Schondorf:Klimaschutz mit Hindernissen

Das erste ökologische Projekt Schondorfs in Kolumbien zeigt Wirkung - auch wenn es Probleme gibt

Von Armin Greune, Schondorf

Das erste Klimaschutzprojekt der Gemeinde mit den Partnern im kolumbianischen Puerto Leguízamo scheint kurz vor dem Start zu stehen. Doch im Grenzgebiet des amazonischen Regenwalds ist nichts wirklich sicher: Dort treffen Armee und FARC-Rebellen, Schmuggler und Drogenbarone aufeinander. Die Region ist als Koka-Anbaugebiet geradezu legendär, beim Schürfen nach Gold wird die Umwelt mit Tonnen hochgiftigen Quecksilbers verseucht. Gerade ist der Bürgermeister von Leguízamo verhaftet worden, weil er im Verdacht steht, illegalen Goldabbau zugelassen und dafür Schmiergelder kassiert zu haben (siehe Kasten). Und der Initiator des Klimaschutzprojekts erhebt gegen seine vormaligen Schondorfer Partner schwere Vorwürfe.

Trotzdem gibt es auch gute Nachrichten. Nach den großen Ferien könnte das erste Partnerprojekt loslegen: Den Stapellauf hat das neue Schulboot bereits hinter sich, auch die "Tankstelle" ist in Betrieb gegangen. Die ist für das große Amazonien eine kleine Sensation, denn es wird kein Sprit abgefüllt, sondern Strom aus Sonnen- und Wasserkraft geladen. Selbst wenn so nur die Mobilität von 25 Familien umgestellt wird, darf es als politisches Signal verstanden werden, wenn im südamerikanischen Regenwald, dem größten CO₂-Speicher des Planeten, klimafreundliche Verkehrsmittel eingesetzt werden.

Zu verdanken ist diese ökologische Pionierleistung Klaus Hecht, der die Klimapartnerschaft zwischen Leguízamo und Schondorf initiiert hat. Das Vorhaben im Rahmen des 50 deutsche Kommunen umfassenden Projekts "Nachhaltige Kommunalentwicklung durch Partnerschaftsprojekte " konnte auf die Erfahrungen der Corporación Solano zurückgreifen, die Hecht berät. Dieser gemeinnützige Verein in der Nachbargemeinde von Leguízamo hat bereits Fotovoltaik zum Bootsantrieb eingesetzt, doch der in Solano erzeugte Strom reicht für ganzjährigen Bootsbetrieb nicht aus. Deshalb sollen nun in Leguízamo Solar- und Wasserkraft kombiniert werden: Im "Sommer", also der Trockenzeit, wird die Sonne angezapft. In der Regenzeit wiederum sollte der Fluss genug Wasser führen, um die Turbine anzutreiben.

Außer der Gemeinde Schondorf sind auch im Fünfseenland ansässige Start Up-Betriebe involviert. Der Elektro-Außenborder für das Boot stammt von der Gautinger Firma "Torqueedo". Das Minikraftwerk hat die Garatshausener Smart Hydro Power (SHP) entwickelt: Für gerade einmal 27 000 Euro liefert sie eine Hybridanlage mit Fotovoltaik und 5 kW-Flussturbine, komplett mit 24 Batterien, Einspeisegeräten und Schulungen im tropischen Regenwald.

Bei der Installation und Einweisung war jetzt neben drei SHP-Technikern auch Stefanie Windhausen mit von der Partie. Zwölf Tage war die Klimapartnerschaft-Koordinatorin des Gemeinderats jüngst unterwegs, fünf Tage davon nahmen allein die An- und Abreise in Anspruch. Denn von der Hauptstadt Bogotá ist es noch ein langer Luftweg bis Leguízamo. Der Flugplatz des Städtchens am Grenzfluss Putumayo kann nur im Sichtflug angesteuert werden - was im sintflutartigen Regen des Urwalds auch Flugausfälle zu Folge haben kann. "Besser ist es, einen Tag mehr einzuplanen", sagt Windhausen.

