Süddeutsche Zeitung

Nepomuk:100 Gramm Hartwurscht, bittschön

Nur ein Seegeist weiß über Umgangsformen, gute Erziehung und den wahren Slang auf dem Pausenhof wirklich Bescheid.

Von Euer Nepomuk, Berg

Ihr wisst's schon: Ich bin überaus kultiviert! Was, das ist euch neu?Macht jetzt bitte keine Witze, aber das Thema ist mir wirklich wichtig. Und wer mich kennt, der weiß, dass ich gesteigerten Wert auf vorbildliches Benehmen und korrekte Rechtschreibung lege. Das hat mir meine Mutter so beigebracht: Hab' sie immer heimlich die "Sprachpäpstin" genannt. Wobei alles, was mit Päpsten zu tun hat, ja eigentlich der Gisela Forster vorbehalten bleibt - meine alte Freundin, die exkommunizierte Bischöfin aus Berg. Aber das ist ein anderes Thema.

Also, zu Hause beim Mittagessen hieß es von Muttern, wenn ich "Was?" fragte, stets streng: "Nicht was, Nepo, sondern wie bitte!" Ja Leute, so bin ich erzogen. Jetzt wundert ihr euch sicher auch nicht mehr, dass ich großen Wert auf Umgangsformen lege. "Bitte" und "Danke" sind praktisch ein Muss, darüber lasse ich nicht mit mir diskutieren. Und nichts regt mich mehr auf, als wenn vor mir im Supermarkt so ein Tölpel die freundliche Verkäuferin hinter der Theke anraunzt: "100 Gramm Hartwurst!" Kein Bitte, kein Danke. Nichts! Könnte ein maulfaules Nordlicht sein, denk' ich dann. Höflichkeit ist für solche Kunden jedenfalls ein Fremdwort. Bei einem Bayern dagegen, mag er noch so grantig schauen, würde die Bestellung an der Theke vermutlich so klingen: "Griaß God, I dadad bittschön 100 Gramm Hartwurscht kriang, wenn's geh' dad." Das klingt doch schon ganz anders, oder?

Aber wie komme ich jetzt auf die Wursttheke? Egal. Eigentlich wollte ich was ganz anderes erzählen. Etwas, das meine Mutter zur Verzweiflung treiben würde. Sie wäre entsetzt, aber sie erfährt's ja nicht, Gottlob. Ich hab' nämlich kürzlich ganz viele neue Worte gelernt. Die Erweiterung des persönlichen Wortschatzes fände Muttern wohl zwar in Ordnung. Aber: Es sind böse Worte. Schlimme. Wo ich die gelernt habe? Kaum zu glauben: In der Schule. Genauer, in der Montessorischule auf Gut Biberkor in Berg. Da hängt nämlich schon seit Wochen in der Schulaula ein Plakat, und darauf stehen Dinge wie "Alter Sack", "Depp" oder "Dumme Kuh". Und das sind noch die harmlosesten.

Grund für diese seltsame Sammlung: In der Mitte des Plakats steht "Welche Schimpfworte hast du auf dem Schulhof gehört?" Ja, und die Kinder haben viele gehört, das kann ich Euch sagen! Ernsthaft reden müssen wir mit den Deutschlehrern allerdings noch über "Blötman" und "Scheise": Am liebsten würde ich die jeweiligen Verfasser am Ohr ziehen und sie das Wort "Rechtschreibung" gleich 100 Mal pinseln lassen. Pädagogisch wäre das zwar inakzeptabel, die Kinder sollen ja eigentlich was Gscheites lernen. Aber wenn man Schimpfworte schon nicht sagen darf, dann sollten sie doch wenigstens richtig geschrieben sein. Das gehört einfach zum guten Benehmen dazu, findet

Euer Nepomuk.

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