Raisting:Mit dem Dirndl im Radom

Bisher organisiert ein Verein mit ehrenamtlichem Personal Föhrungen in dem Industriedenkmal. Diese Aufgabe übernehmen nun geschulte Fremdenführerinnen.

Armin Greune

Einweihung des Industriedenkmals Radom in Raisting

Die große Antenne unter der weißen Schutzhülle: Bei Führungen ist die Anlage zu besichtigen. Foto: Fuchs

(Foto: Sta Franz Xaver Fuchs)

Vier fesche Frauen im Dirndl sind vor dem Radom aufgereiht: Sie wirken vor dem Industriedenkmal bei Raisting selbst ein wenig fremd, obwohl sie ja als Fremdenführer fungieren sollen. Bis aus Steingaden, Wildsteig und Schwabsoien sind Edith Brey, Brigitte Petrussek, Maria Sporer und Elisabeth Welz quer durch den großen Landkreis Weilheim-Schongau angereist. Die kreiseigene Radom GmbH hat die Freiberuflerinnen engagiert, damit eine der Frauen bei Bedarf für Gruppenführungen zur Verfügung steht: 90 Euro kostet ihr Einsatz, egal, ob die Gruppe aus einer oder 15 Personen besteht. Mehr Besucher darf die Kuppel aus Gründen des Brandschutzes nicht auf einmal aufnehmen, erklärt Radom-Geschäftsführer René Jakob.

Seitdem die Sanierung im vergangenen Jahr abgeschlossen wurde, musste er selbst schon 35 Gruppen das Radom präsentieren; das sei "die teuerste Lösung", sagt Jakob. Günstiger kamen den Landkreis die vom Förderverein Industriedenkmal Raisting organisierten Führungen an Samstag- und Sonntagnachmittagen, die noch bis zum 6. Oktober andauern. Dabei hätten die Eintrittsgelder von jeweils sieben Euro für Erwachsense und 15 Euro für Familien die Kosten von 8000 Euro für die fünf Monate gedeckt, sagt Jakob. Die täglichen Besucherzahlen schwankten zwischen neun und 102, im Durchschnitt wurden 37 Personen pro Tag zur Antenne ins Innere der Traglufthülle gelassen. Das entspricht Jakobs Erwartungen: Die vom Landratsamt maximal gestattete Zahl von 200 Gästen pro Woche werde zu 40 Prozent erreicht.

Mit den 22 ehrenamtlich Aktiven des Fördervereins kann er über den Oktober hinaus wohl eher nicht mehr rechnen. Der Verein hatte sich heuer erst nach längeren Querelen ausnahmsweise zum Probebetrieb bereit erklärt; langfristig aber ist es Ziel der mehr als 100 Mitglieder, auch ihre gesammelten Exponate zur Historie der Telekommunikation im Radom auszustellen. Von "weit auseinandergehenden Forderungen" spricht Jakob, denn der Landkreis habe die Museumspläne aufgeben müssen. Eine Nutzungsänderung erfordere einen Bauantrag, was baurechtliche Probleme sowie Konflikte mit Brand- und Denkmalschutz aufgeworfen hätte. Für einen Museumsbetrieb reiche auch die vorhandene Erschließung nicht aus, die Mikro-Kläranlage etwa müsste dann durch einen kilometerlangen Kanal ersetzt werden: Auf ein bis zwei Millionen Euro schätzt Jakob die nötigen Investitionen. Dies aber sei dem Landkreis nicht zuzumuten, der schon 700 000 Euro zu den insgesamt drei Millionen Euro für die Sanierung des Denkmals beigesteuert hat.

Weitere 65 000 Euro wurden für die Grundausstattung aufgewendet, um den Besuchern die Anlage vorführen zu können: Ein Film über die Sanierung wurde produziert, Stühle für den Vorführraum angeschafft und sieben Informationstafeln um das Radom herum aufgestellt: Sie erläutern Sanierung, Funktion und historische Bedeutung der ehemaligen Satellitenfunkstation. Zudem muss der Landkreis jährlich Betriebskosten von 175 000 Euro schultern. Die Einnahmequellen zur Deckung der Ausgaben sind hingegen rar: Jakob hofft, "einen Bruchteil davon" von der Technischen Universität München zu erhalten. Dieser Tage soll ein Vertrag geschlossen werden, der in den kommenden zweieinhalb Jahren der Universität und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) das Recht einräumt, die noch immer betriebsbereite Antenne im Radom an 250 Tagen für die Ausbildung und als Back-up für das Galileo-Programm zu nutzen. Während dieses Betriebes könnten Besucher nur durch ein Schaufenster ins Innere des Radoms blicken; ansonsten wäre das Quartett im Dirndl grundsätzlich immer bereit, Gästen Technik und Historie der Anlage zu erläutern.

Das Thema Radom sei "ein Kontrast zu unseren bisherigen Führungsangeboten", finden sie. Ihr kürzlich gegründetes Unternehmen stützt sich auf Bus- und Pilgerbegleitungen, sie leiten Natur- und Kirchenführungen an der Wies und am Auerberg. Kennengelernt haben sie sich bei der mehrmonatigen Ausbildung zum zertifizierten Kulturführer, als Freiberufler sind sie in der Interessengruppe der Pfaffenwinkler Kulturführer (www.pfaffenwinkler-kulturfuehrer.de) organisiert. Über diese Adresse kann man auch ihre Dienste anfordern.

Ob sich der Einsatz in Raisting für sie rentiert, scheint allerdings fraglich. 50 Kilometer Anfahrt muss Sporer dafür zurücklegen, "ein gewisser Idealismus gehört auch dazu", findet sie. Denn das Radom sei einmal "Dreh-und Angelpunkt der Welt" gewesen. "Wir schalten um nach Raisting", hieß es in der Pionierzeit des Fernsehens. Damals, 1965, lockte die Anlage 60 000 Besucher an. "Davon können wir nur träumen", meint Sporer.

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