Mobilität:Mit dem Kollegen ins Büro

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Manuela Seeholzer nutzt die firmenbasierte Mitfahrplattform so oft es geht. Kollege Martin Franke ist ebenso begeistert. Gemeinsam sind die beiden bislang allerdings noch nicht zur Arbeit gefahren. (Foto: Arlet Ulfers)

Vier Arbeitgeber im Landkreis haben sich für eine interne Mitfahrplattform zusammengetan, mehr als ein Drittel der Mitarbeiter schließen sich bereits für gemeinsame Fahrten zusammen. Nun sollen weitere Firmen dazukommen.

Von Carolin Fries, Herrsching

Manuela Seeholzer steht vor ihrem orangefarbenen Opel Adam und strahlt. Die Nachhaltigkeitsmanagerin liebt ihr Auto - noch lieber aber wäre ihr, es würde überflüssig. Doch wie sollte sie sonst morgens die 42 Kilometer von Penzberg nach Herrsching zügig zu ihrem Arbeitsplatz bei der VR-Bank kommen - und abends wieder zuverlässig zurück? "Mit den öffentlichen Verkehrsmitteln klappt das hier im ländlichen Raum leider nicht", sagt Seeholzer. Doch nun hat die 58-Jährige neue Hoffnung: Über das firmenbasierte Mitfahrportal "Sami" können sich Kollegen für Fahrten zusammentun. "Mein Plan ist, das Auto im kommenden Jahr loszuwerden", sagt Seeholzer.

Bei "Sami" fahren Kollegen mit Kollegen, das Portal gibt es erst seit wenigen Wochen. Vier Unternehmen haben sich im ersten Schritt zusammengeschlossen: Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Oberpfaffenhofen, die VR-Bank Starnberg-Herrsching-Landsberg sowie die Gemeindeverwaltungen Weßling und Gilching. Sami steht für "Starnberg Ammersee Mitfahren" und wurde von dem sechs Jahre alten Start-up "Step Mobility" aus Seefeld ins Leben gerufen. Die Firma entwickelt Mobilitätskonzepte für Firmen, Städte und Kommunen. Etwa für den Maschinen-Hersteller Palfinger ein internes Angebot, für die Stadt Würzburg das Portal "Max", für Niederösterreich "Nila".

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Bei Bedarf lassen sich die Systeme beliebig erweitern und verknüpfen. Speziell für größere Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern, die von 2024 an gesetzlich zu Nachhaltigkeitsberichten verpflichtet sind, ist das interessant. "Die Mobilität der Mitarbeiter ist eine große Stellschraube", sagt die Mobilitätsmanagerin Barbara Koch, die sich bei Step Mobility als Projektbetreuerin um Sami kümmert.

Das Prinzip des Mitfahrportals ist denkbar simpel: Mitarbeiter, die sich registriert haben, geben online ein Fahrtangebot ab. Dabei können sie eine Maximaldauer für einen Umweg eingeben, ein Zeitfenster für Hin- und Rückfahrt sowie die Anzahl der freien Plätze. Frauen können zudem wählen, ob sie ausschließlich mit Frauen fahren wollen. Wer eine Mitfahrgelegenheit sucht, gibt ebenfalls die Daten ein. Das System ermittelt dann, ob es "Matches" gibt und informiert die Mitarbeiter per E-Mail und SMS.

Pro gefahrenen Kilometer teilen sich die Insassen 30 Cent

Die verabredeten Fahrten lassen sich unkompliziert in die Terminkalender der Arbeitgeber-Systeme übertragen, für jeden gemeinsam gefahrenen Kilometer teilen sich die Insassen 30 Cent. Umso mehr Plätze also besetzt sind, umso günstiger werden die Fahrten. Sollte etwas dazwischen kommen, können die Fahrten storniert werden. Damit niemand im Büro sitzen bleibt, garantiert der Arbeitgeber die Möglichkeit einer kostenfreien Heimfahrt. Beispielsweise mit einem Firmenwagen, öffentlichen Verkehrsmitteln oder aber einem Taxi. "Gerade auf dem Land schafft das geschlossene Vermittlungssystem Vertrauen", sagt Koch. "Auf Kollegen ist Verlass."

