Wie sich Pascal Rösler verändert hat, kann man auch sehen. Die Haare sind gewachsen, der Bart auch. Er trägt eine Trekkinghose, dazu seine Lieblingsjacke, wie er sagt. Am Kragen ist sie schon zerrissen. Er mag nichts Neues kaufen, auch keine sogenannten fairen Produkte. "Da steckt ja auch der ganze Mist drin, der beim Waschen im Abwasser landet". Rösler meint das Mikroplastik und er erzählt, wie es in den Kläranlagen zwar größtenteils gelingt, die Partikel im Klärschlamm zu binden - doch wie dennoch täglich große Mengen hinaus in die Bäche, Flüsse und Gewässer fließen. Aus der Industrie, von den Straßen. Und das nur, weil sich aus Kostengründen nicht überall Maßnahmen zur Reinigung des abfließenden Wassers umsetzen lassen. Der 50-Jährige schüttelt den Kopf. "Wir tun so, als wäre die Natur eine Ressource, aus der wir unbegrenzt schöpfen können."
Der Herrschinger ist ausgestiegen aus dem Konsumwahnsinn und Aktionismus. Er hat vor sieben Jahren beschlossen, der Natur etwas zurückzugeben. Und das macht er konsequent. Ja klar, bei ihm stehen auch zwei Bildschirme auf dem Schreibtisch, er hat ein Auto, produziert täglich Müll. Doch seine Sinne sind geschärft, der gehypte Begriff der Achtsamkeit - er beschreibt Pascal Röslers Lebensstil recht zutreffend. Er arbeitet jeden Tag für den Schutz des Wassers und will, dass das Wasser in der Donau wieder Trinkwasserqualität hat. Seine Mission nennt er das. Man kann sich kaum vorstellen, dass dieser Mann noch vor wenigen Jahren morgens frisch rasiert mit Hemd und Krawatte für ein Finanzunternehmen in Meetings saß und vermögende Kunden beriet, wie sich ihr Reichtum ausbauen ließe.
Man bekommt eine Vorstellung von diesem Pascal Rösler, wenn man Bilder von ihm aus dem Jahr 2016 sieht: Da waren die Haare noch kurz und modern frisiert, insgesamt wirkte er angepasster. Sein Geist aber gehörte damals schon dem Wasser, wie er selbst sagt.
Rösler wurde in der Schweiz nahe dem Genfer See geboren, seine Eltern waren begeisterte Windsurfer. Auch er lernt es lieben, sich auf dem Brett über das Wasser tragen zu lassen. Zeit auf dem Wasser fühle sich für ihn an, "als drücke man den Reset-Knopf", sagt er. Er drückt ihn regelmäßig während seiner Banklehre in Ulm, des BWL-Studiums in Augsburg und im Job als Finanzberater - doch immer seltener. Er arbeitet von früh bis spät. Als er 40 Jahre ist, hat er ein jährliches Nettoeinkommen von 170 000 Euro, dazu gibt es 80 000 Euro Bonus. Doch da ist eine Leere in seinem Leben. "Durch das viele Arbeiten hatte ich die Bindung zur Natur verloren", erzählt er. Pascal Rösler steigt aus dem Unternehmen aus - und gründet seine eigene Agentur. Er will die Freiheit haben, mittags auch mal an die Isar zu radeln oder zum Surfen oder für eine Runde auf dem Stand-up-Paddleboard (SUP) an den Starnberger See zu fahren. Inspiriert hatten ihn unter anderem Rilke und "Lasst die Mitarbeiter surfen gehen!" von Patagonia-Gründer Yvon Chouinard.
