Mit dem "Sonnenaufgangsgefährt", wie Barbara Freier die Schondorfer Fahrradrikscha mit Elektromotorunterstützung liebevoll nennt, geht es auf Ausflugstour. Angesteuert von Schondorf aus wird die "Gasteiger Villa" in Holzhausen - ein beliebtes Ziel bei Seniorinnen und Senioren, weiß Freier, die sich von Beginn an für die E-Rikscha einsetzte. Selbst ist sie begeisterte Radlerin und gehört zu einem mittlerweile achtköpfigen Team von vier Männern und vier Frauen im Alter zwischen 55 und 75 Jahren, die alle ehrenamtlich die Fahrradrikscha steuern.
Gestartet war die Gruppe vor drei Jahren mit sechs Frauen. Unter der Woche fahren sie Menschen mit Bewegungseinschränkungen zum Einkaufen, zu Arztbesuchen oder wichtigen Terminen. Wenn beispielsweise Sockenwolle im Angebot ist, steht Freier auch schon mal mit der Rikscha um acht Uhr früh vor dem Laden. Ihr Team hat sich ganz auf die überwiegend älteren Nutzerinnen und Nutzer eingestellt. Beim Einkaufen wird die Rikscha zuweilen voll beladen, in dem kuschligen Sitzraum für zwei Personen hinter der Fahrerin passen zum Beispiel auch noch Rollator oder größere Grünpflanzen. Auf der Rückseite des auffälligen tropfenförmigen Gefährts ist zudem eine Einkaufstasche angebracht.
Daneben hätte wohl auch noch eine Spezialhalterung für Rollatoren Platz, aber dafür reichte das Spendenaufkommen bislang nicht, berichtet Freier. Im vergangenen Jahr musste ein Reifen ersetzt und ein großer Kundendienst gemacht werden, das erschöpfte die Mittel. Zumal die Fahrten kostenlos sind. Der Trägerverein "Gemeinsam" in Schondorf freut sich daher über Spenden.
Doch wie fährt es sich eigentlich mit diesem modern wirkenden, unkonventionellen Gefährt? Fahrer ist diesmal Wolfgang Leichtenstern, der erst vor ein paar Wochen neu zum Team hinzukam. Freier zeigt ihm, wie man die Trittstufe ausfährt, den Gast begrüßt und wo dieser sich festhalten kann. Ein abnehmbarer Seitenschutz schützt vor Regen, der Fahrtwind strömt bei schnelleren Geschwindigkeiten herein. Die Rikscha erreicht eine Spitzengeschwindigkeit von bis zu 25 Kilometer in der Stunde. "Meistens fahren wir langsam", berichtet Freier mit einem Schmunzeln, "nur eine Dame möchte viel Wind in den Haaren spüren".
Gut geschützt und gepolstert geht es gemütlich auf der Straße dahin - und dann taucht rasch jener Effekt auf, den Freier als "Sonnenaufgang" bezeichnet: Das besondere Gefährt zaubert manchen Passanten ein Lächeln ins Gesicht, Kinder blicken staunend hinterher und winken den Vorbeifahrenden zu. "Nur das Winken muss ich noch lernen", habe eine ältere Dame beglückt kommentiert, erzählt Freier, weil sie sich bei der Ausfahrt mit der Rikscha wie eine Königin fühlte.
Die Passagiere fühlen sich im Heck geborgen, und für den Fahrer ist es dank des Elektromotors körperlich auch nicht allzu anstrengend. Das Gefährt ist weiterhin in der steten Erprobung: Die Herstellerfirma Bayk aus Pielenhofen bei Regensburg will anhand der Schondorfer Rikscha testen, welche Bedürfnisse Senioren haben. Ein Jahr lang testete das Team zuvor, ehe sie den umweltfreundlichen Rikscha-Fahrdienst 2021 in Schondorf etablierten. Heraus kamen einige Verbesserungsvorschläge wie bequeme Sitzpolster und bessere Haltegriffe. "Die Firma hat uns das dann kostenfrei nachgerüstet", erzählt Freier.
Finanziert wurde die Anschaffung für einen fünfstelligen Betrag über Spenden, nachdem das eingereichte Konzept beim Schondorfer Bürgerbudget keinen Zuschlag erhalten hatte. Heute beraten die Schondorfer öfter mal Interessenten, vorwiegend aus der Altenhilfe. Sogar aus Berlin ist schon mal eine Gruppe angereist. Wer die Rikscha fahren möchte, muss allerdings geübt im Fahrradfahren sein. Im Rahmen einer dreitägigen Ausbildung ist auch der individuelle Umgang mit den Gästen ein Thema, erklärt Freier.
Diese Art des Fahrens hat auch den Vorteil, mit anderen ins Gespräch zu kommen. "Wir sind auch ein Kummerkasten", berichtet Freyer aus ihrem Alltag als Fahrerin. Dass ältere, oft auch einsame Menschen wieder am Dorfleben teilhaben können, sei ein wichtiger Aspekt. Als Fahrerin macht Freier gerne einen Ausflug mit Gästen in den Dießener Schacky-Park, vor allem wenn dort Konzerte am Monopteros angeboten werden. Freier fährt auch zu kleinen Geburtstagstreffen oder zu schönen Aussichtspunkten direkt am See, die für manche kaum mehr zu erreichen sind - ein großer Vorteil für Menschen, die schlecht laufen können. Mit einem Aktionsradius von rund 40 Kilometern kann von Schondorf aus auch das Kloster St. Ottilien, das "Hofcafé Villa Möstl" in Oberbeuern oder am See entlang nach Stegen gefahren werden.
Allerdings kommt das gut drei Meter lange Gefährt, das einen verblüffend kleinen Wendekreis und sogar einen Rückwärtsgang hat, nicht überall durch. Das liegt allein an der Breite der Rikscha von 1,10 Metern, was etwa eine Durchfahrt durchs Seeholz in Riederau aufgrund einer nur schmalen Brücke vereitelt. Zudem ist das Vergnügen auf die sommerlichen Monate beschränkt: Die Ausflugsfahrten werden samstags und sonntags von April bis Oktober angeboten, eine Anmeldung zwei Tage vorher ist erforderlich. Und dann gibt es noch die Sonderfahrten zu besonderen Anlässen: Ein Brautpaar etwa wurde schon zur Hochzeit gefahren, ein Junggesellinnenabschied war auch schon dabei. "Wir sind Wunscherfüller", strahlt Freier.
Weitere Informationen sowie die Möglichkeit zur Anmeldung finden sich im Internet unter der Adresse http://schondorfer-rikscha.de/.