Seefeld:Bis die Knochen krachen

Eine 65-jährige Seefelderin fühlt sich durch Schallwellen malträtiert und verklagt ihren Nachbarn - der rastet aus

Von Michael Berzl, Seefeld

Es war der schreckliche Höhepunkt eines jahrelangen Psychokriegs unter Nachbarn. Mehrere Gerichtsverfahren hat eine 65-jährige Frau aus Seefeld gegen einen 49-Jährigen angestrengt, der in einem Mehrfamilienhaus unter ihr wohnt. Sie spricht von "tieffrequenten Übergriffen", fühlt sich durch Schallwellen malträtiert. Schließlich hat der Mann zugeschlagen. Vor einem Jahr hat er die Frau so brutal verprügelt, dass der Rettungsdienst sie mit Knochenbrüchen und Prellungen ins Krankenhaus bringen musste. Für diese gefährliche Körperverletzung wurde der 49-Jährige am Dienstag zu einer sechsmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt. An sein Opfer muss er außerdem 5000 Euro Schmerzensgeld zahlen.

Mit ihrem Urteil folgte Amtsrichterin Christine Conrad weitgehend dem Antrag der Staatsanwältin. In ihrer ausführlichen Begründung, die streckenweise wie das Plädoyer eines Verteidigers klang, äußerte die Richterin sehr viel Verständnis für die Situation des Angeklagten. Er hätte sich schikaniert gefühlt wegen der ständigen Prozesse wegen "angeblicher Schallwellen". Sie sprach sogar von "Provokationen". Auch wenn die massiven Faustschläge lebensgefährlich gewesen seien, gehe sie von einem minderschweren Fall aus.

Den Angriff auf seine Nachbarin im Oktober vergangenen Jahres draußen vor dem Haus hatte der Angeklagte schon am ersten Verhandlungstag vor drei Wochen zugegeben. Immer wieder habe er mit der Faust zugeschlagen, "bis es krachte". Sein Rechtsanwalt sprach in seinem Plädoyer von einer "Kurzschlusshandlung" nach jahrelangen, ständigen Provokationen. Das sei eine Geschichte gewesen, "die sich hochgeschaukelt hat und schließlich zur Explosion gekommen ist". Ein 59-Jähriger, der ebenfalls in dem Mehrparteienhaus in Seefeld wohnt, sagte als Zeuge: "Sie hat ihn jahrelang geärgert."

Die Frau, die so übel zugerichtet wurde, schilderte als Zeugin vor Gericht, sie habe das Gefühl gehabt, ihr würden die Knochen im Kopf zermalmt, sie habe Todesangst gehabt. Bei einigen Details zum Tathergang hatte Richterin Conrad allerdings Zweifel, ob sie der Wahrheit entsprachen. Zum Beispiel bei den angeblichen Fußtritten, von denen auch die Rede war. Die Zeugin, die als Nebenklägerin mit einem Anwalt zur Verhandlung gekommen war, habe "unverkennbar einen gesteigerten Belastungseifer gezeigt". Zudem gebe es Hinweise auf "wahnhafte Vorstellungen" der Seefelderin. Die hatte kopfschüttelnd die Ausführungen der Richterin verfolgt.

Mit den verfeindeten Nachbarn, die nun beide in psychotherapeutischer Behandlung sind, wird sich die Justiz wohl noch länger beschäftigen müssen. Ein Verfahren wegen der angeblichen Schallwellen ist noch nicht abgeschlossen. Währenddessen gibt es eine Verfügung nach dem Gewaltschutzgesetz gegen den 49-Jährigen, wonach er sich von seiner Nachbarin fernzuhalten hat. "Es ist immer noch nicht vorbei. Es ist immer noch nicht zu Ende", befürchtet Richterin Conrad. Der Angeklagte und die Vertreterin der Staatsanwaltschaft haben das am Dienstag verhängte Urteil angenommen, die 65-Jährige, die immer noch unter den Folgen der Verletzungen leidet, überlegt noch. Die Richterin gab ihr mit auf den Weg: "Zur Befriedung so einer nachbarschaftlichen Situation gehören immer zwei Seiten."

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