Süddeutsche Zeitung

Schauspieler Manfred Weber:Einer für alles

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Der Inninger war Polizist, Bierfahrer und Bauamtsleiter, bis ihn das Theaterfieber packte. Seitdem spielt er in Bühnen- und TV-Produktionen mit

Von Sabine Bader, Inning

Es gibt Menschen, die machen einen Beruf ihr Leben lang und sind glücklich dabei. Und dann gibt es Leute, die probieren vieles aus, sind nicht leicht zufrieden zu stellen, suchen, verwerfen, finden. Ein solcher Mensch ist Manfred Weber, 62. Für die Berufe, die er schon ausgeübt hat, reicht eine Hand nicht aus. Aber dazu später.

Manfred Weber stammt aus Burghausen, heute lebt er in Inning. Wer ihn dort in seinem Privathaus besucht, wird von zwei mittelgroßen Hunden freundlich schwanzwedelnd empfangen. Aber irgendetwas ist komisch an den beiden, denkt man und merkt es fast zeitgleich: Jeder von ihnen hat nur drei Beine. Zwei Hunde auf sechs Beinen. "Das ist halt so", sagt Weber, als wäre es das Normalste auf der Welt. "Sie machen weniger Dreck." Und dann ist da noch Kater Josch. Er schleicht umher, es wirkt ganz so, als würde er die Haustiergang befehligen.

Wenn Manfred Weber von seinem Leben erzählt, dann dreht sich viel um Mutti. Sie ist seine Pflegemutter. Schon im Alter von sechs Wochen hatten ihn seine Eltern - eine Krankenschwester und ein Feinmechaniker - zu Pflegeeltern gegeben. Auch den drei Jahre jüngeren Bruder gaben sie in eine Pflegefamilie. Nicht, weil sie ihre Kinder nicht mochten, meint Weber rückblickend, sondern, weil sie mit ihren Berufen verheiratet waren. Die Eltern stammten aus Oberschlesien, waren beide fleißig, motiviert und werkelten tagein, tagaus.

Für Manfred Weber jedenfalls war die Pflegemutter "ein großes Glück". Ihr Name war Elisabeth, sie stammte aus Rheinland-Pfalz, hatte eine natürliche Autorität und bildete die unverrückbare Vertrauensbasis für den kleinen Buben, den sie "Burschi" nannte. "Nur sie durfte das", sagt Weber. Seine Pflegemutter hat ihm immer Märchen vorgelesen. "Ich konnte alle in- und auswendig. Und ich hab' mir auch ihre Mimik und Gestik abgeschaut", sagt er. Sie war es wohl, die seine Sehnsucht nach der Schauspielerei geweckt hat.

Als der Bub zur Schule kam, wurden die Karten neu gemischt. Der Siebenjährige zog unter der Woche zu seinen leiblichen Eltern und verlebte fortan nur noch die Wochenenden und Ferien mit den Pflegeeltern. Er besuchte die Volksschule und schließlich das neusprachliche Gymnasium. Manfred Weber beschreibt sich auch in der Pubertät als "rebellisch". Er wollte entweder Richter, Astronaut oder Schauspieler werden. Die Interessen des Jünglings waren also breit gefächert. Seine Eltern rieten ihm dazu, erst mal etwas "Ordentliches zu lernen". Also ging Weber zur Polizei. Die suchte gerade Nachwuchs, und "etwas Ordentliches" war so ein Polizistendasein ja auch, dachte er und trat 1975 seine Ausbildung in Seeon am Chiemsee an. "Ich hab' sie durchgezogen, aber sie hat mir nicht gefallen", sagt Weber. In dieser Zeit schickte man ihn auch nach Brokdorf. "Das war alles deppert", sagt er heute. "Ich habe gekündigt und wurde Bierfahrer." Vier Monate hielt er es in diesem Job aus, dann wurde er Wachmann, gehörte zum Werksschutz von "Wacker Chemie". Dieses Intermezzo dauerte sieben Monate. In der Zeitung las er ein Inserat des Landratsamts Altötting. Die Behörde suchte Azubis für den Beruf des Verwaltungsfachwirts. Das gefiel dem jungen Mann schon besser, weil er in der Behörde mit vielen Leuten Umgang hatte. Er betreute dort den sozialen Wohnungsbau und arbeitete im Ausländeramt.

