Kommunalpolitik:"Kasperltheater" in der CSU

Drößling Erdwall

Vor einem Jahr hat Gerhard Bönsch in Drößling einen Graben aufgeschüttet für eine Zufahrt zu einem geplanten Schafstall. Der wurde abgelehnt - und jetzt ist die Seefelder CSU gespalten.

(Foto: Nila Thiel)

Plötzlich tauchen beim Ortsverband in Seefeld viele Neumitglieder auf. Die Vorsitzende wird abgewählt, ein Neuling ist ihr Nachfolger. Der Bürgermeister vermutet einen Rachefeldzug - unter anderem wegen eines 200 Meter langen Erdwalls.

Von Christine Setzwein

Der Seefelder Bürgermeister schäumt. Wolfram Gum spricht von einem "irren Spiel", von "Kasperltheater", "tödlicher Außenwirkung" und von "ganz schlechtem Stil". So gehe man nicht miteinander um, schimpft er. Der Adressat seiner Tirade: der neue Vorstand des Seefelder CSU-Ortsverbands, allesamt Parteifreunde von ihm. Was den Bürgermeister so in Rage versetzt, ist die überraschende Abwahl der langjährigen Vorsitzenden Doris Kramp-Cichon und von vier CSU-Gemeinderäten, die als Beisitzer fungierten. "Wir distanzieren uns von dieser Art", sagt denn auch der Fraktionsvorsitzende im Gemeinderat, Sebastian Haberkorn.

Seefeld Rathaus PK

Von einem "Kasperltheater" spricht Bürgermeister Wolfram Gum.

(Foto: Georgine Treybal)

Was ist passiert? Gum, Cichon, Haberkorn und seine Kollegen Christian Wagner, Vize-Bürgermeister Josef Schneider und Christoph Preininger schildern es so: Zwei Wochen vor der Versammlung mit Neuwahlen traf sich der Vorstand samt Bürgermeister bei Kramp-Cichon zu Hause, um über die neue Besetzung zu beraten, die im Prinzip die alte bleiben sollte. Mit dabei war auch Schatzmeister Gerhard Bönsch. "Alle waren sich einig", sagt Kramp-Cichon. "Darum sind wir auch ziemlich blauäugig in die Versammlung gegangen", sagt Gum. Gewundert habe er sich nur über die vielen neuen Gesichter. Gum schlug Kramp-Cichon vor, ein anderer brachte den unbekannten Arnulf Daxer ins Spiel. Dann die Überraschung: 29 der 38 stimmberechtigten Mitglieder wählten Daxer.

Vom alten Vorstand blieben schließlich nur Benjamin Klatte, Wolfgang Lubrich und Gerhard Bönsch sowie Beisitzer Alexander Winter übrig. Bis auf zwei stammen alle Vorstandsmitglieder aus Hechendorf. Eine Liste mit den Namen der neuen Beisitzer hatte Bönsch schon dabei. Gum: "Meine Vorschläge, die Gemeinderäte wieder zu Beisitzern zu machen, wurden einfach überhört." Nach der Wahl gab es kein Wort des Dankes an Kramp-Cichon für ihre Arbeit. Kein schönes Ende ihres kommunalpolitischen Engagements. Sie stand, mit Unterbrechungen, seit 2001 an der Spitze der Seefelder CSU. Am Tag nach der Wahlniederlage sei sie in ihren Ziegenstall gegangen und habe ausgemistet. "Damit habe ich auch den ganzen anderen Mist beiseite geräumt", sagt die 67-Jährige. Wenn man vorher mit ihr geredet hätte, hätte sie den Weg freigemacht für einen Jüngeren, "aber diese linke Tour stinkt mir".

Inning, GH Post, Neujahrsempfang CSU

Doris Kramp-Cichon bekam keine Dankworte für ihre jahrelange Arbeit.

(Foto: Georgine Treybal; .)

