Raisting:Störche stören Stromfluss

Storch in Raisting

Störche versuchen in Raisting manchmal sogar, ein Nest auf einem Strommast zu bauen.

(Foto: oh)

Die Kolonie am Südufer des Ammersees ist weiter gewachsen und wird von Nachzüglern belagert. Mit ihrem Kot erzeugten die Vögel jedoch Kurzschlüsse an der Hochspannungsleitung, jetzt rüstet der Netzbetreiber nach

Von Armin Greune, Raisting

Nur noch vereinzelt sind Weißstörche auf den Wiesen am Südende des Ammersees anzutreffen, die meisten haben bereits den Zug zu den Winterquartieren angetreten. Die Raistinger Population ist auch 2015 weiter angewachsen: Mit insgesamt neun flügge gewordenen Jungvögeln war es das zweitbeste Storchenjahr in der zwölfjährigen Geschichte der Kolonie. Nur 2014 war die Brut erfolgreicher, als sogar 16 Küken überlebten.

Verstärkt hat sich auch der Belagerungszustand um den Ort durch Störche, die noch keinen Horst erobern konnten. Das hatte sogar Konsequenzen für die Energieversorgung in Raisting, Pähl, Dießen und Utting: Durch Vogelkot kam es etwa 20 Mal zu Kurzschlüssen an den Hochspannungsleitungen Dießen-Oberbrunn und Dießen-Weilheim, die kurze Stromausfälle zur Folge hatten. Besonders arg getroffen hat es die Pähler Firma Polymold, die Kunststoffteile für die Medizintechnik anfertigt. Dort brach allein im Mai sechsmal die Leitung zusammen. Auch wenn dies meist nur eine halbe Sekunde lang dauerte, brachte es erhebliche Probleme: "Der Betrieb kommt komplett zum Stillstand, und es dauert etwa eine Stunde, bis er wieder anlaufen kann", sagt Geschäftsführer Peter Mallmann. Wenn der Strom ausfällt, während gerade kein Personal anwesend ist, kann sogar die Produktion einer ganzen Nachtschicht dahin sein. Nach schriftlichen Beschwerden an Stromversorger und Leitungsbetreiber wurden Mallmann technische Nachrüstungen zugesichert. Dies hatte auch zunächst Erfolg, bis am 3. September die Versorgung erneut zusammenbrach - diesmal für 20 Minuten.

Die Ursache dieses Stromausfalls ist noch nicht klar - aber für die Störungen im Mai macht der Netzbetreiber Bayernwerk die Störche verantwortlich: Wenn die Vögel nach der Übernachtung auf Strommasten abfliegen, erleichtern sie sich mit einem Kotstrahl, der auf der Leitung zu einem Übersprung der Spannung führen kann, erklärt Bayernwerk-Sprecher Christian Martens. Das Versorgungsunternehmen hat darauf reagiert und noch im Mai für 80 000 Euro sogenannte Aufsitzverhinderer installiert: Dabei handelt es sich um 50 Zentimeter lange Puschel aus Glasfiber, die den Vögeln das Landen auf den Masten verleiden sollen. Etwa 30 Faserbündel hat Bayernwerk an den Traversen eines einzelnen Masten aufgeschraubt.

Den Störchen selbst hat der Funkenschlag offenbar nicht geschadet: Jedenfalls hat Wolfgang Bechtel keine verletzten oder verendeten Tiere entlang den Stromleitungen gefunden. Der Herrschinger Storchexperte ist mit der Raistinger Population seit Jahren bestens vertraut: "Dieses Jahr waren besonders viele Vögel im Mai und Juni auf den Wiesen um Raisting und Pähl zu sehen." Diese Gruppen hätten 20 bis 30 Störche umfasst, die auf den Antennen der Erdfunkstelle, der Flutlichtanlage am Sportplatz oder eben den Masten der Hochspannungsleitung übernachteten. An ihrer Beringung konnte Bechtel ablesen, dass es sich ausschließlich um Einjährige handelte, die noch nicht zur Paarung und Brut bereit sind.

Die Konkurrenz um die acht Horste in Raisting hat sich ohnehin zugespitzt: So führten heftige Revierkämpfe zwischen etablierten Störchen und Neuankömmlingen dazu, dass heuer in der Nisthilfe gegenüber der Raistinger Kirche keine Jungvögel heranwachsen konnten. Ein brütender Storch stürzte im Luftkampf mit Konkurrenten tödlich ab, die Angreifer okkupierten den Horst und warfen die beiden hilflosen Jungen der Vorgänger aus dem Nest, sie starben dann einige Tage später trotz tierärztlicher Versorgung. Für eine eigene Brut der Nachzügler war es dann aber bereits zu spät. In drei der Raistinger Horste und in Vorderfischen kam heuer kein Nachwuchs hoch, in zwei Nestern erfroren die Küken im Regen. Erstmals bezog ein Storchenpaar auf dem Pfarrhaus nahe der Kirche Quartier und baute eigenständig ein Nest - ohne auf einen Stahlkorb angewiesen zu sein, wie ihn die Schutzgemeinschaft Ammersee für fünf der Raistinger Horste bereit gestellt hat.

Obwohl das Paar auf dem Pfarrhaus erst am 10. Mai mit der Brut begann, zog es drei Küken auf, eines hat allerdings ein verkrüppeltes Bein. Bis Anfang August wurden alle Jungen flügge. Ihre hohe Überlebensrate führt Bechtel auf des heuer üppige Nahrungsangebot zurück: "Wir hatten auch ein sehr gutes Mäusejahr."

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