Süddeutsche Zeitung

Verkehr in München:Bahn erneuert Gleise - Anwohner klagen über mehr Lärm als zuvor

Fünf Wochen ärgern sich die Nachbarn über die Baustelle zwischen Gauting und Starnberg. Nun liegen die Schienen - und die Gläser im Schrank klimpern.

Von Christian Deussing

Viele Anwohner der Bahnstrecke zwischen Gauting und Starnberg sind erleichtert gewesen, als nach fünf Wochen die nervtötenden Warnsignale während der Gleisbauarbeiten vorbei waren. So auch Marina und Dietrich von Salis und ihr Nachbar Ulrich Rohde aus der Ringstraße in Königswiesen, zwei Kilometer südlich vom Gautinger Bahnhof entfernt.

Die Familien hofften, dass nach dem 13 Millionen Euro teuren Austausch der Schienen die Züge weicher und geräuschloser vorbeifahren würden. Leider sei genau das Gegenteil der Fall, klagt das Ehepaar von Salis. "Denn das Abrollgeräusch der Bahn ist sehr viel härter und dröhnender geworden. Die Schwingungen auf unser Haus haben sich wieder deutlich erhöht, die Gläser fangen im Schrank an zu klimpern wie nach unserem Einzug vor 36 Jahren", berichtet das entnervte Ehepaar.

Auch für den Nachbarn Rohde ist es völlig unverständlich, dass die Vibrationen trotz der Sanierungen offenbar zugenommen haben und die Bahnanlieger erheblich belästigen. "Das ist doch ein Fiasko", ärgert sich der 65-jährige Unternehmensberater. Da habe die "Bahn wohl zu Lasten der Anlieger eine billige Gleisrenovierung vergeben, um zu sparen", vermutet der Nachbar aus Königswiesen. Dabei sei versprochen worden, dass die neue Gleisanlage den Zuglärm stärker dämpfen würde.

Rohde und von Salis betonen, dass sie "keine überempfindlichen Nörgler" seien. Und sie verweisen darauf, dass auch andere Anlieger in der Siedlung unter dem neuem Dröhnen litten - wie zum Beispiel eine 52-jährige Tontechnikerin, die das Ärgernis bestätigt: "Der Sound hat sich auf der Strecke verändert, die Frequenz ist dumpfer und tiefer und somit unangenehmer geworden."

Rohde weiß auch vom Ärger der Anlieger zwischen Starnberg und Tutzing, seitdem dort im Frühjahr die Schienen ausgetauscht worden sind. Eine Familie berichtete etwa, dass inzwischen jeder Zug "eine Qual" bedeute. Deren Schilderungen stimmten mit den Erfahrungen in Königswiesen überein, erzählt Rohde. Die Züge hörten sich neuerdings so an, als ob ein "Radkranz durch eine Vollbremsung an einer Stelle abgeflacht wurde und bei jeder Umdrehung ein kleiner Schlag hörbar ist", berichtet der Anwohner, dessen Haus 40 Meter von den Gleisen entfernt liegt.

Bevor die Bauarbeiten an den Gleisen Anfang Oktober zwischen Gauting und Starnberg begannen, hatte die Bahn Flyer entlang der Strecke verteilt und um Verständnis wegen des Lärms, Staubs und des automatischen Warnsystems für die Arbeiter gebeten. "Unsere Baustelle kann schon mal zur echten Nervensäge werden", heißt es auf dem Infoblatt für die Anlieger. Damit habe man zwar leben können, sagt Diplom-Kaufmann von Salis, doch die "zugenommene Lärmbelästigung und die Schwingungen im Haus" seien dann eine böse Überraschung gewesen, erzählt der 71-Jährige.

Auch zwischen Steinebach und Seefeld-Hechendorf wurden vor Kurzem die Schienen der Linie S 8 ausgewechselt und etwa 600 Tonnen neuer Schotter im Gleisbett aufgeschichtet. Nun fragt sich prompt auch ein Steinebacher, ob die Abrollgeräusche auf der Strecke seit der Sanierung lauter geworden seien? Das hätten auch seine Nachbarn bemerkt, berichtet der 34-jährige Anlieger.

Man werde zumindest den geschilderten Beobachtungen bei Gauting nachgehen und dafür örtlich die Gegebenheiten prüfen, erklärt ein Bahnsprecher. Es könne bei Gleiserneuerungen aber sein, dass sich die "Charakteristik" der Geräusche bei durchfahrenden Zügen geringfügig ändere - etwa durch andere Materialien wie Schwellen, Schotter oder durch den Umbau im Gleisbett.

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SZ vom 02.12.2020/van
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