Ortsgeschichte:„Durch die Bücher war ich immer mit dem See verbunden“

Lesezeit: 3 Min.

Im Wintergarten seiner Starnberger Wohnung präsentiert Heimatforscher und Sammler Roland Gröber Teile seiner Sammlung über den Starnberger See.
Im Wintergarten seiner Starnberger Wohnung präsentiert Heimatforscher und Sammler Roland Gröber Teile seiner Sammlung über den Starnberger See. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Roland Gröber lebt seit 56 Jahren in Leverkusen. Dennoch gilt der gebürtige Starnberger als bedeutender Heimatforscher. Besuch bei einem Wahl-Rheinländer auf Stippvisite und seinem Fundus.

Von Sabine Bader, Starnberg

Heimweh kommt meist schleichend. Mal nimmt man einen Geruch wahr, der einen an zu Hause erinnert, mal sind es ein paar Takte Musik, eine Farbe, eine besondere Landschaft oder Wolkenstimmung. Bei Roland Gröber sind es Bücher. „Ich bin ein Büchernarr“, sagt er über sich selbst und gibt zu: „Ich komme an keiner Buchhandlung vorbei.“ Besonders die Literatur über den Starnberger See hat es ihm angetan und zum Sammeln animiert. Diese Leidenschaft eröffnete ihm die Möglichkeit, aus dem fernen Leverkusen, in dem er seit 56 Jahren mit seiner Familie lebt, die Verbindung zum Starnberger See zu halten - und damit auch zu seiner Heimatstadt Starnberg. „Ich war körperlich nicht immer da, aber durch die Bücher war ich immer mit dem See verbunden“, sagt er.

Ein Treffen im Wintergarten seiner Starnberger Wohnung. Vor sich hat Gröber seine Postkartensammlung und Unterlagen zur Fischerei auf einem Tisch sortiert. 467 Kilometer liegen zwischen der ersten und der zweiten Heimat von Roland Gröber. Hier der glitzernde See, dort die alte Industriestadt. Seine Frau war es, die Gröber zurück in ihre Heimat nach Nordrhein-Westfalen lotste. Von Heimweh möchte Gröber nicht sprechen, eher ist das, was ihn an die Heimat bindet, eine Art Sehnsucht nach dem See. In Starnberg ist der heute 84-Jährige zur Welt gekommen, er hat seine Schulzeit, Kindheit und Jugend dort verbracht. Von seinem Ururgroßvater stammt das sogenannte Lochmann-Haus, das älteste noch erhaltene Fischerhaus in der Kreisstadt, das heute den historischen Teil des Museums Starnberger See bildet.

Kein Wunder also, dass sich Gröber dem Museum wie auch der Stadt sehr verbunden fühlt. Mehrmals im Jahr besucht er Starnberg gemeinsam mit seiner Frau Ingrid. Oft sind es nur kurze Aufenthalte auf dem Weg nach Südtirol, wo das Ehepaar gerne Urlaub macht. Bei jenen kurzen Starnberg-Trips schlendert er durch die Stadt, am Museum vorbei auf die Seepromenade und durchkämmt dort den einen oder anderen Ständer mit Ansichtskarten, immer in der Hoffnung, eine kleine Besonderheit zu entdecken.

Dabei kann Gröber bereits mit einer Ansichtskartensammlung über den Starnberger See aufwarten, die ihresgleichen sucht: etwa 4000 Exponate umfasst sie. Um so viele unterschiedliche Kartenansichten vom See und den historischen Sehenswürdigkeiten am Ufer zu ergattern, besuchte er große Tauschbörsen in Köln und Düsseldorf. Für ihn war das Sammeln „ein Stück Heimatverbundenheit“, sagt der Diplomingenieur. Ist man wie Gröber in Starnberg geboren und blickt in Urlaubsstimmung von der Promenade aus über den See, mag einen das Gefühl beschleichen, das Schicksal habe es, was den Geburtsort angeht, recht gut mit einem gemeint.

Diese historische Postkarte aus der Sammlung Gröber stammt aus dem Jahr 1884. Auf ihr sind die wichtigsten Sehenswürdigkeiten am See vereint.
Diese historische Postkarte aus der Sammlung Gröber stammt aus dem Jahr 1884. Auf ihr sind die wichtigsten Sehenswürdigkeiten am See vereint. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Szenenwechsel. In einem Nebengebäude des Starnberger Rathauses beugt sich Archivar Christoph Aschermann über einen weiteren Karton mit Dokumenten, die ihm Gröber vor wenigen Tagen übergeben hat. Die Mitarbeiter des Starnberger Stadtarchivs haben bereits 14 Kartons mit Unterlagen über den See entgegengenommen; jedem davon liegt eine genaue Bestandsliste bei. Wann immer Gröber in den vergangenen Jahren mit seiner Frau, die ihn liebevoll ihren „Beute-Bayern“ nennt, nach Starnberg fuhr, hatte er eine oder mehrere Kisten im Kofferraum seines Wagens dabei.

