Die Ampelkoalition in Berlin kriselt – und mit ihr auch die FDP. Bei den drei jüngst in Ostdeutschland abgehaltenen Landtagswahlen sind den Liberalen die Wähler regelrecht davongelaufen. Das beunruhigt auch die frühere Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, die sich große Sorgen um ihre Partei und auch um den Zustand der Koalition macht. Die 73-jährige Juristin war 13 Jahre lang Vorsitzende der FDP in Bayern, ist als Starnberger Kreisrätin noch immer politisch aktiv.
SZ: Frau Leutheusser-Schnarrenberger, angesichts der vor allem zuletzt desaströsen Wahlergebnisse Ihrer Partei in Sachsen, Thüringen und Brandenburg dürften Sie jetzt schlaflose Nächte haben, oder?
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger: Das nun nicht unbedingt, da gab es schon ganz andere Anlässe. Aber die Lage ist sicher schwierig und sie treibt mich sehr um. Die Ampelkoalition ist unbeliebt und verunsichert unsere Parteibasis. Über das derzeitige Erscheinungsbild der Regierung bin auch ich nicht glücklich.
Was muss jetzt passieren, damit es mit der FDP nach einer Serie von Wahlniederlagen wieder aufwärts geht?
Leider gibt es dafür kein Patentrezept. Wichtig ist es aber, klar zu signalisieren, sich nicht jedem Ausstiegsszenario aus der Ampel zu ergeben und dabei das Heil bei der Union zu suchen, die ihre eigenen Interessen verfolgt. Die FDP sollte kraftvoll ihren Weg gehen, Vertrauen und Zuversicht schaffen – und im November vor allem einen soliden Haushalt gemeinsam mit den Koalitionspartnern durch das Parlament bringen.
Hierbei kommen aber doch immer wieder Störmanöver aus der FDP-Fraktion selbst. Zum Beispiel bei der Rentenreform, da drängt ihre Partei jetzt wieder auf Änderungen – dabei war die längst ausgehandelt.
Das sehe ich anders. Für ein ordentliches Rentenkonzept ist es notwendig, auch mehr Generationengerechtigkeit zu erwirken und dahin gehend das Paket zu verbessern. Das müssen wir lösen.
Und wie sehen Sie die Rolle von Parteichef Christian Lindner? Er darf trotz heftiger Wahlniederlagen FDP-Vorsitzender bleiben, während der Grünen-Vorstand Konsequenzen zieht und zurücktritt.
In der FDP gibt es nicht diesen innerparteilichen Spagat zwischen Realos wie Habeck und jenen mit ökologischem Wunschdenken. Lindner ist der richtige Mann an der Spitze und hat in der Partei nach wie vor Rückhalt und eine starke Stellung. Ich halte daher nichts von einer Personaldebatte. Es muss vielmehr um die Sache gerungen und beispielsweise ein klarer Kurs in der Wirtschaftspolitik ohne Kleinklein mit zwölf Unterpunkten gefahren werden. Und dabei sind neue Perspektiven aufzuzeigen.
Nicht wenige Kritiker behaupten, die FDP bediene vorwiegend noch immer eine bestimmte Klientel und sei eine Partei der sozialen Kälte. Könnte es sein, dass dies auch die Wähler abschreckt?
Das glaube ich nicht, zumal diese Titulierungen Klischees von gestern sind. Es geht zwar um Wachstum, aber nicht, damit die Leute nur wohlhabender werden, sondern auch, damit sie mehr Teilhabe erfahren.
Eben das scheinen aber viele Bürger und Bürgerinnen in der politischen Ausrichtung der FDP zu vermissen.
Um wieder mehr Menschen zu erreichen, müssen wir Politik mit Herzblut machen und das fängt schon bei der Sprache an. In dieser Hinsicht gibt es sicher noch Potenzial nach oben.