Süddeutsche Zeitung

Secondhand-Markt:Schnell sein ist alles

Wer beim beliebten Wintersport Secondhand-Markt in Söcking Günstiges ergattern will, muss hamstern, probieren, zurückschleppen. Besonders Eltern von kleinen Kindern decken sich mit Ski und Klamotten ein und können diese im nächsten Jahr wieder verkaufen

Von Isabella Falkner, Starnberg

"Lasst die Massen rein", ruft einer der Helfer beim Wintersport Secondhand-Markt des Sportvereins Söcking. Mit den "Massen" ist die ellenlange Schlange an Familien gemeint, die - manche schon seit einer guten halben Stunde - vor der Turnhalle warten. Auf genau diese Aufforderung haben sie gewartet, die Pforten der Franz-Dietrich-Halle öffnen sich, und sofort stürzen sich alle herein auf das Klamotten- und Skiangebot. "Jetzt wird erst mal gehamstert", klärt einer der ehrenamtlichen Berater auf. Hamstern, das heißt: Alles wird an sich gerissen, was auch nur annähernd dem ähneln könnte, was man sucht. Dann wird alles durchprobiert und der Rest am Ende wieder an den angestammten Platz zurückgestellt - meistens zumindest. Alles, was man in der Halle sehen kann, stammt von Privatpersonen. Die haben jedes Utensil mit einem Schildchen versehen. 20 Prozent der Einnahmen aus dem Verkauf gehen in die Jugendarbeit des SV Söcking, die restlichen 80 Prozent bekommen die, deren Stück verkauft wurde.

Helme, die kunstvoll an einem Fußballtornetz angebracht sind, Skier, Skihosen, auf einem Schwebebalken drapiert, Skijacken, Skistöcke und Snowboards, die von einer vom Organisator selbstgezimmerten Konstruktion gehalten werden. Hier gibt es wirklich alles, was das Wintersportlerherz begehrt.

Organisator, das ist Reinhard Rampelmann. Er macht das Ganze schon seit 40 Jahren und hat heute quasi sein Jubiläum. Rampelmann ist gerade dabei, Lorenzo bei der Wahl eines Helms zu beraten. Der Kopf des Elfjährigen ist komplett in dem schwarzen Helm verschwunden, an dem Rampelmann beherzt rüttelt und zerrt. "Und, sitzt er?". "Ein Helm darf nicht wackeln", erklärt der Ehrenamtliche, "weil, wenn der Helm rutscht und man stürzt, dann können da noch andere Verletzungen entstehen." Am Ende scheitert es daran, dass der Helm ein durchsichtiges Visier hat, das findet Lorenzos Mutter nicht sinnvoll. Aber wenigstens gewackelt er nicht.

Elisa probiert gerade ein Paar Skischuhe an. "Elli, hast du deine Zehen gerade?", fragt die Mutter prüfend. Die blauen Skischuhe scheinen nicht so wirklich zu passen. Ein Berater kommt vorbei und ermahnt die Familie, alles was sie nicht brauchet schnell wieder zurückzulegen, damit auch alles gerecht zugeht. Und schon kommt eine Frau vorbei und greift sich das eine Paar Skier, das die Familie zum Anprobieren rausgesucht hatte. Schnell sein ist die Devise!

Auch Sophie sucht eine neue Ausrüstung. Eine Skijacke hat sie schon gefunden, jetzt fehlen nur noch die Skistöcke. Passende zu finden stellt sich aber als gar nicht so einfach heraus bei der reichen Auswahl, die an der von Rampelmann gezimmerten Konstruktion hängt. Sophie hat sich eigentlich für ein schwarzes Paar mit silbernem Muster entschieden, aber da schaltet sich Marie Leininger ein. Auch sie ist eine der ehrenamtlichen Beraterinnen, die den shoppinglustigen Familien mit Rat und Tat zur Seite stehen. Leininger erklärt, dass der Arm im rechten Winkel angebeugt sein muss, wenn man Skistöcke knapp unterhalb der Teller anfasst, damit sie die richtige Länge haben. Aber bei der zehnjährigen Sophie ist es leider auch mit viel Optimismus kein rechter Winkel. Also muss sich das Mädchen noch einmal aufmachen und ein neues Paar suchen. Finden wird sie es bestimmt.

Seine Erstausrüstung hat der vierjährige Lukas heute ergattert. Er wird im Winter einen Skikurs mit seinen Freunden machen, vom Kindergarten aus. Sichtlich stolz, aber auch ein bisschen schüchtern präsentiert der Bub seine Errungenschaften: Eine neue Skihose, Skischuhe, Skistöcke, sowie einen neuen Helm. Gerade für so kleine Kinder ist der Secondhand-Markt perfekt. Denn schon im nächsten Winter wird ihm die Ausrüstung wahrscheinlich nicht mehr passen. Da können seine Eltern sie dann verkaufen und er kann sich günstig neu eindecken.

Nach dem Shoppingrausch warten vor der Halle ein reichhaltiges Kuchenbuffet, Kaffee und Apfelschorle auf die Schnäppchenjäger. Den Kuchen haben die Mitglieder des Sportvereins selbst gebacken. Der Erlös kommt, wie die 20 Prozent aus dem Skiverkauf, der Jugendarbeit des SV Söcking zu Gute. Draußen kann man beobachten, wie sich die Familien über ihre gerade erjagten Errungenschaften freuen - die Eltern zuweilen fast mehr als ihre Kinder.

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Quelle:
SZ vom 21.10.2019
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