Schule und Sport:Stürmische Begeisterung

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Paddeln statt segeln: Weil der Wind fehlt, haben Tutzinger Schüler die kleinen Segeljollen flugs in Paddelboote umfunktioniert. (Foto: Arlet Ulfers)

Sechstklässler des Gymnasiums und der Realschule lernen gemeinsam das Segeln. Da trübt es den Spaß nicht, wenn bei Flaute auch einmal gepaddelt werden muss.

Von Carina Seeburg, Tutzing

Schallendes Lachen und Anfeuerungsrufe hallen an diesem sonnigen Herbsttag über den Starnberger See. Die Segel-AG der Tutzinger Sechstklässler hat ihre Optimisten kurzerhand in Ruderbote umfunktioniert. Es ist ein goldener Oktobertag, aber mit absoluter Windstille.

Seit Beginn des neuen Schuljahrs segeln Schüler des Tutzinger Gymnasiums und der Benedictus-Realschule jede Woche gemeinsam auf dem Starnberger See. "Das Projekt, das die beiden Schulen in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Touring Yacht-Club (DTYC) in Tutzing auf die Beine gestellt haben, soll Schüler an diese Sportart heranführen, und auch denjenigen Kindern eine Chance geben, das Segeln zu erlernen, deren Eltern nicht über die finanziellen Ressourcen für den Sport verfügen", sagt Birgit Hollerbach, Studiendirektorin am Gymnasium Tutzing. Auch Thomas Kräh, Sportlehrer an der Benedictus-Realschule, ist von der Zusammenarbeit überzeugt: "Wir wollen Talente entdecken und fördern."

Dass die Sechstklässler aus der Realschule und dem Gymnasium großen Spaß am gemeinsamen Lernen haben, zeigt sich nicht erst auf dem Wasser. Denn Flaute hin oder her, auch wenn die Segel heute nicht gesetzt werden: Zu Beginn eines jeden Kurstages steht Segeltheorie auf dem Programm. Die Grundlagen sitzen schon: Viele Hände schnellen in die Höhe, als Frank Weigelt, Jugendwart des DTYC, nach "Luv" und "Lee" - der Wind zugewandten und der Wind abgewandten Seite - fragt. Schwieriger wird es bei den kniffeligen Fragen. "Wie legt man sicher an einem Steg an?" Der Frage folgen Stimmengewirr und zahlreiche Lösungsvorschläge. Ein schlagkräftiges Argument hat der elfjährige Leo vom Gymnasium Tutzing: "Gegen den Wind kann man auch bremsen" erklärt er und die Lösung ist gefunden: Der Steg muss in Luv liegen, um beim Anlegen die Kontrolle über das Segelboot zu behalten.

Bis die Schüler große Segelboote lenken können, üben sie in kleinen "Optis". Die Optimisten-Jolle ist eine leichte, speziell für Kinder entwickelte Einhandjolle - die Einstiegsklasse für den Regattasport. Statt zu Segeln wird heute allerdings gepaddelt. Eine Paddelregatta ums Hafenbecken! Die kurzfristige Planänderung aufgrund der anhaltenden Flaute löst stürmische Begeisterung aus. Bevor es aufs Wasser geht, fragt Amelie Petzold, Schülerhilfe beim DTYC, noch einmal das Wissen der angehenden Segler ab. Hausaufgabe war die Beschriftung eines Optis. Fachbegriffe wie "Schwert", "Pinne", "Auftriebskörper" und "Schot" werden zielsicher benannt und die kleinen Jollen anschließend gemeinsam zum See getragen. Die Teams für die Paddelregatta sind schnell gebildet und bunt gemischt. "Ich habe in der Segel-AG Freunde aus der Grundschule wiedergetroffen", berichtet der elfjährige Hugo aus der 6c des Gymnasiums. Auch der gleichaltrige Realschüler Benedikt freut sich darüber, beim Segeln Klassenkameraden aus der Grundschule wiederzusehen. Einige Schüler segeln bereits in ihrer Freizeit. Auch die Gymnasiastinnen Paulina, Leni und Karina berichten, dass sie bei der Jugend-Wassersportwoche schon einmal einen Schnupperkurs gemacht haben. Tristan und Luca vom Gymnasium indes steuern in der Segel-AG erstmals selbst eine Jolle. Gleichstand beim Erfahrungsschatz herrscht hingegen bei der heutigen Paddelregatta in den umfunktionierten Optimisten.

Drei, zwei, eins - Start! Eine laute Trillerpfeife schrillt über den See. Im ersten Durchlauf tritt das Team der "Seegurken" gegen die "Meeresfrüchte" an. Die jeweils vier Insassen der kleinen Boote paddeln, was das Zeug hält. Anfangs sind die beiden Teams noch gleichauf, dann driften die "Meeresfrüchte" ab und werden von den "Seegurken" überholt. Das Siegerteam - bestehend aus den Realschülern Maxi und Eric sowie den Gymnasiasten Luca und Marlene - wird mit ausgiebigem Applaus von den "Salzgurken", den "Seesternen" und den "Salzkartoffeln" am Steg empfangen. Auf die Sportreporterfrage "Woran hat's gelegen?" antwortet der elfjährige Pablo: "Wir haben falsch navigiert, weil wir dachten, dass wir um die blaue Boje fahren müssen. Dann haben wir noch gut aufgeholt, konnten aber den Fehler nicht mehr ausgleichen". Fast schon professionell.

Thomas Kräh zeigt sich zufrieden: "Die Kooperation unserer Schulen mit dem DTYC funktioniert hervorragend und die Kinder haben viel Spaß." Langfristiges Ziel sei es, die Schulen als anerkannte Stützpunktschulen zu etablieren. Diese sichten und fördern Talente. Zunächst stünden aber der Spaß und der Erfolg der schulübergreifenden Segel-AG im Vordergrund. Nach einer Winterpause werden die Tutzinger Sechstklässler im Frühjahr wieder in ihren Optis auf den See hinausfahren. "Wir hoffen, dass einige Schüler danach dranbleiben", sagt Kräh. "Wenn Schüler durch die AG eine neue Sportart für sich entdeckt haben, dann ist das Projekt ein Erfolg".

© SZ vom 20.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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