2016 bei einer SUP-Runde auf dem Starnberger See wird ihm klar, welch große Bedeutung Wasser für das Leben der Menschen hat. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er in all den vielen Jahren, die er als Windsurfer und Stand-up-Paddler auf dem Wasser verbrachte, diese ganz besondere Verbindung nicht gespürt. Jetzt will er etwas tun. Noch auf dem Wasser fasst er den Entschluss, Verantwortung für das Wasser zu übernehmen. Seine Idee: Mit dem SUP entlang der Isar und der Donau von München nach Wien fahren und für jeden zurückgelegten Flusskilometer Spenden für ein Wasserschutz-Projekt sammeln. Zwölf Tage dauert seine Spendenfahrt im Juli 2016, 8500 Euro kommen zusammen. Im Jahr darauf erhöht er den Einsatz und paddelt in 63 Tagen von München ans Schwarze Meer. Über seine Reise entstand der Dokumentarfilm "2467 km -Eine Reise ans Schwarze Meer". Er tritt damit in die Fußstapfen seines Großvaters, wie sich später herausstellen sollte. Der Unternehmer und Naturliebhaber war 1929 in einem Faltboot von Dillingen nach Wien gepaddelt und später mit dem kompletten Dillinger Stadtrat über die Donau von Passau bis ans Schwarze Meer gefahren. "Die Herausforderung war mehr mental als körperlich", sagte er hinterher, und spricht von seinem persönlichen Jakobsweg auf dem Wasser.
2018 erkundet Rösler über knapp 230 Kilometer die Salzach von der Quelle bis zur Mündung. Er sorgt für Aufsehen, bekommt viel Aufmerksamkeit in der Presse. Doch er will auch andere für das Wasser begeistern, generationenübergreifend. Nicht umsonst heißt der von ihm gegründete Verein "Pure Water for Generations".
So entstehen die sogenannten Wassertage an Schulen. Rösler und seine Helfer besuchen Schulklassen, zeigen ihren Film und vermitteln dann an vier Stationen ihre Botschaft: Jeder kann etwas gegen die Verschmutzung der Flüsse, Seen und Meere tun. Die Jugendlichen sammeln Müll, werden kreativ und nehmen die Natur wahr. Und natürlich kommen sie auch aufs Wasser: Im Keller von Rösler lagern mehr als 60 SUPs, Schwimmwesten, Paddel und allerhand mehr. Im ersten Jahr machen 250 Schülerinnen und Schüler mit, 2023 fanden in Deutschland und Österreich 101 Wassertage mit mehr als 5000 Jugendlichen statt. Rösler merkt: Das funktioniert. Er organisiert Sponsoren und deutschlandweit Projektteams - ein Vollzeitjob, für den er seit diesem Jahr auch finanziell entlohnt wird.
Denn da ist auch noch das Donau-Projekt: Bis 2042 soll das Wasser der Donau wieder Trinkwasserqualität haben. Rösler arbeitet dafür gemeinsam mit der Juristin Franziska Johanna Albrecht von "Green Legal Impact" daran, dass die Donau eigene Rechte bekommt. Ein "Donau-Memorandum" soll helfen, Geschichte und Wünsche des Flusses zu formulieren und die juristische Umsetzung darzulegen. Gleichzeitig gilt es 82 Millionen Menschen, die im Donau-Raum leben, von der Idee zu überzeugen und "zehn Länder abzuholen", wie Rösler es formuliert. Keine leichte Nummer, das weiß Rösler. Damit die Qualität des Wassers für jeden festzustellen ist, hat er eine App initiiert, die Wasserproben am Smartphone analysiert und einordnet - dafür braucht es lediglich einen Sensor, den man am Telefon befestigt. Der Wunsch nach sauberem Wasser - er muss von den Menschen kommen.
Ob Rösler glaubt, sein Ziel erreichen zu können? "Wir erreichen sehr viele Menschen mit unserem Anliegen", sagt er. Das zählt für ihn. Er will nicht kämpfen, auch kein Aktivist sein. Er will seine Zeit einfach nur sinnvoll nutzen. Und im Flow bleiben: "Ich vertraue dem Fluss des Lebens", sagt er.
Pascal Rösler ist am Mittwoch, 29. November, um 19.30 Uhr im Craft Bräu in Dießen zu Gast und wird über seine Ideen und Projekte sprechen. Der Eintritt ist frei. Am Montag, 29. Januar 2024, läuft der Film "2467 km - eine Reise bis ins Schwarze Meer" um 19 Uhr im Breitwand Kino in Seefeld.