Süddeutsche Zeitung

Ausstellung im Freien:Das Ende des Skulpturenwegs

Der Schondorfer Kunstpfad wird wohl nur noch bis zum Jahresende komplett zu besichtigen sein. Der Grundeigentümer lehnt eine weitere Verlängerung des ursprünglich auf nur drei Jahre begrenzten Projekts ab.

Von Armin Greune

Die Begeisterung der Gäste aus Norddeutschland ist leicht nachzuvollziehen. Gerade hat die vierköpfige Familie entdeckt, welch grandioses Fotomotiv der Blick durch den "Großen Fadenschein" an der Schondorfer Uferpromenade bietet: Zwei mit Drähten bespannte Rahmen richten den Fokus genau auf die Andechser Wallfahrtskirche aus, darunter dümpelt ein Segelboot an einer Boje, und am Rand ragt noch ein Teil des Alpenpanoramas ins Bild. Kein Zweifel, Thomas Lenharts Stahlskulptur steht genau am richtigen Ort.

Leider lässt sich das von anderen Elementen des Schondorfer Skulpturenwegs nicht mehr lange sagen. Es steht zu befürchten, dass die meisten Kunstwerke abgebaut werden müssen. Bis zum Jahresende bleibt aber auf jeden Fall noch Gelegenheit, diese reizvolle Symbiose aus Kultur und Natur entlang des Weingartenwegs nach Eching nahezu vollständig zu erleben. Voraussetzung ist freilich, dass man den 1,5 Kilometer langen Parcours nicht an einem Wochenende besucht, wenn es von Ausflüglern nur so wimmelt. "Dann herrscht zwischen Fahrradfahrern und Fußgängern eine permanente Konfliktsituation," hat Waldbesitzer Benedikt von Perfall beobachtet, auf dessen Grund acht der 21 verbliebenen Skulpturen stehen.

An diesem Werktagvormittag aber lässt sich die Freiluftgalerie vorbei an mächtigen Eichen, windschiefen Buchen und sterbenskranken Eschen ungestört genießen. Vom Weg aus geben die Bäume immer wieder den Blick auf den See frei, der Wellenschlag am Ufer klingt fast wie Meeresrauschen, und darüber scheint Hilde Seyboths "Luftboot" zu schweben. Ein paar Meter weiter wird die Ansicht von den drei überdimensionalen "Wäscheklammern" eingerahmt, die Franz Hartmann mit der Kettensäge geschaffen hat. Und landeinwärts wirkt die "Mutter mit Zwillingen" aus dem Studio Gombarklass mit ihren 84 spiegelblanken Edelstahlflächen wie ein Ufo, das im Herbstlaub gelandet ist.

Ob Künstler oder Spaziergänger, Bürgermeister oder Bürger: Fast jeder Schondorfer bedauert, dass die Tage des Skulpturenwegs gezählt sind, manche empfinden sogar echte Trauer. Aber Empörung oder gar Protest kommt im Ort angesichts des nahenden Verlusts nicht auf - selbst wenn der Schondorfer Gemeinderat 2018 schon mal im Vorgriff auf die Zustimmung der Grundeigentümer eine weitere Verlängerung um drei Jahre beschlossen hatte.

Das Projekt sei schließlich von vornherein auf drei Jahre befristet gewesen und dann sogar um zwei Jahre verlängert worden, sagt Joachim Dürler. Er hat mit seinem Kunstlehrer-Kollegen Walter Maier und dem vormaligen Rathauschef Peter Wittmaack den Skulpturenweg initiiert und ist dankbar, dass sich von Perfall als großzügiger Gastgeber gezeigt habe. Der begründet seine Entscheidung gegen einen neuen Vertragsabschluss zum einen damit, dass der Skulpturenweg durch die starke Frequentierung von Radlern "in seinem Charakter eingeschränkt wird". Doch vor allem sei ja die Vergänglichkeit Teil des ursprünglichen Konzepts der Ausstellung: "An den Kunstwerken nagt ja auch der Zahn der Zeit", sagt von Perfall.

Vier sind inzwischen schon verschwunden: Katharina Ranftls "Wölfe" etwa haben nach ersten Auflösungserscheinungen ein neues Zuhause in einem Schondorfer Privathaushalt gefunden. Die "Glasobjekte" des 2016 gestorbenen Künstlers Harry Zengeler zieren nun das Glasmuseum Frauenau. Und Axel Wagners "Reflexion", ein in die Höhle eines toten Baumstamms versenkter Spiegel, ist bei einem Unwetter zerborsten, so Dürler. Übrigens sei kein einziges Exponat, wie anfangs befürchtet, durch Rowdys beschädigt worden: "Wenn etwas kaputtging, dann durch Sturm oder Witterung." Während für einige Skulpturen wie etwa Anne Frankes "Treibgut" eine begrenzte Lebenserwartung abzusehen ist, wirken andere wie für die Ewigkeit gebaut: die "Eisentür" von Thomas Lenhart etwa, die aus zehn konzentrischen, schwenkbaren Rahmen besteht. Auch Gerhard Gerstbergers "Durchblick" hat seit 2014 nur minimal Flugrost angesetzt. An der zehn Zentner schweren Stahlskulptur ist inzwischen auch die Urlauberfamilie angekommen: Der vielleicht fünfjährige Bub blickt durch den Spalt zwischen den zwei steil nach oben ragenden Dreiecken und verkündet lauthals, dass er "Kloster Standechs" wieder entdeckt hat. Anders als bei einem Museumsbesuch können am Skulpturenweg Kinder und Erwachsene Spaß finden, weil er reichlich Auslauf und den Charme einer Schnitzeljagd bietet. So lässt ein zeltähnliches Biwak aus Fichtenwipfel und -ästen im Wald rätseln, ob es sich dabei um Land Art oder Kinderwerk handelt.

Noch ist nicht klar, was mit den Kunstwerken geschehen wird, aber sie werden sicher nicht alle schlagartig abgebaut. Bürgermeister Alexander Herrmann will sich zur Beratung "demnächst mit den Initiatoren des Projekts zusammensetzen". Die auf Schondorfer Gemeindegrund in den Seeseeanlagen postierten Skulpturen könnten vorerst stehen bleiben; der Gemeinderat soll etwa über die Ankäufe vom "Großen Fadenschein" und Mathias Rodachs Bronze "Badende" entscheiden. Im Wald folgt die Grundstücksgrenze in etwa dem Weg: Theoretisch ließen sich die Werke, die nicht im Sinne der Land Art eingebettet sind, vom Perfallschen Grund auf die seezugewandte Seite verpflanzen. Doch auch dort ist die Gemeinde nicht Hausherrin: Die Flächen gehörten der Schlösser- und Seenverwaltung des Freistaats, sagt Herrmann. Die Initiatoren haben deshalb schon mal die Fühler ausgestreckt, um für einige Skulpturen neue Standorte zu finden. Die Gemeinde Wörthsee, die seit gut einem Jahr auch einen Skulpturenweg hat, wäre auf jeden Fall interessiert. Und auch von Perfall schließt den Erwerb eines Kunstwerks nicht aus: "Da denke ich noch drüber nach."

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SZ vom 04.10.2019
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