Geschichte des Starnberger Sees:Als der Wolfshund die Roseninsel bewachte

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Johann Raunecker war der erste Gärtner auf der Roseninsel. Urenkelin Gertraud Wurm hat ein Buch über sein beschwerliches Leben geschrieben und über den Umgang mit dem menschenscheuen König Ludwig II.

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Planegg/Feldafing

Mehrmals im Jahr macht Gertraud Wurm aus Planegg einen Ausflug zum Starnberger See und setzt über zur Roseninsel. Sie liebt die Atmosphäre dort und den Duft der Rosen, die der Insel ihren Namen gegeben haben. Doch Gertraud Wurm verbindet viel mehr mit der Insel. Ihr Urgroßvater Johann Raunecker war der erste Roseninsel-Gärtner, der auch auf der Insel wohnte.

Er hatte acht Kinder. Sieben waren so genannte "Inselkinder", die auf der Insel geboren wurden, darunter Wurms Großmutter Anna Raunecker. "Das war schon immer ein Thema in der Familie", sagt Wurm. Sie habe das zwar interessant gefunden, aber sich nie näher mit dem Leben ihrer Vorfahren beschäftigt. Erst als die ehemalige Mitarbeiterin bei der Agentur für Arbeit 2018 in Rente ging, hat sie sich mit ihrer Familiengeschichte befasst. Sie hat Kontakt zur Feldafinger Gemeindearchivarin Martina Graefe aufgenommen, die ihr viele Tipps gab. Sie hat im Geburten- und Sterberegister im Bistum Augsburg nachgelesen, durfte sogar im Geheimen Hausarchiv der Wittelsbacher recherchieren und hat immer wieder nachgefragt.

Gertraud Wurm, die Urenkelin des ersten Roseninsel-Gärtners, besucht das Eiland noch heute häufig. (Foto: Georgine Treybal)

Einige Unterlagen musste sie transkribieren lassen, weil sie in einer altdeutschen Schrift verfasst waren, die sie nicht entziffern konnte. Nach zweieinhalb Jahren war das Büchlein "Johann Raunecker - Gärtner auf der Roseninsel" fertig. Es war zunächst nur als Familienchronik für ihre Verwandten gedacht. Ein Bekannter brachte sie auf die Idee, dass diese Informationen auch interessant sein könnten für die Besucher der Roseninsel. Auch Fährmann Bernhard Zillner erkundigte sich während einer Überfahrt zur Roseninsel, was es mit dem ersten festen Bewohner des Gärtnerhäuschens auf sich hat, und Wurm überreicht ihm das Büchlein.

Johann Raunecker lebte von 1862 bis 1878 auf der Insel, bevor ihn sein Beruf nach Aschaffenburg und zuletzt an den Hofgarten in Schleißheim führte, wo er als königlicher Obergärtner arbeitete. Damals gab es noch keine Fähre zur Roseninsel. Denn nur wenn der König nicht da war, durfte sie von ausgesuchten Besuchern mit Sondererlaubnis besichtigt werden. Die Raunecker-Kinder konnten die Insel nur mit dem Ruderboot verlassen, etwa zum Schulbesuch. Bei schlechtem Wetter fiel die Schule aus. Dann kam der Lehrer auf die Insel, um die "Inselkinder" zu unterrichten. "Zum Schluss gab es dann eine Schale guten Kaffees, und das war für ihn Entlohnung genug für den weiten und oft beschwerlichen Weg zur Insel und zurück", heißt es im Heimatbuch der Gemeinde Feldafing.

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Lohnabrechnungen zu den einzelnen Aufgabengebieten, wie etwa die Unterstützung bei Vermessungen oder bei den Forschungen zu den Pfahlbauten lassen darauf schließen, dass Wurms Urgroßvater nicht nur als Gärtner tätig war. Zahlungen an die Ehefrau Franziska für Putzen und Instandhaltung der Casinoräume waren ebenso vermerkt wie für zusätzliche Dienstleistungen und Auslagen, beispielsweise für Rosenkisten oder das Futter des Wolfshundes. Offenbar war ein Wachhund notwendig. Wie der Gärtner an den Oberhofmarschallstab gemeldet hat, kam es immer wieder zu unerwünschten Vorfällen, weil Fischer Besucher zur Insel brachten, die keine Erlaubnis hatten.

Mehr ist über das Inselleben der Familie Raunecker nicht verzeichnet, obwohl Wurm natürlich interessiert hätte, wie beispielsweise das Leben der Kinder ablief, wenn König Ludwig II. auf der Insel weilte. Wie mussten sie sich verhalten, mussten sie den menschenscheuen König mit Hofknicks begrüßen oder im Haus bleiben, um ihn nicht zu stören? Wie kam die neunköpfige Familie in dem beengten Gärtnerhäuschen zurecht, in dem ständig ein Zimmer für die Gäste des Königs freigehalten werden musste? Diese Fragen würde Wurm heute ihrer längst verstorbenen Großmutter stellen. "Das wahre Interesse kommt oft erst, wenn die Leute schon gestorben sind", bedauert sie.

Das 57-seitige Büchlein mit ausführlichem Quellenverzeichnis kann bei Wurm, E-Mail G.Wurm@web.de, erworben werden.

© SZ vom 01.10.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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