen in Seefeld, genauer gesagt in "La Fattoria" in Drößling, zu Gast. Die Solidargemeinschaft "Starnberger Land" und die Vorsitzende der Gartenbauvereine im Landkreis, die Andechser Bürgermeisterin Anna Neppel, hatten den naturnahen Grünplaner gebeten, mit einem Vortrag das Projekt "Starnberger Land blüht auf" einzuläuten, das es andernorts, etwa im Landkreis Fürstenfeldbruck, längst schon gibt: Kommunen, Pfarreien oder auch Banken und andere Wirtschaftsunternehmen zu mobilisieren, Wildblumenwiesen und Blühstreifen statt Blumenrabatten und Rasenflächen anzulegen. Das Ziel ist, die Artenvielfalt zu stärken und so gegen Bienensterben und Insektenschwund vorzugehen.

Drößling: Insektensterben Vortrag von Reinhard Witt

Seit gut 30 Jahren kämpft der Biologe Reinhard Witt für mehr Wildblumenwiesen und Naturgärten.

(Foto: Nila Thiel)

An diesem Donnerstag richtet sich also der Appell, sich an dem Projekt zu beteiligen, vorerst an die 50 Vertreter aus Rathäusern und Wirtschaft, die der Einladung folgten. Wenn sie mit gutem Beispiel vorangingen, so die Hoffnung, könnten sie jeden einzelnen Landkreisbürger motivieren, selbst über eine ökologisch wertvolle Umgestaltung seines Gartens, seines Balkons oder auch nur des Grünstreifens vor seiner Wohnung nachzudenken.

Deshalb hält sich Witt gar nicht erst mit Theorien zum Thema auf, sondern erklärt ganz praktisch, worauf es beim Anlegen von Wildblumenwiesen und Blühstreifen ankommt. Die Größe der jeweiligen Fläche spiele dabei keine Rolle, sagt Witt. Entscheidend sei nur, auf heimische Pflanzen zu setzen, die sich selbst erhalten und weiter vermehren. Samenmischungen aus Gartencentern schieden da aus. Sie enthalten laut Witt meist nur einjährige und nichtheimische Pflanzensamen, die zwar von Frühling bis Herbst schön blühen, aber gleichzeitig auch unerwünschte Beikräuter anzögen. Im darauffolgenden Jahr müsse dann wieder gesät werden, was aufwendig und nicht nachhaltig sei, so Witt.

Günstige Wiese

Was sich zunächst aufwendig in der Neuanlage anhört, bringt im Laufe der Zeit deutliche Einsparungen mit sich. Denn wer statt auf einen Zierrasen auf eine Blumenwiese setzt, muss nicht mehr regelmäßig, teilweise sogar wöchentlich, sondern nur mehr ein- bis dreimal pro Jahr mähen. Dies verringert laut Naturgartenplaner Reinhard Witt den Pflegeaufwand um bis zu 87 Prozent. Auch der Kostenaufwand sinkt deutlich: Wer beispielsweise jedes Jahr aufs Neue sein Beet mit Blumenzwiebeln oder Blumen vom Gärtner bestückt, ist schnell bis zu mehrere Hundert Euro im Jahr los. Heimische Wildblumen-Saatmischungen kosten dagegen pro Quadratmeter etwa 60 Cent bis zu einem Euro. Günstig also, wenn man bedenkt, dass sie sich über die Jahre selbst erhalten und vermehren. abec

Doch nicht nur die richtige Mischung macht's, sondern auch der Boden, auf dem die Blumen gedeihen sollen. Bei bislang konventionell bepflanzten Flächen empfiehlt Witt, möglichst alles zu entfernen: Erde wie Pflanzen komplett abzutragen, das Ganze dann mit Kies und Sand aufzufüllen und es mit einer dünnen Schicht Kompost zu bedecken. Allerdings nicht dem eigenen, denn der enthalte bereits zu viele Samen unerwünschter Pflanzen wie der Melde oder dem Knöterich, sagt Witt. Stattdessen sollten Gärtner besser sogenannten "gütegesicherten Kompost" verwenden, den es im Fachhandel gibt. Dann mehrjährige Wildblumenmischungen aussäen oder im Topf vorgezogenen Wildstauden pflanzen.

Bei vorhandenen Rasenflächen, die sich in Blumenwiesen verwandeln sollen, wird es erst einmal aufwendig: Der Rasen muss mit dem Bagger abgetragen werden. Dann muss mit der Schaufel nachgearbeitet werden, "bis wirklich der ganze Oberboden entfernt ist, der eine Samenbank für Unkräuter ist ", so der Experte.

Deshalb empfiehlt er, sich in diesem Fall den Rat eines Fachmanns zu holen - auch um Enttäuschungen zu vermeiden. Denn bis sich die gewünschte Blütenpracht entfaltet, vergehen immer ein paar Jahre. Zudem kommt es noch auf die richtige Pflege an, zum Beispiel auf die Mahd. Dreimal pro Jahr hält der Experte Witt für optimal: Mitte Mai, Juli und September und dies dann am besten streifenweise. So ergebe sich eine gestaffelte Blütezeit, sagt er, von der Vögel wie Insekten gleichermaßen profitierten.

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