Für Archivar Aschermann zählt Gröber zu den „bedeutenden Heimatforschern im Landkreis; vor allem, wenn es um den Starnberger See geht“. Kistenweise hat er Literatur, Dokumente, Urkunden, Aufsätze, Zeitungsausschnitte und Bilder gesammelt. Besonders groß ist die Fülle an Material zu den Themen Schifffahrt und Fischerei. Mit seinem fundierten Wissen über die Fischwirtschaft am See könnte er spontan eine abendfüllende Unterhaltung bestreiten. Für ihn ist das ein zentrales Thema, denn vom Fischfang lebten und leben Menschen am Ufer.

Archivar Christoph Aschermann begutachtet die Dokumente, die Roland Gröber dem Stadtarchiv übergeben hat.
Archivar Christoph Aschermann begutachtet die Dokumente, die Roland Gröber dem Stadtarchiv übergeben hat. (Foto: Georgine Treybal)
Unterlagen zum Thema Fischerei am See hat der Heimatforscher und Sammler Roland Gröber dem Starnberger Stadtarchiv übergeben.
Unterlagen zum Thema Fischerei am See hat der Heimatforscher und Sammler Roland Gröber dem Starnberger Stadtarchiv übergeben. (Foto: Georgine Treybal)

Gröber begeistert auch das alte Fischer-Handwerk, das heute noch ausgeübt wird. „Ich könnte Ihnen einen einstündigen Vortrag über ein Netz halten“, sagt er und meint damit ein gängiges und auf seine Art doch recht kunstvolles Fischernetz, wie es seine Vorfahren hergestellt und verwendet haben. Wer Gröber zuhört, wie er von seinen Vorfahren und deren Arbeit erzählt, glaubt gerne, dass dies ein interessanter Vortrag werden würde. Dass sich mit den von Gröber zusammengetragenen Dokumenten und Unterlagen gut arbeiten lässt, haben in der vergangenen Woche Starnberger Gymnasiasten bewiesen, die sich im Rahmen ihrer Wissenschaftswoche unter anderem mit der Geschichte der Fischerei am See befassten.

„Herr Gröber hat uns eine riesige Dokumentation hinterlassen“, sagt Aschermann. Beachtlich findet er auch die Sammlungen von Zeitungsausschnitten zu historischen Persönlichkeiten, die am See gelebt haben, wie der Berger Schriftsteller Oskar Maria Graf, der Dichter und Zeichner Franz von Pocci, die Wittelsbacher oder Kaiserin Elisabeth.

Für Aschermann eignet sich das Material vor allem für Forschungszwecke. Schon, weil die Unterlagen nach seinem Dafürhalten „sehr wohlgeordnet“ sind. Es wäre ein erheblicher Aufwand, diese Vielzahl an Dokumenten aus dem Staatsarchiv und an Büchern so konsequent zusammenzutragen, zumal einige von ihnen auf dem Markt gar nicht einfach zu beschaffen seien, weiß Aschermann. „Herr Gröber hat ganz gezielt gesammelt. Für uns ist das ein Riesenglück“, sagt er. Forschern würde ihre Arbeit so erheblich erleichtert: „Er hat uns alles auf dem Silbertablett serviert.“

Gröber ist es ein Anliegen, seine Sammlung im Stadtarchiv „in sicheren Händen“ zu wissen. Seine Söhne hätten kein Interesse daran und keinen Bezug zu Starnberg. Geld möchte er für die Unterlagen nicht. „Ich will schließlich kein Geschäft daraus machen“, sagt der Hobby-Historiker. Offen ist noch, was mit seiner Ansichtskartensammlung geschieht. „Das wird sich finden“, sagt er. Das klingt, als hätte er schon eine Idee, die er aber noch nicht preisgeben möchte.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

An Starnberger See und Ammersee
:Nach zwei Pannenjahren: Seenschifffahrt hofft auf ruhige Saison

Die Bayerische Seenschifffahrt hofft nach zwei Horrorjahren auf eine Saison ohne Hochwasser und technische Probleme. Das Frühjahr bringt bereits schönes Wetter. Trotzdem startet auf dem Starnberger See und dem Ammersee der Betrieb erst am 20. April.

Von Linus Freymark

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: