Raubmord in Meiling:Dorfgemeinschaft unter Schock

Raubmord in Meiling: Bislang hat die Polizei 40 Hinweise auf die Täter aus der Bevölkerung erhalten.

Bislang hat die Polizei 40 Hinweise auf die Täter aus der Bevölkerung erhalten.

(Foto: Arlet Ulfers)

"Ich begreife nicht, wie man Menschen so zurichten kann": Nach dem brutalen Raubüberfall auf ein Rentnerpaar in Meiling haben die Bürger jetzt Angst um ihre Sicherheit.

Report von Christian Deussing, Meiling

Die ältere Frau pflegt ein Grab hinter der Friedhofsmauer an der St. Margaretha-Kirche in Meiling. "Ich begreife nicht, wie man Menschen so zurichten kann", sagte sie. Es sei furchterregend, was hier vor wenigen Tagen geschehen ist. Sie gehe nicht mehr in der Dunkelheit aus dem Haus und sperre jetzt immer alles ab.

So vorsichtig sind jetzt fast alle Dorfbewohner. Die Angst geht um. Noch vor kurzem hatte die Rentnerin das Opfer des Verbrechens als Mesner im Gottesdienst gesehen. Nun wird der 72-Jährige an diesem Samstag auf dem selben Friedhof bestattet. 500 Besucher werden erwartet, Lautsprecher sollen die Trauerfeier nach draußen übertragen. Gedruckt sind 1000 Sterbebildchen.

Der langjährige Ex-Feuerwehrkommandant von Meiling ist am vergangenen Wochenende nach einem brutalen Raubüberfall schwer verletzt worden und eingesperrt in der engen Vorratskammer gestorben. Seine 67 Jahre alte Ehefrau überlebte mit erheblichen Verletzungen die Attacken; mehrere Täter hatten sie und ihren Mann in der Nacht zum 5. September vermutlich mit einem Knüppel oder einer Holzlatte traktiert. Die Unbekannten stahlen die Halskette der Frau, weiteren Schmuck, einige hundert Euro und die EC-Karten. "Die Einbrecher haben den Tod des Paares in Kauf genommen", sagt ein Meilinger. Leider hätten aber die Täter zwei Tage Vorsprung und einen idealen Fluchtweg wegen der nahen Staatsstraße gehabt.

40 Hinweise aus der Bevölkerung

Eine Sonderkommission der Kriminalpolizei geht jetzt auch 40 Hinweisen aus der Bevölkerung nach, die seit Montag eingegangen sind. Ein Anrufer aus Herrsching berichtete laut Polizei von einem Mann, der am Freitag, 4. September, darum bat, seinen Wasserkanister auffüllen zu dürfen. Eben mit dieser Masche hatte am selben Tag gegen 19 Uhr eine Person in Meiling geklingelt, wohl um das Anwesen der älteren Eheleute auszuspähen. Der Unbekannte von Herrsching sei so beschrieben worden wie der Mann vor dem Meilinger Haus, sagt ein Polizeisprecher.

Am anderen Ende des 200- Seelen-Dorfes ist der Gasthof "Sepperlwirt". Natürlich gibt es hier seit Tagen unter den Einheimischen nur das eine Thema. "Jetzt hoffen wir aber, dass bald wieder Ruhe einkehrt", meint die Juniorchefin. Sie glaubt, dass die Menschen in Meiling nach diesem schrecklichen Ereignis wieder enger zusammenrücken und auch "vorsichtiger" geworden sind.

Die Unruhe ist auch im nahen Seefeld zu spüren. Jeder kennt den Fall. Im Salon "Petra" sprechen die Kunden von ihren Ängsten, dass brutale Einbrecher auch in Seefeld irgendwann zuschlagen könnten. Eine Mitarbeiterin erzählt von einem Unbekannten mit Rucksack , der am Montag bei einem alten Mann geläutet habe. Im Wohnviertel Am Riedfeld sollen Autos mit auswärtigen Kennzeichen herumgefahren sein. Es wurde der Polizei gemeldet, die jedem Hinweis nachgeht.

Kaum zu vergleichen

Der Raubüberfall von Meiling auf ein älteres Ehepaar hat eine neue Schreckensdimension. Dieses brutale Vorgehen ist kaum mit anderen Fällen vergleichbar. Schon gar nicht mit dem Vorfall, der sich in den Achtzigerjahren im Lebensmittelgeschäft in Meiling abgespielt hat. Damals hatte die Inhaberin einen Einbrecher in die Flucht geschlagen, indem sie ihm rigoros eine Flasche auf den Kopf schlug. Die Geschäftsfrau war seinerzeit schon 75 Jahre alt gewesen.