1986 suchte die Gemeinde Wörthsee einen Bauamtsleiter. Weber meldete sich kurz entschlossen. "Beim Vorstellungsgespräch habe ich ausgesehen wie ein Terrorist", glaubt er. Er wurde dennoch genommen. Doch der Kommune fehlte es in jener Zeit auch an einem Geschäftsleiter und einem Standesbeamten. Die Jobs machte Weber dann auch noch mit. Nach drei Jahren kam es zu einem Disput mit dem damaligen Bürgermeister Hermann Dorbath. Weber kündigte. "Es war wie eine Befreiung", sagt er. Danach hat er sich mit Geschäftsideen über Wasser gehalten, nannte sich "Requisiteur für das gesellschaftliche Leben" und hat für seine Kunden verrückte Ideen umgesetzt, hat Feste organisiert und selbst Überraschungsgäste gemimt. Als ein Kunde verlangte, er solle einen Raubüberfall inszenierten, stieg er aus. Er zog einen Import-Export-Handel auf, hatte acht große Lkw. Daneben spielte er bei der Bauernbühne in Wörthsee. Und dann passierte es: Das Theaterfieber hat ihn gepackt und bis heute nicht mehr losgelassen. Er besuchte eine private Schauspielschule. Doch bei aller Leidenschaft zum Theater war für ihn klar: Einen Brotberuf braucht man. Und so entschloss er sich 1999, noch eine weitere Ausbildung anzuhängen: die des Versicherungskaufmanns. Es folgte das Fachwirtstudium für Versicherungen in München. Seit 15 Jahren betreibt Weber nun eine Ergo-Geschäftsstelle - zuerst in Herrsching und seit 2016 in Etterschlag.

Doch nach wie vor gilt seine Leidenschaft dem Theater. Wer die Homepage von Manfred Weber besucht, dem wird klar: Der Mann schlüpft in alle Rollen. Er spielt den Chefarzt in einer Psychiatrie ebenso wie Atze, den Chef eines Rockerclubs. Weber stand bei der Iberl-Bühne in München-Solln auf der Bühne und beim Chiemgauer Volkstheater. Er wirkte in zahlreichen Fernsehproduktionen des Bayerischen Rundfunks, von Pro7, ARD und RTL mit. Er spielt Franz Leitner in der BR-Serie "Dahoam is Dahoam", den Makler Böhning in "Soko 5113" und Sepp Hingerl in "Der Bulle von Rosenheim" beim Chiemgauer Volkstheater. Seine bisherige Bilanz: fast 50 Theater-, und Fernseh-Produktionen. "Es gibt keine Lieblingsrolle für mich", sagt er. "Man muss sich mit jeder Rolle identifizieren können." Manfred Weber liebt es, Dialekt zu sprechen. "15 bis 20 Dialekte hab' ich im Repertoire", sagt er. Dazu zählen neben Bayerisch, Sächsisch, Österreichisch und Schwyzerdütsch auch Norddeutsch und Pfälzisch. An 65 bis 70 Abenden im Jahr steht Weber auf der Bühne. Seit vier Jahren ist er mit Monika, einer Immobilienmaklerin, verheiratet.

Den Silvesterabend verbringt Weber übrigens auch im Theater, denn am 31. Dezember feiert das Stück "Dinner für oane" im Zunfthaus an der Thalkirchner Straße in München Premiere. Weber schlüpf dort gleich in mehrere Rollen, unter anderem in die der Miss Sophie. Seine Ehefrau Monika wird die Premiere allerdings verpassen, denn sie muss zuhause die Hunde Luna und Dick hüten. "Die haben Angst, wenn's draußen kracht", sagt sie. Rechtzeitig um 24 Uhr will Weber aber zum Anstoßen daheim sein.

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Quelle:
SZ vom 28.12.2018
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