Gesundheit:„Die Stimme ist unsere Visitenkarte“

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Stimmencoachin Christine Vetter aus Hechendorf unterrichtet Menschen zwischen zehn und 85 Jahren. (Foto: Arlet Ulfers)

Die frühere Opernsängerin Christiane Vetter aus Hechendorf coacht Menschen, die Probleme beim Sprechen und Vortragen haben – oder mit den Enkelkindern singen wollen.

Interview von Carolin Fries, Seefeld

Vor 14 Jahren ist Christiane Vetter zurückgekehrt ins Fünfseenland, „der Ruf in die Heimat wurde immer lauter“. Zuvor hat die 56-Jährige 25 Jahre lang als Koloratursopranistin am Landestheater in Dresden gearbeitet. In ihrer Wohnung in Hechendorf unterrichtet sie nun als Stimmencoach Schüler zwischen zehn und 85 Jahren im Sprechen und Singen, mitunter findet der Unterricht auch online statt. Vetter wurde in Dublin geboren und verbrachte ihre Kindheit in San Francisco, ihr Vater Eugen Vetter war Direktor des Goethe-Instituts. Christiane Vetter studierte in München Opern- und Konzertgesang: Sie weiß ihre Stimme im Gespräch gekonnt einzusetzen und spricht nahezu druckreif.

SZ: Frau Vetter, was macht eine gute Stimme aus?

Christiane Vetter: Eine gute Stimme ist nicht angestrengt und kann modulieren: laut und leise, hoch und tief, langsam und schnell. Eine gute Stimme ist außerdem im Körper verankert.

Ist das nicht alles automatisch schon da, qua Geburt?

Jeder Mensch hat eine Stimme, das ist richtig. Über Jahre und gewisse Lebensumstände kann die sich aber verändern, auch zum Schlechten. Sie kann zum Beispiel ganz kratzig werden oder piepsig. Es hat oft psychologische Gründe, warum eine Stimme den Körper verlässt. Wer beispielsweise im Elternhaus immer gehört hat, „sei still“ oder „halt’ den Mund“, dessen Stimme verkümmert.

Wäre dann nicht eine Psychotherapie der richtige Ansatz?

Wenn ich an die Stimme der Menschen heran möchte, komme ich nicht drum herum, ihr Innerstes anzurühren. Ich treffe also zwingend auf das Herzenskämmerchen meiner Schülerinnen und Schüler. Ich bin keine Psychologin und möchte mich auch nicht zu weit aus dem Fenster lehnen – aber es ist ganz erstaunlich, was ich mit der Arbeit an der Stimme an psychologischen Dingen berühren und verändern kann.

Wie kann ich meiner Stimme denn Gutes tun?

Grundsätzlich ist es gut, viel zu trinken. Und stimmliche Anstrengungen zu vermeiden.

Das mag manchmal gehen, doch Erzieher oder Lehrerinnen zum Beispiel sind jeden Tag stimmlich gefordert.

Das ist ein großes Thema. Allgemein gesprochen gilt es, die Schweigephase, also die Atmung, im Körper zu verankern. Die Stimme verbindet uns zwar nach außen, aber sie entsteht im Körper. Klang heißt, entspanntes Gewebe, Faszien, in Schwingung zu versetzen. Ich muss also zuerst in den Körper hineindenken, bevor der Klang innerhalb von Sekundenbruchteilen draußen erklingt. Das muss man üben, damit es ins Unterbewusstsein übergeht. In der Klangphase müssen die Vokale im Körper verankert sein, Stichwort Bauchredner. Das ist ein Prozess, der mit vielen Bildern und Vorstellungshilfen stattfindet. Denn wir können unsere Stimme ja nicht sehen.

Jeder Mensch hat neben der Sprechstimme auch eine Singstimme. (Foto: SZ Photo)

Welche Fehler sollte ich vermeiden?

Sie sollten unbedingt verhindern, sich zu räuspern. Das sind Schläge auf die Stimme. Und Sie sollten, gerade wenn Sie lauter sprechen wollen, nicht nach außen denken. Außerdem ist ausreichend Schlaf für die Stimme wichtig.

Man hört immer wieder davon, die Stimme aufzuwärmen. Ist da was dran?

Nein, wir müssen die Stimme nicht aufwärmen. Die Stimmbandmuskulatur ist unwillkürliche Muskulatur. Das sogenannte Aufwärmen meint eher eine mentale Vorbereitung, also bewusstes Atmen und die Vokale im Körper verankern.

Mit welchen Problemen kommen Ihre Schüler zu Ihnen?

Zu mir kommt zum Beispiel der Herr Professor Doktor Leberspezialist, der das Staatsexamen abfragt, aber nur sehr leise sprechen kann. Er will lernen, wie er lauter werden und das Tempo drosseln kann, damit die gestellten Fragen beim Gegenüber auch gut ankommen. Dann kommt die Oma zu mir, die ihre Singstimme auf Vordermann bringen möchte, um mit den Enkelkindern zu singen. Ebenso die Dame, die auf der Frankfurter Buchmesse selbstbewusst ihr neues Buch vorstellen möchte. Aber auch die Hausfrau, die durch das Singen als Frau erblühen will oder Schüler, die für mündliche Prüfungen und Referate vorbereitet sein wollen.

Sie werden auch von Firmen wie BMW gebucht. Was wollen die von Ihnen?

Bei BMW ging es darum, wie die Stimme Vertrauen schaffen und Führungskompetenz sichtbar machen kann. Wenn ich als Führungskraft meine Stimme auch leise einsetzen kann, strahle ich Ruhe und Vertrauen aus. Durch lautes Sprechen von innen heraus bin ich authentisch als Führungskraft. Auch das Thema Selbstbewusstsein spielt eine große Rolle: Wenn ich meine Stimme im Körper spüre, beschenke ich mich selbst mit einer Schwingung, die mich kräftigt und durch die richtige Atmung gleichzeitig entspannt.

Gehören Pausen denn auch zur Stimme dazu?

Unbedingt! Die Pausen sind die Atmung. Sie sollten nicht mit Weichspülern wie „Ähm“ „Äh“ und „Mhm“ ausgefüllt werden.

Hat sich der Stimmgebrauch in den vergangenen Jahren eigentlich verändert?

Leider hat sich die Sprechkultur in den vergangenen 30 Jahren durch die amerikanische Coolness sehr verschlechtert. Es wird gerne alles so lässig dahingenuschelt. Erst seit ein paar Jahren, vor allem seit Corona, ist die Bedeutung und das Bewusstsein für die Stimme wieder gewachsen. In der Online-Konferenz spielt die Stimme eben eine noch größere Rolle als im Besprechungszimmer. Die Stimme ist unsere Visitenkarte. Psychologen haben festgestellt, dass wir zu 70 Prozent über die Stimme wahrgenommen werden. Anstatt neuer Kleider sollten wir uns eine gute Stimme gönnen, denn die begleitet uns das ganze Leben.

Hat eigentlich jeder Mensch auch eine Singstimme?

Ja. Ob diese Stimme nun nach Blechbüchse, Silber oder Gold klingt, hat mit dem Körperbau zu tun, genauer gesagt mit dem Fasziengewebe, das in Schwingung gerät. Interessanterweise können Sprech- und Singstimme ganz unterschiedlich entwickelt sein und auch verschiedene Stimmhöhen haben.

Wann mögen Sie ihre Stimme am liebsten?

Immer. Weil ich sie in jeder Lebenslage und Stimmung einzusetzen weiß.

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