Süddeutsche Zeitung

Kulinarisches:Die Schnapsidee

Die edlen Obstbrände der Brüder Georg und Rupert Veith aus Seeshaupt gelten bislang noch als eine Art Geheimtipp. Sie werden in der gehobenen Gastronomie ebenso ausgeschenkt wie in einem Berliner Sternerestaurant.

Von Sabine Bader

Angefangen hat alles im Jahr 2010. Der Tierarzt Georg Veith bekommt einen Brenn-Kurs in Kärnten geschenkt. Und er fängt regelrecht Feuer: Wieder daheim experimentiert er mit dem Erlernten privat ein wenig herum. Doch unter die Schwarzbrenner will er natürlich auch nicht gehen. Kann er auch schlecht, schon weil es im kleinen Seeshaupter Ortsteil Jenhausen geruchsmäßig kaum verborgen bliebe, wenn sich der "der Herr Doktor mal wieder ans Experimentieren macht". Und so beantragen er und sein zwei Jahre jüngerer Bruder Rupert 2014 offiziell die Brennrechte - allein schon deshalb, weil sie ihr Unterfangen auf etwas größere Füße stellen wollen. Im Februar 2015 erteilt der Zoll den Brüdern schließlich das Recht, in ihrer "Edeldestillerie Gebrüder Veith", wie sie ihr Unternehmen nennen, zu brennen. "Eine hochoffizielle Angelegenheit" sei das gewesen, erinnert sich Georg Veith.

Der 54-jährige Tierarzt betreibt in Königsdorf eine Pferdeklinik, seine Frau züchtet Islandpferde. In der Destillerie ist er für das Handwerkliche zuständig - sprich: für das Brennen selbst. Das geschieht auf dem Familienanwesen in Jenhausen. Die Veiths haben dort vor mehr als 20 Jahren ein denkmalgeschütztes Bauernhaus gekauft und eine kleine Brennkammer angebaut, in der ein Brennkessel und diverse andere Gerätschaften Platz gefunden haben.

Sein zwei Jahre jüngerer Bruder Rupert ist für die kaufmännischen Belange der Destillerie verantwortlich. Er selbst wohnt mit seiner Frau und den drei Kindern in Pfarrkirchen, wo die Geschwister auch herkommen. Er ist Physiker und stellt mit seinen 140 Mitarbeitern in dem Betrieb, für den er am Standort im Münchner Stadtteil Moosach verantwortlich ist, medizinische Laser für Augenoperationen her.

Oberste Priorität hat für die Brüder die Obst-Qualität. "Wir können es uns leisten, darauf zu achten", sagt Georg Veith. "Sollte das Obst in einem bestimmten Jahr nicht der Qualität entsprechen, die wir erwarten, dann brennen wir eben keinen Schnaps dieser Sorte. Da sind wir pingelig." Doch wie wird jetzt aus der Frucht tatsächlich Schnaps? Nun, die reifen Früchte werden im Obst-Häcksler zu Mus verarbeitet. Dann wird Biohefe zugegeben, die die natürlichen wilden Hefen unterdrückt. Nach ein bis zwei Tagen setzt die Gärung ein. Vier bis acht Wochen lang dauert der ganze Vorgang, bei dem es auch vor allem auf die richtige Temperatur ankommt. Was das angeht, hatten die Veiths Glück: Sie haben bei einem Jenhauser Nachbarn eine Garage anmieten können, in der die Temperaturen optimal sind. Als Erstes werden im Jahreslauf die Himbeeren gemaischt, als Letztes sind die späten Äpfel an der Reihe. Laut Rupert Veith stellen sie in ihrer kleinen Destillerie nur "echte Brände her und keine Geister". Reine Zwetschgen-, Birnen-, Kriecherl-, Quitten- und Himbeerbrände erhalten ein weißes Siegel auf dem Korken und sind klar. Ein rotes Siegel tragen die beiden Mischbrände Obstler, bestehend aus Apfel und Birne, sowie Quitte/Himbeere. Und mit einem schwarzen Siegel werden Brände versehen, wenn sie nach dem Brennen noch einige Monate im Holzfass gelagert werden und dadurch eine bestimmte Geschmacksnote und ein bräunliches Äußeres erhalten. Und dann gibt es noch den "Roten Eiser": Eine bestimmte Apfelsorte, die ebenfalls ein schwarzes Siegel trägt und in einem Fass aus französischer Limousin-Eiche gelagert wird.

