Radverkehr:Gute Radwege sind Mangelware

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Verkehrsexperte Günter Bendias hat die Verkehrssituation für Radfahrer im Landkreis Starnberg untersucht. Im 380 Seiten starken Gutachten beschreibt er detailliert Mängel und Lücken der überörtlichen Verbindungen

Von Christiane Bracht, Starnberg

Radverkehr liegt nicht nur im Trend, er ist auch eine echte Alternative zum Auto. Die einzige übrigens, wenn man die drängenden Verkehrsprobleme in Städten und Gemeinden lösen will - jedenfalls glaubt das der Verkehrsexperte Günter Bendias. Wer das nicht erkenne und nichts für Radfahrer tue, "steigt ab", sagt er. Gut ausgebaute Radwege gelten schon jetzt als Standortvorteil, gibt er zu bedenken. Bendias und sein Ingenieurbüro haben bereits für das Land Baden-Württemberg ein Konzept erarbeitet und dort den Blick fürs Ganze bewiesen.

"Der Radverkehr bringt eine signifikante Entlastung der Straßen, er stellt aber auch Anforderungen an die Infrastruktur", erklärte er dem Starnberger Kreisumweltausschuss. Seit es E-Bikes und Pedelecs gebe, könnten auch Senioren länger mit dem Rad fahren. Topografische Schwierigkeiten spielten keine so große Rolle mehr und außerdem mache es der Elektroantrieb möglich, auch weitere Distanzen zu überwinden. Um so brisanter werde die Diskussion um Radschnellwege und gut ausgebaute Routen: Sie müssten für unsichere Fahrer breit genug sein und eine gute Sicht auf den Verkehr zulassen. Mit dem neuen Radwegenetz für den Alltag schwimmt der Landkreis Starnberg nicht nur auf dieser Welle. Er zeigt sich sehr innovativ. In Bayern ist er sogar Vorreiter, meint Bendias. Dennoch: Es ist erst der erste Schritt.

Radwege wie dieser im Grubmühler Feld zwischen Gauting und Stockdorf gehören zu den Alltagsverbindungen für Radler, die der Landkreis ausbauen will. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

"Es gibt viele schöne Radwege, aber kein dichtes, geschlossenes Netz. Und es gibt viele Mängel und Probleme", fasst der Experte die Ergebnisse seiner Untersuchung zusammen. So ist etwa der Weg zwischen Feldafing und Pöcking an der Bahn entlang zwar sehr direkt, aber wegen der vielen Schlaglöcher für Radfahrer völlig untauglich. Die Seestraße in Pöcking ist wegen der vielen parkenden Autos und der Fußgänger im Sommer für Radler schwierig. Radstreifen allein würden die Situation aber nicht verbessern, sagte Bendias.

Insgesamt 380 Seiten umfasst das Werk des Ingenieurbüros. Beschrieben sind bis ins Detail die Mängel und Lücken der überörtlichen Verbindungen. Mehr als 240 Verbesserungsvorschläge machen die Experten. Manches sei schnell zu beheben, anderes werde Jahre dauern, vielleicht sogar nie zu verwirklichen sein. Dann muss über passable Alternativen nachgedacht werden. Oft machen nämlich Grundeigentümer einen Strich durch die Rechnung, weil sie keinen Boden abtreten wollen. Für Straßen muss laut Verkehrsmanagerin Susanne Münster schon viel Überzeugungskraft geleistet werden, doch für Radwege ist das Vorhaben noch viel aussichtsloser. Enteignungen habe es laut Landrat Karl Roth nur für Straßen im Wege des Planfeststellungsverfahrens gegeben.

Die Beschilderung der Radwege im Landkreis ist verbessert worden. (Foto: Fuchs)

Mit dem Radwegenetz erhofft sich nun der Landkreis einen Anschub bei der Durchsetzung seines Vorhabens. In der Vergangenheit seien Projekte vom Freistaat oft abgelehnt worden, weil kein schlüssiges Konzept dahinter stehe, hieß es.

