Süddeutsche Zeitung

Schlachtschüsselessen:Die Sauerei des Jahres

Beim Treffen von Politikern und Journalisten in Andechs gibt es wieder Blut- und Leberwürste, Theater und Frotzeleien. Die Frage des Abends lautet: Was schenkt man dem scheidenden Landrat?

Von Peter Haacke, Andechs

Was soll man nur einem altgedienten CSU-Landrat zum Ende seiner Dienstzeit schenken, der eigentlich schon alles hat? Einen Eimer mit roter Farbe vielleicht? Eine Parteimitgliedschaft bei der SPD? Oder ein letztes Interview, bei dem der Befragte nicht nur die Antworten liefert, sondern sich praktischerweise auch gleich selbst die Fragen stellt? "Das Abschiedsgeschenk" - eine Idee von SZ-Redakteur Erich C. Setzwein und Seefelds Bürgermeister Wolfram Gum - war der Höhepunkt des traditionellen Schlachtschüsselessens im Andechser Klostergasthof, das am Donnerstag zum 48. Mal stattfand. Der launige Abend stand ganz im Zeichen von Landrat Karl Roths Abschied. Nach zwölf Dienstjahren steht er im März 2020 nicht mehr zur Wahl.

"Das war heute meine letzte Rede beim Schlachtschüsselessen", sagte Roth, der für seine Abschiedsworte tosenden Applaus erntete. Er appellierte an seine Nachfolgerin oder seinen Nachfolger, die Tradition fortzusetzen und brachte dazu wie im Kreistag formgerecht einen Antrag ein. Zuvor hatte der scheidende Amtsinhaber bei der "größten Sauerei des Jahres" - eine Anspielung auf Wammerl, Blut- und Leberwürste - seine Gäste aus Politik, Wirtschaft, Finanzwelt und öffentlichen Einrichtungen des Landkreises begrüßt, darunter amtierende und ehemalige Bürgermeister, Kreisräte, die Landtagsabgeordnete Ute Eiling-Hütig, Bayerns einstigen Wirtschaftsminister Martin Zeil, Altlandrat Heinrich Frey, die beiden Starnberger Stadtpfarrer Andreas Jall und Stefan Koch sowie Polizeichef Bernd Matuschek. Sonderapplaus gab es für Ingrid Frömming, die "Grande Dame der CSU", die just an diesem Tag ihren 88. Geburtstag feierte.

Freilich fehlte auch diesmal nicht Roths satirisch angehauchte Rundschau in die 14 Gemeinden des Landkreises. Zwar war der Beitrag nicht ganz so scharf gewürzt wie in den Vorjahren. Aber dennoch gab es wieder viele Lacher. Roth bedachte die jeweiligen Rathaus-Chefs neben freundlichen Frechheiten auch mit einem Bierkrug und kleinen Geschenken: So gab es etwa beim fröhlichen Derblecken für Wörthsees Bürgermeisterin Christel Muggenthal in Anspielung auf den angeregten Feuerwerksverzicht eine Silvester-Postkarte komplett in Schwarz, für Tutzings Amtsinhaberin Marlene Greinwald ein Ortsschild mit dem Zusatz "Erholungsort".

Die Starnbergerin Eva John erhielt einen Satz Malkreide, mit dem sie in Analogie zu "ihrer Rechtsanwendung" auch sämtliche Straßen der Kreisstadt zum "weißen Fleck in Bayern" verwandeln könnte. Und für Bernhard Sontheim aus Feldafing gab es ein Fass "Wielinger Bier", das alle Bürgermeister genießen dürfen, sofern sie auch ihren Bierkrug mitbringen.

Auch die heimische Presse bekam ihr Fett ab: Statt des Begriffes "Region StarnbergAmmersee" setzen die Journalisten weiterhin unverdrossen auf das "Fünfseenland". Das im Vorjahr ausgelobte Fass Bier für jene Redaktion, die 2019 am häufigsten das Marketing-Kunstwort "StarnbergAmmersee" verwendet hatte, wurde von Roth jedenfalls nicht vergeben.

Zum Abschluss folgte "Das Abschiedsgeschenk" - eine erneut überaus schräge Theaternummer unter Regie von Robert Brack, bei der die Kreisräte Rupert Monn (gespielt von GWT-Chef Christoph Winklkötter), Ute Nicolaisen-März (Verkehrsmanagerin Susanne Münster) und Delfin-Retter Tim Weidner (brillant: Herrschings Bürgermeister Christian Schiller) händeringend nach einem Abschiedsgeschenk für Landrat Roth suchen. Vize-Landrat Georg Scheitz (Harald Schwab) hat jedoch bereits eine erbarmungswürdige Schrottskulptur - real zusammengeschweißt von Erich Setzwein - als Unikat von einem "renommierten Künstler" auf dem Andechser Wertstoffhof für 23 000 Euro erstanden. Roths Ehefrau Elisabeth (Ute Eiling-Hütig) ist wenig begeistert: "Wenn das bei uns im Garten steht", grantelt sie, "dann werfen uns die Leute doch ihren Schrott über den Zaun". Sie hätte lieber ein Wellness-Wochenende. Und das gibt es dann auch: Allerdings für Karl Roth - und Scheitz.

Auch diesmal wurde beim Schlachtschüsselessen wieder Geld für einen guten Zweck gesammelt: Dank der großzügigen Verdoppelung der Summe durch Kreissparkassen-Chef Josef Bittscheidt kamen diesmal insgesamt 5000 Euro zusammen.

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Quelle:
SZ vom 30.11.2019
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