Im Maischefass verstoffwechselt sich dann der Fruchtzucker zu Alkohol, und der extrahiert aus der Frucht schließlich das Aroma. Beim Brennen beginnt der Alkohol über die zugeführte Temperatur zu verdampfen. Man teilt den Brennvorgang in drei Fraktionen ein. Den Vorlauf: Er taugt nicht als Getränk, denn hier werden die unerwünschten Stoffe freigesetzt. Den Edelteil: Er macht den bekömmlichen Schnaps aus. Und den Nachlauf: "Da ist dann das Kopfweh drin", nennt es Georg Veith.

Für ihn ist das Brennen schlicht ein "Handwerk" - auch wenn es Leute gibt, die von Kunst sprechen. "Es ist kein Geheimnis und keine Zauberei, sondern die Liebe zum Produkt", sagt er. Das A und O dabei sei, "absolut sauber zu arbeiten". Der Brennvorgang selbst dauert ungefähr nur eine Stunde. Der Kessel fasst bis zu 120 Liter. Heraus kommen sechs bis sieben Liter hochprozentiger Alkohol, 60 bis 70 Prozent. Dieser wird dann mit "gutem oberbayerischem Wasser" (Georg Veith) auf Trinkstärke, 44 bis 45 Prozent, verdünnt.

Apropos Alkohol: Der gehört immer dem Staat, man glaubt es kaum. Und das heißt, dass der Alkohol, den die Brüder aus ihren eigenen Früchten gewinnen, gar nicht ihnen, sondern automatisch dem Staat gehört, den sie dann wieder zurückkaufen müssen. Dem Zoll obliegt die Überwachung dieses Monopols. Und die Brandweinsteuer wird akribisch berechnet über ein Zählwerk an der Brennanlage. Auch ihre Brenntage müssen die Veiths hochoffiziell beim Zoll anmelden. Allerdings wird bei ihnen durchschnittlich nur an zehn bis 15 Tagen im Jahr gebrannt.

Die Veiths betreiben auch so genanntes Lohnbrennen. Denn einige Leute, meist aus der Umgebung, finden es einfach großartig, Äpfel, Zwetschgen oder Birnen aus dem eigenen Garten zu den Veiths zu bringen und sich daraus ihren ganz persönlichen Familienschnaps brennen zu lassen.

Doch wie viele Liter Schnaps produziert die Edeldestillerie im Jahr denn nun? Eigentlich, sagt Rupert Veith, ist die genaue Menge ein Betriebsgeheimnis. Aber dann sagt er es doch: Es sind so an die 1000 große und 1000 kleine Flaschen. Wer nun weiß, dass die großen Flaschen 500 Milliliter (25 bis 45 Euro) fassen und die kleinen Gefäße 100 Milliliter (8 bis 15 Euro), der kann es sich selbst ausrechnen. Das Unternehmen verkauft seine Brände in den unterschiedlichsten Läden: Viele Geschäfte und die Edelgastronomie in der Umgebung oder im Passauer Bäderdreieck zählen ebenso zur Kundschaft wie eine Sterneköchin aus Berlin. Das meiste aber läuft über Mundpropaganda - da sind sich die Brüder einig.

Ein Umstand ist den beiden Familienvätern ebenfalls wichtig zu betonen: "Säufer sind wir beide nicht." Klar müsse man probieren, um die Qualität beurteilen zu können. Aber viel läuft über das Riechen und darüber, die Fingerspitze ein wenig in den Schnaps zu tauchen. Maß halten ist also auch für Schnapsbrenner das Gebot der Stunde.

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