Das ist nun anders. Die Hauptlast bei Umsetzung des etwa 580 Kilometer umfassenden Radwegenetzes tragen Freistaat und Kommunen. Die Gemeinden haben bereits zugesagt, die kostengünstigen Verbesserungen rasch realisieren zu wollen. Beim Freistaat scheint das schwieriger. An den Staatsstraßen sind die meisten Lücken im Alltagsroutennetz. Dennoch zeigt sich Münster zuversichtlich, dass der Freistaat sich nicht aus der Affäre stehlen wird. Schließlich habe Innenminister Joachim Herrmann angekündigt, den Radverkehr stärken zu wollen. Außerdem mache das Konzept bereits Schule: Drei weitere Landkreise wollen ihre Bereiche ebenfalls auf Alltagstauglichkeit hin überprüfen lassen.

Auch der Landkreis muss natürlich dazu beitragen, dass das Radwegenetz irgendwann alltagstauglich wird. Drei Millionen Euro kosten nach ersten Berechnungen die Beiträge der Kreisbehörde, man will die Dinge sofort angehen. Doch bei der ersten Übersicht wurde sofort klar: Das wird noch ein Weilchen dauern. Die Kosten sind dabei wohl eher das kleinere Problem, auch wenn der Landkreis nicht im Geld schwimmt, sondern eng kalkulieren muss.

Höchste Priorität haben die Ingenieure dem Bau eines Radwegs zwischen Gauting und Neuried eingeräumt. 192 000 Euro wird der Anteil des Fünfseenlands betragen, der meiste Teil liegt auf dem Gebiet des Landkreises München. Derzeit wird ausgelotet, auf welcher Seite der M4 dies am besten zu realisieren ist. Auch auf der Strecke zwischen Erling und Fischen soll ein Radweg gebaut werden. Doch das Vorhaben ist erst ganz am Anfang. Man muss erst einmal mit dem Landkreis Weilheim in Kontakt treten und das Vorgehen absprechen. Der Radweg zwischen Perchting und Hadorf ist da sicher schneller zu realisieren. Aber Münster will erst abwarten bis die Westumfahrung 2018 fertig ist und die Verkehrsströme nach der Freigabe analysieren, bevor sie in die nähere Planung einsteigt. Neu gebaut werden soll auch ein Weg zwischen Etterschlag und Mauern. Die Planung läuft schon länger, aber die Grundstücksverhandlungen sind noch nicht abgeschlossen, berichtet Münster. Sie stehe aber mit der Gemeinde Wörthsee in engem Kontakt, was die weitere Planung angeht. Auch bei Gut Tiefenbrunn zwischen Unering und Hochstadt will man einen Radweg bauen, aber die Grundstücksverhandlungen gestalten sich laut Münster schwierig.

35 000 Euro sollen im Landkreis-Haushalt 2017 für Verbesserungen im Radwegenetz eingeplant werden. Das meiste Geld wird wohl für Markierungen und den Unterhalt der Routen drauf gehen. Außerdem will man zunächst die Kreuzung bei Rothenfeld entschärfen: Vor allem am Wochenende nutzen viele Radler den Weg. Er soll näher an die Fahrbahn verlegt werden, damit Autofahrer die Ausflügler oder auch Pendler auf dem Rad besser wahrnehmen können. Laut Münster wird allein das etwa 30 000 Euro kosten. Auch das teilweise verlegte Kopfsteinpflaster auf dem Radweg in Landstetten gilt als große Gefahrenquelle. Die Radler weichen an dieser Stelle auf die Straße aus. "Das hat Priorität", sagte Georg Scheitz (CSU). Hier soll ebenfalls so schnell wie möglich Abhilfe geschaffen werden. Für 2018 sollen nun 11 500 Euro im Haushalt eingestellt werden und im Jahr darauf weitere 14 000 Euro, lautet der aktuelle Plan für die Zukunft.

© SZ vom 07.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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