Ausstellung in Schondorf:Das Leben ein Wagnis

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Ludwig Spöttl vor den von ihm fotografierten Gegenständen, mit denen Menschen einen besonderen Lebensabschnitt verbinden. (Foto: Georgine Treybal)

Ludwig Spöttl hat junge Menschen, für die ein Lebensabschnitt endet, mit der Kamera begleitet. Der Fotodesign-Student will mit seinen Bildstrecken Gefühle transportieren und für Verständnis werben.

Von Carolin Fries, Schondorf

Jeder kennt diesen Moment, wenn ein Lebensabschnitt endet und etwas Neues beginnt. Wenn etwa die Schule endet, eine Beziehung in die Brüche geht, man aus dem Elternhaus auszieht, eine eigene Familie gründet. Es ist ein Aufbruch, oft mit großer Freude und Mut verbunden. Doch auch mit Unsicherheiten, Zweifeln und dem Wunsch, alles richtigzumachen. „Wird es gut?“, lautet die zaghafte Frage, die sich im Schatten des dominierenden Gefühls „einfach nur weg“ mit auf den Weg macht. „einfach nur weg“ heißt denn auch die Ausstellung von Ludwig Spöttl, der mit seinen Fotoarbeiten im Schondorfer „studioRose“ diesen Mix der Emotionen transportieren will.

Mit 24 Jahren hat Spöttl, der in Schondorf aufgewachsen ist, auch schon den ein oder anderen Lebensabschnitt hinter sich gelassen. Beim Bayerischen Rundfunk (BR) hat er nach dem Abitur eine Ausbildung zum Mediengestalter Bild und Ton gemacht, vor zwei Jahren begann er ein Fotodesign-Studium an der Hochschule München. Das finanziert er sich als freier Mitarbeiter beim BR, regelmäßig wird er als Kameramann oder für den Schnitt gebucht. Er mag es, sowohl in bewegten Bildern als auch mit Fotos Geschichten zu erzählen. „Ich will den Dialog eröffnen, indem ich Menschen von anderen Menschen erzähle“, sagt Spöttl. Der Austausch untereinander sei wichtig, nur so könne sich Verständnis entwickeln.

Seit 19. August ist der junge Mann Stipendiat des „Walter Rose Atelierstipendiums für Studierende“. Bis Ende September konnte er ein Gebäude auf dem Atelier-Gelände in der Bahnhofstraße für seine künstlerische Arbeit nutzen und erhielt eine finanzielle Unterstützung. Nun darf er seine Projektarbeit im Studio präsentieren: Es ist seine erste Ausstellung. Vier Bildstrecken sind zu sehen, die in jeweils zwölf oder 13 Fotografien einen Wendepunkt im Leben eines jungen Menschen zeigen. Da ist zum Beispiel Stefan, 19, der im Mai seine Abiturprüfungen hatte. Spöttl begleitete ihn durch die langen Gänge des Schulhauses bis zum Einzeltisch in der Turnhalle. Er zeigt ihn nervös, angestrengt und erleichtert – und verknüpft diese Emotionen gekonnt mit Aufnahmen der Umgebung: der ausgepackte Schokoriegel auf dem Tisch oder die gepflasterten Wege, die im Außenbereich hinausführen aus dem Schulleben.

Dann ist da noch Alin, 25, die vor Kurzem eine langjährige Beziehung beendet hat und sich fragt, was sie eigentlich für sich selbst will und was Liebe ist. Ludwig Spöttl zeigt sie morgens im Bad und später mit Freunden. Oder Jakob, der 23 Jahre alte Musiker, der ein halbes Jahr lang auf Tour war und nun in eine Wohngemeinschaft zieht. Man sieht ihm direkt an, wie sehr er sich freut, wieder ein eigenes Bett zu haben – ganz anders als Hannah. Die 24-Jährige reist seit ihrem Studienabschluss mit ihrem Campervan durch die Welt, die Reise kann sie sich durch Homeoffice von unterwegs aus finanzieren. Sie hat ihr eigenes Bett und ihr kleines Zuhause immer dabei, das mache es „auch einfacher, immer so viele neue Orte zu sehen“, wie sie Spöttl erzählte, der sie eine Zeit lang begleiten durfte.

Stefan hat Ludwig Spöttl bei der Abiturprüfung begleitet. (Foto: Georgine Treybal)
Alin hatte vor Kurzem eine langjährige Beziehung beendet, als Ludwig Spöttl sie fotografierte. (Foto: Georgine Treybal)
Jakob freut sich, nach einer sechsmonatigen Tour endlich in eine Wohnung zu ziehen. (Foto: Georgine Treybal)
Der Kleinbus, mit dem Hannah durch die Welt reist. (Foto: Georgine Treybal)

Der Fotograf kommt seinen Protagonisten sehr nah, und doch bewahrt er die nötige Distanz, indem er die jungen Menschen und ihre Entscheidungen und Gefühle nicht bewertet. Er lässt sie in seinen Bildern einfach leben – und in ein paar Zeilen von sich erzählen. Das reicht. „Ich möchte den Betrachtenden zum Reflektieren seines eigenen Lebenswegs bringen“, so Spöttl. Kuratorin Silvia Dobler gefällt der Ansatz, schließlich kenne jeder diese Momente aus seinem eigenen Leben. Sie hatte die Idee, die Bilderstrecken an Leinen geknipst oder auf Paletten ausgelegt zu präsentieren, „wie in einem Fotolabor“, das im übertragenen Sinn für das Labor Leben steht: Wer weiß schon, was aus all den Experimenten wird, die darin stattfinden?

In einem zweiten Ansatz hat Spöttl Menschen gebeten, ihm einen Gegenstand zum Fotografieren zu geben, die sie mit starken Gefühlen für eine bestimmte Zeit in ihrem Leben verbinden. 20 Gegenstände hat er ablichten dürfen, darunter Kuscheltiere, Skulpturen, Schmuck, ein Fußballtrikot, einen Geldbeutel. Spöttl hat sie in einem großen Bild wie ein Raster nebeneinandergelegt – und sie erzählen erst einmal nichts. Ihre Geschichte erfährt der Betrachter erst in den kurzen Beschreibungen ihrer Besitzer – kleine Texte voller Gefühle und Intimität. Erst dadurch bekommen sie ihre Bedeutung. Was er selbst zum Fotografieren gegeben hätte? „Eine analoge Filmrolle“, sagt er. Damit habe einst alles angefangen.

Neben Ludwig Spöttls Fotografien sind vom 4. bis zum 25. Oktober auch Arbeiten von Franziska Adams und Christoph Franke im „studioRose“ (Schondorf, Bahnhofstraße 35) zu sehen. Vernissage ist am Freitag, 4. Oktober, um 19 Uhr. Die Öffnungszeiten sind Mittwoch und Donnerstag von 16 bis 18 Uhr und Freitag bis Sonntag von 15 bis 18 Uhr; es gibt ein umfassendes Begleitprogramm.

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