Der Strippenzieher ist für die Verlierer schnell ausgemacht: Schatzmeister Bönsch. Der Autohändler und Schafzüchter aus Hechendorf habe im Laufe des vergangenen Oktobers 25 neue CSU-Mitglieder gewonnen - die zur Versammlung vergangenen Donnerstag kamen. Dem Vernehmen nach habe man ihnen freies Essen und Trinken versprochen. Nach der Wahl habe Bönsch dann in den Saal gerufen, dass alle Anwesenden eingeladen seien.

Andreas Lechermann, stellvertretender CSU-Kreisvorsitzender, war Gast der Versammlung und leitete die Wahl. Er hatte keine Ahnung vom Ausgang der Abstimmung, sagte er am Mittwoch zur SZ. "Es gab kein Wort des Unmuts und keinen Streit." Der Auslöser des "Bebens" sei ihm unbekannt, das Vorgehen dieser Wahl wollte er vorsichtig nur als "nicht üblich" nennen. Komisch fand er, dass Kramp-Cichon überhaupt nicht gedankt wurde, das habe er dann wenigstens übernommen. Sollte die Seefelder CSU einen Moderator brauchen, stünde er zur Verfügung.

Einen privaten Rachefeldzug gegen ihn vermutet Bürgermeister Gum: weil er Bönsch kein Autohaus in Hechendorf genehmigen konnte und weil der Bauantrag für einen großen Stall am Ortsausgang von Drößling abgelehnt wurde, der auch "eine große, gut ausgebaute Wohnung im ersten Stock beinhaltete mit freiem Blick zur Zugspitze". Vor einem Jahr hatte Bönsch auf diesem Grundstück ohne Genehmigung einen 200 Meter langen Erdwall aufgeschüttet und damit nicht nur die Nachbarn aufgeschreckt. Aber Gum macht noch mehr Feinde aus. Einer der neuen Beisitzer sei überzeugt, dass er, Gum, alleine dafür verantwortlich sei, dass in Oberalting Container für Flüchtlinge aufgestellt worden seien, ein anderer nehme ihm persönlich übel, dass der TSV Hechendorf immer noch keinen neuen Sportplatz habe. Für Gum steht fest, dass sich der neue Vorsitzende bei Kramp-Cichon und den Gemeinderäten entschuldigen müsse. Und wenn nicht? Dann sei auch die Aufstellung einer eigenen CSU-nahen Liste für die Kommunalwahl 2020 denkbar. "Wir stehen zur CSU, aber nicht zu diesem Haufen", poltert Gum, der im kommenden Jahr nach 30 Jahren im Amt nicht mehr als Bürgermeister antritt. Für die anderen Parteien am Ort sei der Streit im Ortsverband, der aktuell 82 Mitglieder hat, ein gefundenes Fressen. Gum: "Die reiben sich doch die Hände."

Seefeld

Arnulf Daxer, der neue Vorsitzende der Seefelder CSU.

(Foto: Privat/OH)

Die undurchsichtigen Vorgänge bei der Abwahl seiner Vorgängerin machen es dem neuen Vorsitzenden Arnulf Daxer nicht leicht. Dass so Verwerfungen entstünden, sei klar, meint der 38-jährige Hoteldirektor, der seit knapp zwei Jahren in Hechendorf lebt. Offensichtlich sei in der Vergangenheit viel schiefgelaufen. Er komme von außen und sei unvoreingenommen. Mit Gum und Kramp-Cichon wolle er Gespräche führen. "Mir ist an guter Zusammenarbeit gelegen." Gerhard Bönsch wollte sich nicht äußern.

Der neue Vorstand der CSU Seefeld: Arnulf Daxer (Vorsitzender), Stefan Kalski, Benjamin Klatte und Wolfgang Lubrich (stellvertretende Vorsitzende), Florian Ritzl (Schriftführer) und Gerhard Bönsch (Schatzmeister). Die Beisitzer sind Alexander Winter, Johannes Obermaier, Philip Petermann, Johann Dreyer, Klaus Strupp, Michael Krapf, Freddy Maletz, Christian Kops und Willy Spöhrer.

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