Über den Atlantik rudern? Das klingt nach einem verwegenen Vorhaben, aber Janik Prottung und Danny Schleicher haben diese Herausforderung vor einem Jahr gemeistert. Die Dauer des Ruderrennens über den Atlantischen Ozean, hat der 30-Jährige immer noch genau im Kopf, fast schon als ob er jede der Stunden einzeln abgezählt hätte. Gestartet sind sie als Zweierteam am 13. Dezember 2023 in San Sebastián auf La Gomera. Und am 31. Januar 2024 um 9 Uhr und zwei Minuten kamen sie mit ihrem Ruderboot „Gratitude“ nach 49 Tagen, vier Stunden und sechs Minuten in Nelson’s Dockyard auf der Karibikinsel Antigua an.
Bewältigt haben die beiden Männer die an die 5000 Kilometer lange Strecke des Rennens „World’s Toughest Row“ in Schichten, jeder Tag wurde aufgeteilt in sechsmal zwei Stunden Rudern und sechsmal zwei Stunden für Schlafen, Essen, Reden, Navigieren und Hygiene. Dass er keine Schwielen an den Händen bekommen habe, verdanke er der guten Ausbildung beim Schondorfer Ruderclub, so Prottung. Denn er und Schleicher hatten sich beim Veranstalter für das Rennen angemeldet, obwohl sie keinerlei Rudererfahrung hatten. Vor dem Rennen sei aber eine dreijährige Vorbereitungszeit am Ammersee angestanden. Das erzählte Prottung, der gar nicht wie ein Abenteurer wirkt, nun bei einem gut besuchten Vortrag an alter Wirkungsstätte in Schondorf.
Damals studierte Prottung in München Physik und kam durch glückliche Umstände zum Ruderclub „Wilde Woge“ in Schondorf und wurde dort, wie er betont, sehr herzlich aufgenommen. Er ist heute noch immer dort Mitglied. Vorstand Carlo Forster berichtete am Rande der Veranstaltung, dass Prottung damals im Winter zum Training mit dem Ruderergometer nach Schondorf gekommen sei. „Er war fast schon ein Naturtalent“, lobte Forster, denn auf dem Ammersee hatte dieser schon bei der zweiten Ausfahrt den Bogen raus. Der Verein unterstützte den angehenden Extremsportler und sein Vorhaben. Sie besorgten sich auch einen Liegeplatz für das spezielle Ruderboot.
Das vorgeschriebene Training absolvierten die beiden Schulfreunde auf dem Mittelmeer. Kennengelernt haben sie sich nicht beim Sport, sondern im Schulorchester, Prottung spielte Trompete und Schleicher Gitarre. Nach dem Abitur 2012 in Heidelberg verloren sie sich aus den Augen, Schleicher wurde Elektroniker und wanderte später mit seinen Eltern nach Indonesien aus, aber 2019 gab es auf Bali ein Wiedersehen. Schleicher suchte einen Partner für das herausfordernde Rennen, einige hatten schon abgesagt, aber Prottung sagte nach einiger Überlegung zu: Das Team „Not today“ stand. Warum „nicht heute“? Der Name spornte beide an.

Eine gemeinnützige Firma musste gegründet, hohe Kredite aufgenommen und Sponsoren gesucht werden, erzählte Prottung, der währenddessen noch seinen Master machte und ins Berufsleben startete. Auch zwei Projekte, eines für die Bildung von Kindern in Bali und das andere gegen Plastik in den Ozeanen, sollten unterstützt werden. Das spezielle Ruderboot, das eine kleine Kabine hat, kauften sie gebraucht in England. Um es abzuholen, musste Prottung einen Anhängerführerschein machen.
Sie beschafften sich eine genau vorgeschriebene Ausrüstung. Gut in Erinnerung ist ihm noch ein weiterer Großeinkauf, nämlich drei große Einkaufswagen voller Süßigkeiten. Pro Tag benötige jeder Ruderer 6000 Kilokalorien, 4000 davon wurden über gefriergetrocknete Mahlzeiten gedeckt, der Rest aus der Tagesration Riegel. Weihnachten feierten sie mit Plätzchen, und zum 30. Geburtstag von Schleicher im Januar gab es ein Brot aus der Dose mit Marmelade. Weil dieses eigentlich zur Notration zählte, musste die Rennleitung zustimmen, berichtet Prottung.
Alle drei Tage nahmen sie wie vereinbart mit der Rennleitung über Satellitentelefon Kontakt auf. Zweieinhalb Wochen vor Ankunft kenterten sie, berichtet er. Es gab aber nach dem ersten Schreck keinen großen Schaden, denn sie waren beide wie stets über eine Leine gesichert und die Kabinentür war geschlossen, daher richtete sich das Boot von selbst wieder auf.

Auf dem Atlantik waren sie weitgehend allein, vom zweiten Tag an war auch keines der anderen 37 Ruderboote, vom Einer bis zum Fünfer, in der Nähe. „Es wird auf einmal ganz ruhig“, erzählt Prottung. Den Ehrgeiz, das Rennen zu gewinnen, gaben sie auf, als sie zu Beginn wegen des Wetters eine Route Richtung Süden wählten und der erhoffte Vorteil sich ins Gegenteil verkehrte. Schlussendlich landeten sie mit ihrer Zeit im guten Mittelfeld, bei den Zweier-Teams wurden sie immerhin Dritte. In der zweiten Woche erlebten sie hohe Wellen mit einem Hub von bis zu dreizehn Metern, eine neue Erfahrung, denn bisher hatten sie nur auf dem Mittelmeer trainiert. Und das Boot wurde ganz schön schnell, mit bis zu 35 Stundenkilometern rasten sie die Wellenberge hinab.
Für Schleicher, der sich in einer Videobotschaft aus Jakarta meldete, waren das Beeindruckendste zwei Vögel, die sie auf der Fahrt begleiteten. Albert und Mahone, so tauften sie die beiden, kamen meistens am Abend, wenn es kühler wurde. Das waren auch für Prottung die besten Momente, denn dann wusste er, es wird kühler und er hatte wieder einen Tag geschafft. Aufgeben war für sie keine Option, sagte er. Das wäre auch mitten auf dem Atlantik ein sehr kostspieliges Unterfangen geworden.
So ruderten sie im Zweistundentakt, den sie sich als Rhythmus selbst so ausgewählt hatten. Auf dem Ozean, sagt Prottung nachdenklich, war er „der Welt sehr ausgeliefert“. Inzwischen sind noch 60 000 Euro Schulden übrig. 4000 Euro spendeten sie an die beiden Projekte. Das Ruderboot ist noch nicht verkauft, aber eine Wiederholung des Abenteuers ist erst einmal nicht in Sicht.