Georg Ringsgwandl in Krailling:Hinterfotzige Wahrheiten des grauen Mannes

Krailling: Kultart Schorsch Ringsgwandl & Band

Genießt seit Jahrzehnten Kultstatus: Georg Ringsgwandl, der einst eine aussichtsreiche Karriere als Arzt ausschlug, und seine Band in Krailling.

(Foto: Nila Thiel)

Der Musiker eröffnet das vorerst letzte Kult-Art-Festival. Auf dem Programm stehen Songs, bei denen der 70-Jährige seinen Mitmenschen aufs Maul schaut und seine Erkenntnisse dann in bairisch-bissigen Texten verarbeitet.

Von Blanche Mamer

Mit einem furiosen Konzert mit Georg Ringsgwandl und Band ist am Freitag das Kraillinger Kult-Art eröffnet worden. Ungeduldig vom Publikum erwartet - acht Uhr und noch kein Musiker auf der Bühne -, da meinen Einige klatschen zu müssen. Doch erst mal betritt Kraillings neuer Bürgermeister Rudolph Haux die Bühne, wünscht einen schönen Abend und dass das Fest gelingen möge. Denn nächstes Jahr muss pausiert werden, die Gemeinde muss sparen, kann sich angeblich nicht jedes Jahr so eine Kulturveranstaltung leisten. Und dann: der Star des Abends, Georg Ringsgwandl, grauer Anzug, grauer Hut, weißgraue Haare, gelbes Hemd. Ein grauer Mann. Doch das täuscht: Er ist voll Elan, mit blitzenden Augen fixiert er das Publikum, als wollte er diejenigen ausmachen, die ihn herbeizitiert haben.

"Klasse, dass Krailling einen FDP-Bürgermeister hat", beginnt er mit nettem Geplauder zum Aufwärmen. Lokale Reminiszenzen sind immer gern gehört. Bevor er die "Kraillinger Stubnmusitage", wie er sagt, eröffnen kann, muss er seine Zither stimmen. Irgendwie haben sich Saiten verheddert. "Ja, die Zither", sinniert er. Das erste Instrument, das er gelernt hat, hat so viele Saiten! Für die Schüler wie zehn spanische Folterkeller. Doch er hatte keine Chance, als Bub, damals im Scherbenviertel von Bad Reichenhall, wo er aufgewachsen ist.

Er habe so wahnsinnig gute Musiker, sagt er. Christian Diener, der Ingolstädter, spielt Bass und Keyboard, am Schlagzeug Tommy Baldu aus Karlsruhe, der bis zum Hindukusch getourt ist, und der Jüngste, Daniel Stelter aus Ingelheim, schon fast Frankreich, "der beste Gitarrist in ganz Deutschland, Österreich und der Schweiz und der beste Mandolinenspieler der ganzen EU", sagt Ringsgwandl. Immer wieder im Lauf des Abends wird er Daniel in höchsten Tönen loben. "Wir spielen nur ein paar alte Sachen", sagt er. Doch auch ein paar neuere. Es wird ein kultiger Abend.

Es dauert nicht lang, und der eigenwillige und exotischste unter Bayerns Musikkabarettisten hat alle in der Tasche. Sind es die irrsinnig gut gespielten Stücke, die hinterfotzigen Texte, die doch immer so nah an der Wahrheit sind, oder ist es dieser außergewöhnliche Typ an sich, der mal wie eine ältliche Ballerina, wie ein lahmer Pinguin oder wie ein zackiger Rock'n'Roller über die Bühne schwirrt. Dass er im letzten November schon 70 Jahre alt wurde, merkt man ihm jedenfalls nicht an. Dass er in seinem früheren Leben Oberarzt der Intensivstation des Garmischer Krankenhauses war und ihm sogar der Chefarztposten angeboten worden war, ist ebenfalls weit entfernt und lange her. Den Entschluss, die Medizin an den Nagel zu hängen, hat er nicht bereut.

Nun schaut Ringsgwandl seinen Mitmenschen schon seit Jahrzehnten aufs Maul, fasst seine scharfen Beobachtungen und teils bissigen, teils melancholischen Texte in gut verständlichem Bairisch und passenden Klängen. Singt diese verrückten Songs von der Politesse "Vrone in der verkehrsberuhigten Zone" oder von der unbekannten verrückten Frau, die in der Raststätte Frankenthal an der A 9 den Schlagzeuger der Band anmacht und, na ja, begrapscht. Das sei wahr, so sei es tatsächlich gewesen. In Frankenthal habe er seither nie mehr Rast gemacht, sagt er.

Stücke wie "Des Dorf muss schiacha wern" oder "Nix mitnehma" verbinden aktuelles wie nachdenklichem, klingen moritatig oder bluesig. Und dann nach der Pause: Ein Geräusch aus der Luft, das die meisten erst hören, als er es erwähnt. "So klingt der Helikopter von Söder, oder?" Nach jedem Song verneigt er sich mit schönem Schwung und einem kleinen Hupfer. Zwei Zugaben bekommen die "Folks of Krailling and the surrounding borders". Wobei allerdings auch Menschen aus dem entfernteren Bayern angereist sind, aus Rosenheim zum Beispiel, Murnau und Garmisch, und klar - auch aus München. Auch Ex-Bürgermeisterin Christine Borst ist gekommen. "Der Mann ist so cool", findet eine Jugendliche, "unvergleichlich gut." Ja, womöglich hat sie recht damit.

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