Rapper bringen Pädagogen Hip-Hop bei:Wenn Lehrer mit dem Popo wackeln

Sie üben Reimen, tanzen und formulieren Hashtags: Die Band "Einshoch6" tourt mit einem Workshop um die Welt, um Schwung in den Unterricht zu bringen.

Von Ana Genz, Dießen

Elf Lehrer tuscheln, kichern und arbeiten fleißig in Gruppen zusammen. Heute sind sie die Schüler. Ihre Aufgabe ist, ein Musikvideo zu dem Rapsong "Pack es an" der Band Einshoch6 zu gestalten. Auf einem Arbeitsblatt werden verschiedene Ideen durchgespielt, von einem Banküberfall bis zu einem Schnösel, der sich zu einem Typen in Jeans verändert. "Eine Verwandlung wie in Transformers" schlägt Andrea Schmitt von der Carl-Orff-Schule Dießen vor. Ein weiteres Szenario spielt in einer Parallelwelt auf dem Mond.

Dießen Musikschule,Hip Hop

Lehrer beim Rappen: Sebastian Högl (rechts) gibt beim Workshop alles.

(Foto: Georgine Treybal)

Der Rapper und Beatboxer Kurt Achatz ist begeistert und meint schmunzelnd "Die Idee muss ich mir gleich...". Dann bricht er mitten im Satz ab und sorgt für einen Lacher. Lehrer aus dem Landkreis Starnberg und aus München können bei dem Workshop lernen, wie sie Hip-Hop im Unterricht einbauen, nicht nur in Musik, sondern beispielsweise auch in Deutsch, Geschichte oder Sozialkunde. Das ungewöhnliche Projekt der Münchner Rapband Einshoch6 ist in Zusammenarbeit mit der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit entstanden. Seit sich die Germanistin Shirin Kasraeian im Jahr 2013 der Band angeschlossen hat, beschäftigen sich die Musiker mit der Frage, wie man den Deutschunterricht mit Musik einfacher machen könnte. Mit einem Bandtagebuch und Übungen auf ihrer Website begeisterten sie Deutschlerner auf der ganzen Welt. Seit 2013 ist Einshoch6 auf Tournee. Die Band waren schon in 20 verschieden Ländern, darunter in den USA, Indien oder Burkina Faso. Als nächstes stehen Rumänien und die Ukraine an. In Äthiopien hat die Band mit Kindern einen Song geschrieben und ist danach vor der ganzen Schule aufgetreten. "Das erstaunliche war, dass unser Programm überall ankam. Egal ob in Russland oder in Indonesien", erzählt Achatz.

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Beim abschließenden Konzert begeistert die Band "Einshoch6" die jungen Zuhörer.

(Foto: Georgine Treybal)

In Bayern kam das Programm auch gut an, die Landeszentrale bat die Band um einen Rapsong und um Unterrichtsmaterialien für Lehrer. Ziel sei es, die Schüler zu Engagement und Sozialcourage zu motivieren. Die Zusammenarbeit lief gut, und so wurde die Band zusätzlich für fünf Workshops mit anschließenden Konzerten angeheuert. Kasraeian und Achatz finden es schön, dass die Band so direkt etwas bewirken kann. "Lehrer spielen für Partizipation eine wichtige Rolle, welche uns auch ein großes Anliegen ist. Unser Ansatz ist Train the Trainer", erklärt Kasraeian. Der coole Rap stehe im Vordergrund und nicht ein erzieherischer Aspekt, betont auch Achatz.

Es ist erst der zweite Workshop der Reihe, der in Dießen stattfindet. Zu Beginn sollen sich die Lehrer einen Titel für ein Liebeslied überlegen anhand von einem Lückentext reimen. Dann geht es ans "Dissen", also daran, den anderen respektlos zu behandeln und schlecht zu machen. Der Rapper stellt sich selbst als Barometer zu Verfügung. Je nachdem wie sehr ihn eine Beleidigung von einem Teilnehmern trifft, sinkt er in sich zusammen. Wenig berührt ihn der Kommentar "Rappen ist für Deppen", doch als seine Adidas-Schuhe kritisiert werden, geht er in die Knie. Dann geht es daran, den Rapper wieder aufzubauen. In der Übung soll den Lehrern klar werden, wie viel einfach es ist, jemanden fertig zu machen, als ihn aufzubauen. Zerstören sei keine Kunst, sondern das Aufbauen. Bei der nächsten Übung sollen Lehrer Instagrambeiträge verfassen. Der positivste Spruch mit dem besten Hashtag gewinnt. Der Gewinner wird über das Prinzip des "Liken" ausgewählt; dazu werden Papier-Daumen verteilt. Sich selbst zu liken sei uncool, erklärt Kasraeian denjenigen, die keine Facebook-Erfahrung haben. Wichtig sei es, die sozialen Medien nicht einfach aus der Schule zu verbannen, sondern sie sinnvoll in den Unterricht einzubauen, glaubt sie. Schüler könnten zum Beispiel ein Tutorial drehen, um zu zeigen, was ihre Stärken sind. Danach sollen die Lehrer den Song tänzerisch darstellen. Dabei lassen ihre Hüften kreisen, wackeln beim Refrain mit dem Hintern, ballen ihre Fäuste, zeigen ihren Bizeps oder machen Rapgesten. "Ich bin richtig beflügelt", meint Ursula Brem von der Realschule in Dießen. "Toll ist auch das ganze Übungsmaterial, das kostenfrei auf der Webseite der Band zu Verfügung steht", meint Anna Kutzner aus der Realschule in Germering. Mental sei sie schon am Unterricht vorbereiten. Richtig motiviert ist auch Benjamin Kottmair, denn er möchte ein größeres Hip-Hop-Projekt an der Montessori-Schule Biberkor anpacken.

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