Seefeld:Charakterisiert und karikiert

Seefeld: Angelika Littwin-Pieper mit ihren Schöpfungen, für die sie vorzugsweise Köpfe aus Ton auf Torsi aus Schwemmholz montiert.

Angelika Littwin-Pieper mit ihren Schöpfungen, für die sie vorzugsweise Köpfe aus Ton auf Torsi aus Schwemmholz montiert.

(Foto: Lothar Pieper/oh)

Angelika Littwin-Piepers Statuen und Figurinen sprühen vor beißendem Witz, was schon Lothar-Günther Buchheim bewundert hat. Von Sonntag an ist in Schloss Seefeld eine Werkschau zu sehen

Von Katja Sebald, Seefeld

Zu ihren größten Bewunderern gehörte Lothar-Günther Buchheim, der sie gar als "weiblichen George Grosz" bezeichnete. Nicht weniger als 18 lebensgroße Figuren von Angelika Littwin-Pieper kaufte der Sammler einst in einer einzigen Ausstellung. Seit einigen Jahren sitzen sie zum immerwährenden Kaffeeklatsch im "Café Littwin" des Buchheim-Museums. Eine illustre Gesellschaft jener kuriosen Zeitgenossen, die unter den Händen der Feldafinger Künstlerin entstehen, hat sich jetzt in der Galerie Stenzel im Schloss Seefeld versammelt - und diesmal besteht definitiv keine Gefahr, dass der große Buchheim alles aufkauft.

Vorsicht ist trotzdem geboten: Wer am Sonntag bei der Vernissage nicht aufpasst, der könnte sich demnächst und nur mit einem Saunatuch bekleidet, als überspannte "Dame in Rot" oder als meditierender Gartenzwerg wiederfinden. Oder als leicht vertrottelter "Fotograf" oder, noch schlimmer, als fieser "Journalist" mit Schweinsäuglein. Littwin-Pieper bleibt gerne im Hintergrund, ist aber gleichzeitig eine maliziöse, gnadenlos genaue Beobachterin. Anders als Grosz gibt sie sich nicht mit den großen politischen und gesellschaftlichen Missständen ab, sondern gießt ihren Spott ganz und gar unverblümt über ihre Mitmenschen aus.

Mit ihren lebensgroßen, bekleideten Figuren ist Littwin-Pieper weit über die Landkreisgrenzen hinaus bekannt geworden. Seit gut zehn Jahren aber dienen ihr vorzugsweise Schwemmhölzer, die sie von Reisen nach Sardinien und Sizilien mitbringt, als Körper oder Torsi für ihre Figuren. Die Köpfe formt sie auch weiterhin aus Ton, wobei sie nahtlose Übergänge zwischen den verwitterten und vom Salzwasser zerfressenen Oberflächen der Fundstücke und dem "Inkarnat" zu schaffen weiß, sodass Schultern, Hals und Kopf gleichsam aus dem Holz herauswachsen.

Das zerfurchte, unbearbeitete Holz und die sorgfältig bis ins Detail ausgearbeiteten Gesichter stehen dabei in einem höchst reizvollen Kontrast. Die so entstandenen Kopf-Torsi werden auf hohe Eisenstangen montiert und schweben so gleichsam im Raum. Manche zitieren berühmte Kunstwerke, wie etwa die "Hommage an Klimt" oder stellen Figuren aus der Mythologie dar, wie die "Minerva", die von zwei lebensgroßen Eulen flankiert wird. Accessoires wie ein Perlendiadem für eine "Medici", ein Fächer für eine maskierte Venezianerin oder eine Brille und eine alte Pocketkamera für den Fotografen lassen die so Charakterisierten und Karikierten beinahe lebensecht erscheinen.

Daneben gibt es auch weiterhin von Kopf bis Fuß ausgearbeitete Figuren, die ganz aus Ton geformt werden - allerdings in deutlich kleineren Formaten. Hier lebt die Künstlerin nach Herzenslust ihre satirische Ader aus, etwa wenn sie eine ganze Truppe von "Damen mit Hündchen" aufmarschieren lässt: Jede einzelne trägt zwar einen eleganten Hut, Schmuck und reichlich Schminke - ansonsten aber bloß eine rote Schärpe, die ihre in üppigen Röllchen wuchernde Körperfülle, ihre hängende Brüste, ihre faltige Haut und ja, ihre opulenten Tattoos nicht einmal ansatzweise verbergen kann. Im Schaufenster der Galerie tummeln sich nicht minder ungeniert die "Wellness-Herren", auch sie nackt und vom Astralkörper denkbar weit entfernt.

Wenn ihr eine dieser dreidimensionalen Karikaturen besonders gelungen erscheint, dann setzt Littwin-Pieper sie gerne noch als kleinformatige Bronze um: Der hochnäsige Windhund von "altem Adel" gehört mit Sicherheit zu ihren bezauberndsten Schöpfungen. Der dicke Gartenzwerg im Lotussitz und der ältliche "Minotaurus im Ruhestand" sind nicht minder kurios. Und manche dieser Charakterfiguren sind von so beißendem Witz, dass einem das Lachen im Hals stecken bleibt.

Die Ausstellung "Wir sehen uns - We will see us" wird an diesem Sonntag um 14 Uhr eröffnet und ist bis zum 17. März donnerstags bis sonntags von 13 bis 18 Uhr zu sehen.

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