Das Unesco-Weltkulturerbe an der Roseninsel ist in höchster Gefahr. Wie neuere Forschungen unter Wasser ergeben haben, ist die Erosion an den prähistorischen Pfahlbauten weit fortgeschritten. Verantwortlich dafür sind vor allem Wellenbewegungen - ausgelöst durch scheinbar harmlosen Wassersport.
Um das jahrtausendealte wertvolle Zeugnis der Menschheitsgeschichte im Starnberger See besser zu schützen, hat die Bayerische Schlösser- und Seenverwaltung nun strengere Vorschriften erlassen. Demnach darf die Insel künftig nicht mehr mit Booten angefahren oder angeschwommen werden. Einzige Ausnahme: die Fähre, die Touristen auf die Insel bringt.
Es herrschen eisige Temperaturen, wenn Forschungstaucher wie der 42-jährige Mediziner Tobias Pflederer sich in einen Trockentauchanzug zwängen und in den See steigen. Ideale Bedingungen sind drei bis vier Grad Celsius im Wasser und Außentemperaturen unter dem Gefrierpunkt. Denn nur dann herrscht klare und bis zu zehn Meter weite Sicht. An fünf Tagen im Februar war Pflederer wieder mit zwei seiner Mittaucher im Starnberger See unterwegs. Sechs bis acht Tauchgänge pro Person hatten sie in einem etwa 13 Hektar großen Areal zu absolvieren.
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Experten stellen sich gegen zahlreiche Widrigkeiten und haben schon so manchen Kulturschatz gerettet - und das, obwohl Denkmäler heutzutage oft nur als finanzielle Last betrachtet werden.
Mit Kompass und Maßband steuerten sie die insgesamt 174 Erosionsmarker am Grund des Sees an der Roseninsel an. Ihre Aufgabe war es, den Fortschritt der Zerstörung festzustellen. "Monitoring" heißt die wissenschaftliche Methode, mit der seit 2014 der Zustand der mehr als 5000 Jahre alten Pfahlbauten im Flachwasserbereich an der Roseninsel untersucht und dokumentiert wird. Auch diesmal scheint das Ergebnis alles andere als erfreulich zu sein.
Auch wenn keine genauen Angaben dazu zu erhalten sind, ist dem Vernehmen nach die Erosion erneut um einige Zentimeter weiter fortgeschritten. Das klingt für den Laien nach wenig, für den Erhalt des sensiblen Schatzes der Menschheitsgeschichte im See ist dieses Ergebnis fatal. Einzigartig beispielsweise sind dort die eisenzeitlichen Palisaden und Schwellrahmenkonstruktionen, die an der Nordostspitze der Insel entdeckt wurden und aus der Mitte des ersten Jahrtausends vor Christus stammen. Diese, aber auch viele andere bedeutende Funde im Umgriff der Insel würden durch weitere Freizeitaktivitäten schlichtweg zerstört. Jeder Schritt im seichten Uferbereich, jede noch so kleine Wellenschlag trage dazu bei, hatte auch Pflederer stets erklärt.
Bislang hatte die Seenverwaltung, das Denkmal- sowie für diesen Bereich zuständige Landratsamt Starnberg lediglich an die Vernunft der Menschen appelliert. Es wurden Informationsflyer verteilt und in den vergangenen zwei Jahren insgesamt neun roten Signalbojen mit entsprechenden Hinweisschildern in die schutzwürdige Bereiche an der Insel gesetzt.
Ohne Erfolg blieben diese Aktionen wohl auch nicht. Sämtliche zuständigen Behörden und Institutionen bescheinigen den Freizeitsportlern bereits eine wachsende Sensibilität im Umgang mit dem wertvollen Gut unter Wasser. Dennoch besteht dringender Handlungsbedarf. Pflederer schätzt, dass der Schatz im See, der seit 2011 unter dem Schutz der Unesco steht, in fünf, sechs Jahren unwiederbringlich verloren sein könnte. "Bis dahin muss etwas geschehen sein."
Ein Anfang ist gemacht. Die Seen- und Schlösserverwaltung hat in Abstimmung mit allen Beteiligten die Wintermonate dafür genutzt, die Vorschriften für die Insel zu verschärfen. Bislang hatten die Kastellane dort regelmäßige Kontrollgänge absolviert. Waren sie auf Schwimmer oder Bootsfahrer getroffen, die an der Insel anlegten, hatten sie an deren Vernunft appelliert und über die Pfahlbauten aufgeklärt. 2017 hatten sie dann auf ein Badeverbot hingewiesen. Dies entbehrte aber jeglicher rechtlicher Grundlage.
Nun gelten zumindest strengere Regeln auf der Insel. So dürfen die geschützten Bereiche, im Nordosten und Westen, nicht mehr durchfahren, durchschwommen oder betreten werden. Die Besucher sind angehalten, auf die Insel nur mit den regulären Fähren zu gelangen. Diese verkehren auf einer Strecke jenseits der Pfahlbauten. Kanus, Kajaks oder Sup-Bretter dürfen nicht mehr auf die Grünflächen der Insel gezogen,Geräte- oder Ballsport nicht mehr ausgeübt werden. Damit soll quasi durch die Hintertür, Erholungssuchenden die Lust genommen werden, die Roseninsel mit einem Badegelände zu verwechseln.
Bußgelder können aber bei Regelverstößen nicht verhängt werden. Dies bedürfte einer Verordnung des Landratsamts. Dieses hatte aber einen solchen Schritt bisher abgelehnt. Man setze auf die wachsende Einsicht der Menschen, wie Sprecher Stefan Diebl sagte: "Außerdem: Wer sollte die Umsetzung der Verordnung überwachen?"