Bei Manuela Seeholzer hat es bisher zweimal "gematcht". "Das ist jedes Mal wie Weihnachten", sagt sie. Einmal konnte sie bei einem Vorstandsmitglied der Bank mitfahren, ein anderes Mal nahm sie Stefan Baumgartner aus Unering mit in die Filiale nach Herrsching. "Das ist nicht nur umweltfreundlich, sondern auch menschlich interessant", erzählt die Penzbergerin. Man lerne Kollegen aus anderen Bereichen kennen oder Mitarbeiter anderer Unternehmen. Wie weit der Radius greift, entscheiden die Firmen und Mitarbeiter individuell. Sie können ausschließlich firmenintern fahren oder das Angebot auch auf angrenzende Mitfahrportale ausweiten, beispielsweise auf "Mio" im Oberland, zu dem sich sechs Firmen aus Weilheim sowie die Firma Roche in Penzberg zusammengeschlossen haben. Auch Dienst- und Privatfahrten können über die Portale geteilt werden. Barbara Koch berichtet von einem Nutzer, der Plätze für seine Urlaubsfahrt nach Split angeboten hat, andere nähmen Kollegen nach der Arbeit ins Fitnessstudio mit oder am Wochenende ins Kino.

Zweimal hat es bislang bei ihr "gematcht": Manuela Seeholzer mit Martin Franke vor ihrem orangefarbenen Kleinwagen. (Foto: Arlet Ulfers)

Aktuell nutzt bei den vier beteiligten Arbeitgebern bereits mehr als ein Drittel der Belegschaft Sami, knapp 1000 Kilometer seien bereits durch gemeinsame Fahrten eingespart worden. Das System zählt fleißig mit, wieviel Kohlenstoffdioxid die Unternehmen sparen und welche Mitarbeiter ganz vorne dabei sind. "Welche Anreize die Firmen jeweils setzen, ist ganz verschieden", erklärt Projektleiterin Koch. Manche belohnen das nachhaltige Verhalten der Mitarbeiter mit Prämien, andere bieten kostenfreie Parkplätze für Sami-Nutzer an. Für die Firmen kostet die Plattform jährliche Lizenzgebühren für die Nutzung der Software sowie einmalig einen Betrag im unteren vierstelligen Bereich für das Onboarding, wie Koch sagt. Darin enthalten sind die Vorarbeiten, Schulungen für die Mitarbeiter sowie eine ständige Betreuung des Projekts.

Damit noch mehr Menschen von den Fahrangeboten profitieren, soll es weitere Zusammenschlüsse von Firmen geben, welche dann auf Wunsch mit Sami oder Mio gekoppelt werden. "Im Idealfall finden sich zwei oder drei Firmen, für die wir dann eine Echtzeit-Vermittlung aufbauen", sagt Koch. Für kleinere Firmen mit nur wenigen Mitarbeitern soll es eine kostengünstigere Variante geben, "daran arbeiten wir noch".

"Die intrinsische Motivation ist groß", sagt Seeholzer

"Das muss natürlich weiter wachsen", sagt Annette von Nordeck, Leiterin der Wirtschaftsförderung bei der Regionalagentur GWT in Starnberg. "Und es darf nicht an der Landkreisgrenze aufhören." Für sie sind die Mitfahrplattformen ein Baustein zur Mobilitätswende, doch "damit allein werden wir den Individualverkehr nicht aushebeln". Aber die Idee sei gut, die GWT mit ihren knapp 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern werde deshalb demnächst ebenfalls bei Sami einsteigen. "Wir wollen ein Zeichen setzen", sagt von Nordeck.

Bei der VR-Bank in Herrsching mehren sich die Zeichen täglich. Manuela Seeholzer spricht von einem "Bewusstseinswandel", der Einzug halte, "die intrinsische Motivation ist groß." Gerade bei Jobs, die in Kombination mit Home-Office-Tagen funktionieren, könne das Modell Autos einsparen, glaubt sie. Sie selbst jedenfalls will es probieren, auch wenn sie demnächst in den kleinen Ortsteil Stadl in Vilgertshofen umzieht. "In Kombination mit einem E-Bike müsste es klappen", sagt sie. Dann könne sie zu zum Beispiel zu motorisierten Kollegen radeln, die sie dann ohne Umweg mitnähmen. Ein bisschen flexibel müsse man schon sein, sagt sie. Sami-Nutzer Stefan Baumgartner nickt. Er steht für eine gemeinsame Fahrt ins Büro schon mal eine Viertelstunde früher auf als üblich und bummelt nicht rum. "Hat auch was", sagt er.

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