Wohnen:56 Quadratmeter voller Ärger

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Wer hat hier eine der vergünstigten Wohnungen bekommen - und warum? Das Prixgelände ist in Schondorf momentan Zentrum einer giftigen Debatte. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Die Gemeinde Schondorf am Ammersee bietet vergünstige Immobilien im Einheimischenmodell an. Es melden sich mehr als doppelt so viele Leute wie es Wohnungen gibt - und trotzdem bekommen ausgerechnet die beiden Kinder des Bürgermeisters den Zuschlag. Zufall? Die Stimmung im Ort ist seit dem Vorfall jedenfalls vergiftet.

Von Armin Greune, Schondorf

Wenn es um Wohnraum für Einheimische zu vergünstigten Preisen geht, ist über die Vergabe schon in einigen Kommunen Streit ausgebrochen. Für das Fünfseenland gilt dies offenbar in besonderem Maß, was angesichts der exorbitanten Mieten und Grundstückspreise auch kaum verwundert - erinnert sei nur an die unglückliche Entwicklung des Starnberger Einheimischenmodells "Am Wiesengrund". Am Ammersee jedoch schlagen jetzt die Wellen der Erregung besonders hoch: Von den 23 Wohneinheiten im ehemaligen Prixgelände, die von der Gemeinde Schondorf weit unter Marktwert vergeben wurden, gingen zwei an Kinder des amtierenden Bürgermeisters Alexander Herrmann (Grüne). An die Öffentlichkeit gelangte dies, weil eine dieser beiden Wohnungen kürzlich zur Vermietung im Internet angeboten wurde. Dabei waren die preisermäßigten Immobilien zur Eigennutzung der "ortsverbundenen Bevölkerung mit besonderem Bedarf" gedacht, wie es in der Vereinbarung mit dem Investor hieß.

Die Gemeinde Schondorf hatte das 1,8 Hektar große, vormalige Industriegelände in zentraler Ortslage 2013 für 4,2 Millionen Euro erworben. Zunächst mit dem Zweck, darauf die Erweiterung der benachbarten Realschule zu realisieren, der größte Teil sollte als Baugrund der Refinanzierung des Grundstückskaufs dienen. Von Beginn an hatte der Gemeinderat aber auch im Blick, dort Wohnungen zu sozial verträglichen Preisen für Einheimische zu schaffen. Den Ansatz, dazu selbst die Bauherrschaft zu übernehmen und die Immobilien zu vermieten, ließ man 2017 aus finanziellen Gründen fallen - stattdessen wurde das Areal an den Investor "Wüstenrot" veräußert. Verbunden damit war die Auflage, dass ein Drittel des neu geschaffenen Wohnraums der Gemeinde zur Verfügung gestellt wird, die ihn zu ermäßigten Preisen an Bürger mit mittlerem Einkommen weitergeben wollte.

Im Einheimischenmodell kosten die Wohnungen nur etwa ein Drittel des Markpreises

So erhielt Schondorf auf dem Areal zwischen Schul- und Ringstraße sechs Reihenmittelhäuser und 18 Wohnungen im sogenannten "Aal", der direkt an den Bahngeleisen gelegen ist. Eine 82 Quadratmeter große Wohnung dort kostete rund 275 000 Euro, während der Investor dafür 670 000 Euro verlangte. Der Gemeinderat legte für die Bewerber Einkommens- und Vermögensobergrenzen fest sowie das Gebot, die vergünstigte Immobilie 15 Jahre selbst zu nutzen. Die Vergabe wurde mit einem Punktesystem geregelt, entscheidende Kriterien waren Wohndauer oder Arbeitsplatz im Ort, pflegebedürftige Angehörige im Haushalt und niedriges Einkommen.

