Süddeutsche Zeitung

Schondorf:Reich beschenkt

Schondorfs Ehrenbürgerin Renate Rose hinterlässt der Ammersee-Gemeinde zwei Häuser und grob geschätzt 150 Ölgemälde und Grafiken ihres Mannes Heinz Rose. Der Großteil der Arbeiten soll im Juli in einer Ausstellung zum Kreiskulturfest zu sehen sein

Es ist eine unverhoffte Bescherung für die Gemeinde: Die Ehrenbürgerin Renate Rose hat Schondorf nicht nur ein Grundstück mit zwei Häusern vermacht - darunter das Studio Rose -, sondern auch viele Kunstwerke ihres 1971 gestorbenen Mannes Heinz Rose. Wie viele es genau sind, lässt sich nicht einmal genau sagen, weil Sichtung und Katalogisierung des Bestandes noch nicht abgeschlossen sind. Bürgermeister Alexander Herrmann schätzt den Fundus auf etwa 50 Ölgemälde und 100 Grafiken. Ein Großteil davon soll vom 8. Juli an im Rahmen des Kreiskulturfestes in einer umfassenden Werkausstellung gezeigt werden.

Herrmann hofft, dass dann weitere private Eigentümer und öffentliche Institutionen Kunstwerke von Rose zur Verfügung stellen: etwa die Darstellung des Schondorfer Wappentiers, die als Wandbild "Einhorn" in einer Augsburger Schule hängt. Das Schondorfer Rathaus wie das Landratsamt Landsberg sind bereits zu Lebzeiten Roses mit Arbeiten von ihm bedacht worden: "Er hat damit auch mal die Grundsteuer bezahlt", sagt Herrmann. Die Bilder hätten zwar auch materiellen, vor allem aber ideellen Wert: "Es wäre schade, wenn dieses Werk in alle Welt gehen würde", findet der Bürgermeister.

Auch wenn er den Kunstmarkt eher spärlich bediente, war Heinz Rose ein ziemlich produktiver Künstler. Sein Werk ließ von Anfang an ein untrügliches Gefühl für die Raumaufteilung auf der Leinwand erkennen. In seinem Œuvre ist eine deutliche Entwicklung abzulesen, die ihren Höhepunkt nach 1946 erreicht: Rose besticht vor allem durch einen geradezu plastischen Umgang mit Licht und Schatten. Der Meisterschüler von Max Slevogt war zunächst vom deutschen Spätimpressionismus geprägt. 1931 wurde er mit dem Albrecht-Dürer-Preis ausgezeichnet. Einen aus heutiger Sicht noch bedeutenderen Ritterschlag erfuhr Rose, als ein Bild 1935 als "Entartete Kunst"gebrandmarkt wurde - was ihn auf eine Ebene mit Klassikern der Moderne wie Emil Nolde und Paul Klee hob. Erzwungenermaßen zensierte sich Rose selbst und widmete sich zur NS-Zeit nur noch streng gegenständlichen (Auftrags-)Arbeiten, die oft Motive vom Ammersee wiedergaben. Der gebürtige Pirmasenser war Schondorf von Jugend an zutiefst verbunden: Nach dem Gymnasium im dortigen Landerziehungsheim machte er eine Lehre bei einer Schondorfer Gärtnerei. Im Landheim lernte Rose die Bühnen- und Kostümbildnerin Renate Schlachter kennen, die dort nach dem Krieg Zuflucht gefunden hatte und die er 1947 heiratete.

Fortan nahm sein künstlerisches Wirken einen Stil an, der an die Metaphysische Malerei von Giorgio de Chirico erinnert: Rose malte surrealistisch anmutende Traum-Szenerien, die Themen der klassischen Mythologie aufgriffen und gleichzeitig mystisch und monumental wirkten. Mit zunehmenden Alter wurden seine Bilder düsterer und albtraumhafter. "Apokalyptisch" und "parakosmisch" nennt Professor Cornelius Mayer-Tasch vom Schondorfer Kreis für Kultur- und Landschaftspflege das Spätwerk von Heinz Rose: Es sei "von selbst entfremdeter Melancholie gekennzeichnet."

Die Witwe des Malers, die nur ein Jahr nach ihrem Mann auch noch den gemeinsamen Sohn Matthias verlor, wurde 1977 Mitbegründerin des Schondorfer Kreises und prägte das kulturelle Leben ihrer Heimatgemeinde entscheidend mit. "Eine wundervolle, kluge Frau", nennt sie Mayer-Tasch. 1987 konnte sich Renate Rose ihren mehr als zehn Jahre gehegten Wunsch erfüllen und in der Bahnhofstraße neben ihrem Wohnhaus das Studio Rose eröffnen. Der vom Augsburger Archtitekten Christian Elingius entworfene Pavillon diente nicht nur dazu, das Werk ihres Mannes und dessen Bruders Walter Rose (1903 bis 1964) auszustellen - das Studio wurde auch zum Forum für viele Künstler aus der Umgebung. Auch aus diesem Grund wurde sie zum 90. Geburtstag zur Schondorfer Ehrenbürgerin ernannt. Bald fanden - meist unter Regie des Schondorfer Kreises - auch Lesungen, Diskussionsrunden und Konzerte im Studio statt, allerdings sei "die Akustik ziemlich grottig", wie Bürgermeister Herrmann findet.

Als Renate Rose am 15. Dezember 2014 im Alter von 100 Jahren starb, führte Kurator Michael Sorger die Veranstaltungsserie ehrenamtlich weiter. An diesem Sonntag etwa wird um 18 Uhr der Film "The Music of Strangers" gezeigt, der die Geschichte des Cellisten Yo-Yo Ma und seines Silk Road Ensembles wiedergibt. Am 10. März folgt die Ausstellung "Lichtraum" mit Fotokunst von Jürgen Oliver Blank, Harry Sternberg und Reinhard Giebelhausen. In der Karwoche bespielt schon traditionell der Schondorfer Installationskünstler Andreas Kloker das Studio. Und von 8. Juli bis 6. August steht die Werkausstellung von Heinz Rose an. Im Internet kann davon ein Teil vorab unter www.studio-rose-schondorf.de studiert werden.

Nach Renate Roses Tod tauchte unerwartet ein Testament auf, das sie wohl kurz zuvor im Dießener Augustinum verfasst hatte und das als Haupterbe die Gemeinde benennt. "Wir waren schon überrascht, dass es so gelaufen ist," sagt Herrmann. Denn eigentlich schien seit langem klar zu sein, dass die Witwe mit dem Nachlass eigentlich eine Stiftung gründen wollte, was auch notarielle Urkunden belegen. Herrmann schließt nicht aus, dass letztlich doch noch eine Stiftung das Künstlerebe verwalten wird. Auf jeden Fall sei man sich im Kulturausschuss des Gemeinderats einig gewesen, "mit dem Erbe nicht den Gemeindehaushalt zu sanieren", sagt der Bürgermeister. Das würde auch gar nicht zu Schondorf passen, wo schon Herrmanns Amtsvorgänger im Rathaus eine umfangreiche Gemäldesammlung begründet und ausgebaut haben.

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Quelle:
SZ vom 25.02.2017 / arm
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