Kontrollzentrum Oberpfaffenhofen:Applaus für die Astronauten

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Als die Sojus-Kapsel mit Alexander Gerst und seinen beiden Begleitern am Mittwoch den Orbit erreicht, klatschen die Wissenschaftler und Beobachter im Kontrollzentrum Oberpfaffenhofen Beifall. Die eigentliche Arbeit für sie beginnt am Freitag.

Von Astrid Becker, Oberpfaffenhofen

Es ist die 525. Sekunde. Gebannt starren die Menschen im Kontrollzentrum des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Oberpfaffenhofen auf die vielen Bildschirme, die hier hängen. Dem ehemaligen Astronauten Gerhard Thiele obliegt es, den Start der Sojus-Kapsel zu kommentieren.

Doch so recht kann er sich nicht auf die Fragen konzentrieren, die ihm vor laufender Kamera gestellt werden. Über Funk bekommt er aktuelle Information aus Baikonur in Kasachstan, doch auch diesen kann er nicht recht folgen. Er wartet, dass die Zeit vergeht - bis zur 525. Sekunde nach dem Abheben der Kapsel. Dann sind beide Zündstufen der Rakete abgekoppelt, und es herrscht die Gewissheit: Alexander Gerst und seine beiden Mitstreiter, der Russe Sergej Prokopjew und die US-Amerikanerin Serena Auñón-Chancellor, haben den Orbit in etwa 200 Kilometern Höhe sicher erreicht, der Start der drei auf dem Weg zur internationalen Raumstation ISS ist also geglückt.

Bis Freitag werden die Astronauten in der Raumkapsel sitzen, eingepfercht zwischen Gepäck, Fracht und Gerätschaften. Eng ist es, das ist auch von Oberpfaffenhofen aus genau zu sehen. Man muss sich gut verstehen, um die vielen Stunden in der Kapsel und später die gut sechs Monate in der 110 Meter mal 100 Meter mal 30 Meter großen Raumstation auszuhalten. Doch die Astronauten wurden darauf trainiert: So wurden sie drei Tage in der Wüste ausgesetzt, "mit nichts", wie der ESA-Missionsdirektor Roland Luettgens erzählt. Sie mussten sich auf die Suche nach Wasser begeben und auch sonst schauen, wie sie zurechtkommen. Auch miteinander.

Luettgens wirkt erleichtert, während er das erzählt. Ebenso wie Thiele, der nach der berühmten 525. Sekunde wieder in Plauderlaune ist. Die vielen Gäste, darunter auch Landrat Karl Roth, Medienvertreter, Wissenschaftler und Mitarbeiter des DLR, die den Start der Mission "Horizons", wie sie offiziell heißt, an diesem Tag von Oberpfaffenhofen aus beobachten, klatschen begeistert Beifall, nachdem die entscheidende Sekunde angebrochen ist.

Auch Marius Bach, Flugdirektor im hiesigen Columbus-Kontrollzentrum, wirkt nicht mehr so angespannt wie vor dem Start. Seine Aufgabe ist es, zusammen mit seinen etwa 50 Mitarbeitern rund um die Uhr für den Komfort und die Sicherheit der Astronauten zu sorgen und ihre Arbeitstage genau zu planen. Natürlich stünden die Pläne dafür bereits seit Monaten fest, aber so richtig ernst werde es damit erst von Freitag an, sagt er.

Etwa um 17 Uhr soll dann die Sojus-Kapsel nach 34 Erdumrundungen an die ISS andocken. Ein waghalsiges Manöver, geschieht dies doch bei einer Geschwindigkeit von 28 000 Stundenkilometern. Zudem drehe sich dabei die Kapsel auch noch um sich selbst, hatte Gerst zuvor in Interviews erzählt.

Normalerweise, so sagt auch Bach, gehe dies allerdings quasi automatisch. Nur sollte irgendetwas dabei schiefgehen, muss Gerst eigenhändig das Manöver ausführen. "Das wird schon noch einmal ein besonderer Moment", meint er. Seit einem Jahr sind er und sein Team schon mit dieser Mission betraut, dabei beginnt die eigentliche Arbeit für sie erst am Freitag.

Dann werden sie täglich zwei Mal, immer morgens und abends, alle Abläufe mit den Astronauten durchsprechen. Etwa eine Viertelstunde pro Woche ist allerdings allein für Gerst reserviert. Dabei werden die etwa 300 Experimente noch einmal genau abgestimmt, die der Geophysiker und Astronaut Gerst bis Dezember im etwa 30 Quadratmeter großen Columbus-Forschungslabor auf der ISS zu absolvieren hat - etwa auf medizinischem Gebiet oder auch in Robotik.

Ein größeres sollte bereits nächste Woche starten. Doch bereits jetzt mussten Bach und seine Mitarbeiter am Stundenplan schrauben. Die Nasa setzte einen Außeneinsatz ihres Astronauten auf den Terminplan. Unmöglich ohne die Hilfe von Gerst. Flexibilität ist also unerlässlich - offenbar nicht nur im All, sondern auch in Oberpfaffenhofen.

© SZ vom 07.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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