Hans-Peter Kammerer, Sprecher des Polizeipräsidiums Oberbayern Nord, fühlt sich durch das Meilinger Verbrechen vor allem an den Mühlthal-Mord vom Juni 1999 erinnert. Nach einem Konzertbesuch in München war ein Rentnerehepaar an der S-Bahn-Station Mühlthal ausgestiegen, um zu seinem geparkten Auto zu gehen. Dort lauerten zwei Männer den beiden Starnbergern auf und brachten die 79-jährige Frau um. Ihr Mann überlebte schwer verletzt die brutalen Attacken. Die Täter hatten es auf den Wagen der Rentner abgesehen, womit sie flüchteten. Später wurden die Räuber verhaftet und wegen Mordes zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt.

Glimpflicher verlief ein Raubüberfall im April vorigen Jahres in Stockdorf. Dort war am helllichten Tag ein Mann in ein Einfamilienhaus eingestiegen und von der 85-jährigen Bewohnerin offenkundig überrascht worden. Laut Polizei stieß der Einbrecher die gehbehinderte Rentnerin zu Boden, durchsuchte das Haus und ließ die verletzte Witwe hilflos zurück. Zum Glück fand die Tochter bald darauf das Opfer. Auch beim Stockdorfer Fall gehen die Ermittler davon aus, dass zuvor das Anwesen ausgekundschaftet wurde. Der Täter ist noch flüchtig. deu

Ein Seefelder war montags auf der Staatsstraße nach Weßling am Tatort vorbeigefahren und hatte die weißen Overalls der Spurenermittler gesehen. "Ich wusste, da muss etwas Schlimmes passiert sein", erzählt der Mann. Dieses Gewaltpotenzial sei enorm, aber auch "dilettantisch", meint der 44-Jährige, er vermutet, dass die Täter "keine Zeugen haben wollten". Der Seefelder glaubt jedoch nicht an "osteuropäische Banden", was andere wiederum behaupten und dabei auf die Täterbeschreibung verweisen. Er könne sich eher vorstellen, dass diese "Kriminellen aus dem Drogenmilieu" stammen.

Eine Katastrophe

Auch eine Verkäuferin will nicht Osteuropäern oder anderen Ausländern gleich die Schuld in Schuhe schieben. Sie warnt vor "Vorverurteilungen", bevor die Täter überhaupt gefasst sind. Eine 75-jährige Frau geht in Seefeld der Einkaufsstraße entlang. Dieser Raubüberfall sei eine "Katastrophe", sie habe Angst. Auch ihre Familie in Hechendorf, die in einem etwas abseits liegenden Haus wohnt.

In Auing und Steinebach, nur zwei Kilometer von Meiling entfernt, sind die Einwohner ebenfalls alarmiert. Zum Beispiel ein Landwirt. Er vermutet, dass die Täter längst über die "offenen Grenzen entschwunden sind". Jedenfalls passe er jetzt noch genauer auf, ob unbekannte Leute sich "hier verdächtig im Ort umschauen", sagt der Mann. Eine Frau fährt auf ihrem Fahrrad vorbei. Das Verbrechen sei furchtbar, zudem noch neben seinem toten Partner so lange eingesperrt zu sein, sagt die 57-Jährige. Sie wolle aber nicht, dass man voreingenommen nur Tätergruppen mit bestimmter Herkunft im Visier hat. Das sei doch alles "spekulativ".

Erschüttert von dem tödlichen Raubüberfall in Meiling ist auch Seefelds Bürgermeister Wolfgang Gum. Er kannte die Opfer als "bodenständige, bescheidende, fleißige und gläubige Menschen". Es sei eine angesehene Familie in Meiling. Die Brutalität, mit der die Täter vorgingen, sei in der Region so bisher nicht bekannt gewesen, betont Gum. Das Opfer des Überfalls war bis zur Rente ein äußerst zuverlässiger und verdienstvoller Mitarbeiter im Kundendienst eines Elektrogeschäfts in Weßling gewesen. Auch in dieser Gemeinde sorgen sich Bürger um ihre Sicherheit.

Meiling Aubachtal

Das ruhige und idyllische Bild, was Meiling abgibt, können viele Einwohner des Dorfes nicht mehr nachfühlen.

(Foto: Georgine Treybal)
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