Je näher man dem Ziel kommt, umso langsamer geht es voran: Das galt auch für die Anlage. Sie wartete bereits seit Monaten in Leguízamo, nun musste sie mit zwei Lastern auf der einzigen "Straße" ins 25 Kilometer entfernte Puerto La Tagua am Río Caquetá gefahren werden. Dort wurde sie mit einem Boot noch 15 Kilometer flussaufwärts bis ins Dorf Jiri Jiri gebracht, das haargenau auf dem Äquator liegt. "Dort wohnen 236 Ureinwohner des Stammes der Murui", berichtet Windhausen: "Es gibt keinen Strom, keine Wasserversorgung, noch nicht einmal Handyempfang."

Als die Delegation aus dem Fünfseenland dort ankam, hatte die Kommunalverwaltung bereits das Betonfundament für den Anleger hergestellt, an dem das Elektroboot künftig ankern soll. Das an einem hochwassergefährdeten Ort errichtete Maschinenhäuschen musste allerdings an anderer Stelle neu gebaut werden. Das dauerte drei Tage, gleichzeitig wurden neben der Stelzenhütte mit den Batterien die Solarpaneele aufgestellt. Ein kleines Drehteam von "Discovery Channel" begleitete die Endmontage: Das Projekt in Jiri Jiri sei eines von vier, die in einem Film über regenerativen Energien in entlegenen Regionen gezeigt werden, sagt Windhausen.

Schließlich musste die 330 Kilogramm schwere Turbine auf den Schultern von einem Dutzend Männern zum Fluss getragen werden. Um sie dann im Wasser zu versenken, wurde ein von SHP gebauter, simpler Kran auf zwei baugleichen Außenbord-Motorbooten montiert. Auch hier war Geduld gefordert: "Wir mussten einen Tag warten, weil das zweite Boot des "Katamarans" erst nicht zur Verfügung stand", erzählt Windeshausen. Die Techniker rechneten damit, dass die Turbine einmal monatlich aus dem Río Caquetá gehievt werden müsse, um sie von Treibgut zu reinigen.

In drei Schulungen wurden die Dorfbewohner zur Wartung der Anlage angelernt, zwei Techniker in die Elektrik eingewiesen und die Bootsfahrer im Umgang mit dem Elektromotor angeleitet. All diese Aufgaben sollten eigentlich von der Corporación Solano übernommen worden. Inzwischen haben sich jedoch die Schondorfer mit ihr überworfen. Während Windhausen vage von "inhaltlichen Differenzen" spricht, hält sich Hecht nicht zurück: "Das gesamte Team von Solano fühlt sich hintergangen, ausgenutzt und über den Tisch gezogen und betrachtet das Vorgehen von Schondorf als Plagiat", sagt er auf Nachfrage. Man erwäge, rechtliche Schritte wegen des finanziellen Schadens einzuleiten. Hecht weist darauf hin, dass die Corporación auch maßgeblich an der Kakaolieferung und Verarbeitung der Schondorfer Schokolade beteiligt gewesen sei.

Trotz allem Ärger hofft Windhausen, dass mit Unterrichtsbeginn am 15. Januar Kinder aus den umliegenden Streusiedlungen mit dem E-Boot nach Jiri Jiri gefahren werden. Dessen Reichweite wird sich erst in der Praxis erweisen: "Wir wissen noch nicht, wie viel Strom die Anlage tatsächlich bringt". Die Dorfbewohner hofften natürlich auf einen Überschuss bei der Stromerzeugung, sagt Windhausen: Der soll eventuell für eine Yucca-Mühle oder einen Fruchtsaft-Mixer verwendet werden.

Das Projekt zur Elektromobilität hat insgesamt 59 000 Euro gekostet, neben der 27 000 Euro teuren Anlage schlugen vor allem Zoll und Fracht mit 16 000 Euro zu Buche. Als nächstes sollen im Rahmen der Klimapartnerschaft fünf Brunnen in Amazonien entstehen. Noch wird dort das Trinkwasser aus den Flüssen geholt. "Die Brühe, die sie in Jiri Jiri trinken, ist grauenvoll", sagt Windhausen.

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