Für eine 82-Quadratmeter-Wohnung im sogenannten "Aal" wollte die Gemeinde 275 000 Euro - der Investor verlangte dafür fast das Dreifache. (Foto: Franz Xaver Fuchs)
Auch die beiden Kinder von Bürgermeister Alexander Herrmann bekamen den Zuschlag für jeweils eine der günstigen Wohnungen. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Die 26 und 24 Jahre alten Kinder des Bürgermeisters, die nicht mehr in seinem Haushalt leben, erfüllen alle diese Voraussetzungen. Auch die Eltern hätten keinen Reichtum angehäuft und "keinerlei Immobilienbesitz", sagt Herrmann. Noch bevor die ersten Bewerbungen im Rathaus eingingen, habe er die Vergabe an seinen Stellvertreter delegiert, deshalb könne er dazu keine nähere Auskunft geben: "Als es klar war, dass sich meine Kinder bewerben, habe ich das ganze Vergabeverfahren in die Hände von Herrn Wagner gegeben."

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Ausgerechnet zwei Kinder des Bürgermeisters Alexander Herrmann haben begehrte Wohnungen zu sozial verträglichen Preisen erhalten - die Gerüchteküche in Schondorf brodelt. Statt aber alle Details zu der Vergabe offenzulegen, hüllen sich die Verantwortlichen in Schweigen - und richten so noch schlimmeren Schaden an.

Kommentar von Armin Greune

Vizebürgermeister Martin Wagner (CSU) wurde dabei von zwei Verwaltungsmitarbeitern und Klaus Hoffmann, dem Rechtsbeistand der Gemeinde, unterstützt. Bei der Bewertung der Bewerber habe man sich "strikt am Punktekatalog entlang gehangelt, die Auswertung im Detail hat die Verwaltung vorgenommen", sagt Wagner auf Nachfrage. Da den Anträgen auch persönliche Unterlagen zum Nachweis der Berechtigung beigefügt waren, seien die Namen der Bewerber meist bekannt gewesen. Wie viele Leute sich für eine der vergünstigten Immobilien interessiert haben, dazu ist bei der Gemeinde trotz wiederholter Nachfrage keine Auskunft zu erhalten. Der Vizebürgermeister schätzt, dass die Nachfrage das Angebot um mehr als das Doppelte übertroffen habe.

"Wenn ich mich in die Vatersituation hineindenke, hätte ich wohl versucht, sie davon abzuhalten."

Rechtlich gebe es gegen die Bewerbungen der 26 Jahre und 24 Jahre alten Kinder des Bürgermeisters nichts einzuwenden, betont Wagner. Ob er sie auch für moralisch verantwortbar halte, sei eine andere Frage: "Ich habe keine Kinder. Aber wenn ich mich in die Vatersituation hineindenke, hätte ich wohl versucht, sie davon abzuhalten." Für ihn sei es auch nicht akzeptabel, dass man nach dem Kauf "allen Anschein nach kein Interesse hat, dort einzuziehen".

In den Kaufverträgen ist für diesen Fall ein Passus vorgesehen, der Weiterverkauf oder Weitervermietung ausnahmsweise gestattet - aber nur an den Kreis der Berechtigten und mit Genehmigung des Gemeinderats. In diesem Fall behält sich die Gemeinde ein Vorkaufsrecht vor und die Bindungsfrist verlängert sich von 15 auf 20 Jahre. Vom Immobilieninserat im Internet wurden die Gemeinderäte überrascht, es pries eine "Stilvolle 2-Zimmer-Wohnung mit Balkon" von 56 Quadratmetern an. Wagner hat die inzwischen nicht mehr abrufbare Webseite mit dem Inserat gelesen: Er bestätigt, dass darin auf alle Einschränkungen hinsichtlich des Bewerberkreises und die nötige Zustimmung des Rats hingewiesen wurde. Ob sich der potenzielle Vermieter damit bereichern wollte, erscheint allerdings fraglich: Der Mietpreis sollte zehn Euro pro Quadratmeter betragen - genau den Betrag, den der Gemeinderat als sozialverträglich angestrebt hatte.

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