Raisting:Antenne zwei statt eins

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Die 50-Jahr-Feier findet bei Antenne 2 (unten) statt - nicht am Radom. (Foto: Peter Kneffel)

Während im Radom am Sonntag "Entdeckertouren" angeboten werden, muss der Förderverein das Jubiläum zum 50-jährigen Betrieb der Erdfunkstelle abseits feiern

Von armin greune, Raisting

"Eigentlich hätten wir das Jubiläum seit drei Jahren ständig feiern können", sagt Sabine Vetter, Vorsitzende des Fördervereins Industriedenkmal Radom. Im Mai 1963 war Baubeginn für die Antenne 1, im Oktober 1963 wurde die erste Traglufthülle über ihr aufgeblasen, ein Jahr später das erste Fernsehtestbild aus den USA übermittelt. Im Januar 1965 konnte dann die Amtseinführung von US-Präsident Lyndon B. Johnson live empfangen und ausgestrahlt werden. Doch für die Terminwahl zum 50. Geburtstagsfest wählte der Verein den Beginn des regulären Telefonbetriebs: Vom 28. Juni 1965 an empfing die Radom-Antenne vom Satelliten "Early Bird" ständig Fernmeldesignale auf 65 Kanälen.

Deshalb hat der Verein nun zum Internationalen Denkmalstag am Sonntag ein von 12 Uhr an geöffnetes Festzelt aufgestellt: Dort diskutieren von 14.30 bis 16 Uhr Zeitzeugen auf dem Podium, zudem wird ein Film und eine Bilderschau zur Geschichte der Erdfunkstelle gezeigt. Mitfeiern wird zwar die Firma Emerging Markets Communications (EMC), die seit 10 Jahren Eigentümer von 19 Antennen des Areals ist - nicht jedoch der Landkreis, dem das Industriedenkmal Radom gehört. Der von der Raistinger Blaskapelle begleitete Festakt findet folglich auch nicht an der "Dreiviertelkugel" statt, die Antenne 1 überspannt, sondern 600 Meter weiter südlich an der Antenne 2, wo EMC einen Platz bereit stellt. Weil René Jakob, Geschäftsführer der landkreiseigenen Radom GmbH, seit Langem mit dem Förderverein auf Kriegsfuß steht, hätten die Mitglieder des Fördervereins "seit zwei Jahren praktisch Hausverbot", sagt Vetter. Selbst zwei "Schlichtungsgespräche" beim Raistinger Bürgermeister konnte keine gemeinsame Veranstaltung erwirken: Jakob hatte erst eine Veranstaltung mit Musik kategorisch abgelehnt, Vetter beklagt den wenig verbindlichen Ton des Geschäftsführers.

Bis 2013 hatten die im Verein organisierten ehemaligen Radom- und Postmitarbeiter Führungen im Industriedenkmal angeboten. Doch der Wunsch, die von ihnen gesammelten Exponate zur Telekommunikationsgeschichte unter der Kuppel zeigen zu können, erfüllte sich nicht. Nun sind Geräte und Dokumente in einem gemieteten Archiv untergebracht. Der Landkreis aber kann von Juni bis Oktober 2015 nur an acht Sonntagnachmittagen allgemeine Besichtigungen anbieten. Zudem wird die Kuppel auch am Sonntag von 14 bis 17 Uhr geöffnet. Führungen finden dort nicht statt, aber an und in der Kuppel stehen Infotafeln und Personal der Radom GmbH zur Erläuterung bereit, sagt Jakob. Erstmals könnten auch Bereiche aufgesucht werden, "die sonst nicht zugänglich sind" - wie Stützluftanlage, Leittechnik und Heizung. Besonderer Wert werde auf die Gegenüberstellung der ursprünglichen Ausstattung mit den bei der Sanierung eingebauten Anlagen gelegt: So seien etwa zwei von sieben Gebläsen erneuert worden. Im Fokus der "Entdeckertour" steht also die Gebäudetechnik - die Telekommunikationsgeschichte, die ja vom Radom mitgeprägt wurde, wird allenfalls gestreift.

Mehr darüber kann man im Festzelt neben Antenne 2 erfahren. Robert Uhlitzsch, erster Betriebsleiter der Anlage und Autor des 1969 erschienenen Buchs "Anatomie einer Erdfunkstelle", wird die Expertenrunde auf dem Podium leiten. Albert Tafertshofer, Raistinger Archivar und Heimatforscher, zeigt Fotos und erinnert an die Skepsis, auf die das Projekt anfangs im Dorf traf: Sein Vater hatte die Gespräche der Bundespost um den Grunderwerb von 14 Hektar mit den Bauern und der Gemeinde seinerzeit hautnah miterlebt. Franz Kubat wird den Gastgeber EMC vertreten.

Als 1965 Radom und "Early Bird" den bis dato per Atlantikkabel bewältigten, interkontinentalen Telefonverkehr übernahmen, konnten 240 Gespräche simultan vermittelt werden. Dank der fortschreitenden Digitalisierung wurde die Übertragungsrate rasch gesteigert, bis das Radom 1985 den offiziellen Betrieb einstellte. Die übrigen, unverhüllten Parobolantennen der Erdfunkstelle leisteten weiter Dienste für Bundespost und Telekom. 1999 stand die Aufgabe des Standorts zur Debatte, doch stattdessen wurde die Erdfunkstelle in Fuchsberg aufgelöst, drei der Antennen von dort stellte man noch in Raisting auf.

Im Januar 2006 verkaufte T-Sytems die Erdfunkstelle dennoch an das US-Unternehmen EMC, das weltweit im Auftrag von Hilfsorganisationen Satellitenkommunikation bereit stellt. Das 1999 zum "Industriedenkmal mit besonderer Bedeutung" erklärte Radom erwarb der Landkreis Weilheim im Dezember 2007 zum Preis von einem Euro. 2010 bis 2012 wurde das Gebäude für rund 3 Millionen Euro saniert, besonders spektakulär war der Austausch der einsturzgefährdeten Traglufthülle. Die 25 Meter durchmessende Antenne 1 darunter ist noch funktionstüchtig und wird wissenschaftlich genutzt.

© SZ vom 12.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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