Gericht:Wer erschoss die Rabenkrähe?

Rabenvögel Im Bild die Morphe einer Aaskrähe, üblicher Weise Rabenkrähe genannt (Corvus c. corone). Sie sind wie die gra

Eine Rabenkrähe wie diese ist in der Schonzeit abgeschossen worden.

(Foto: imago images/Klaus W. Schmidt)

Eine mysteriöse Tat beschäftigt die Justiz, der Angeklagte wird aber freigesprochen.

Von Christian Deussing

Der mysteriöse Abschuss einer Rabenkrähe (Corvus corone) in der Schonzeit hat jetzt das Amtsgericht Starnberg beschäftigt. Denn der mutmaßliche Täter soll den Vogel mit seinem Kleinkaliber- oder Luftgewehr von einem Baum seines Nachbarn geschossen haben. Gegen den Strafbefehl von 1800 Euro wegen "Vergehens nach dem Tierschutzgesetz" legte der Mann aber Einspruch ein. Der Vorfall hatte sich vor knapp zwei Jahren in der Gemeinde Berg abgespielt.

"Ich war gar nicht daheim, als das passierte", beteuerte der 31-jährige Angeklagte, der einen Jagdschein besitzt. Allerdings sprachen etliche Indizien gegen den Handwerker, der laut Staatsanwaltschaft als einziger auf dem elterlichen Anwesen gewusst habe, wo sich der Schlüssel zum versperrten Waffenschrank befunden habe. Zudem könne er sich am Mittag zum Zeitpunkt des illegalen Abschusses den Ermittlungen zufolge durchaus auf seinem Grundstück aufgehalten haben. Die Strafverfolgerin forderte jetzt wegen der Tat eine Geldstrafe von 2400 Euro, also noch einmal 600 Euro mehr als im Strafbefehl.

Auch Richterin Stephanie Henninger zweifelte an der Unschuld des Mannes, weil einiges gegen ihn spreche. Allerdings fehle ihr die letzte Gewissheit, um ihn zu verurteilen, sagte sie. Es müsse aber zumindest wohl jemand aus der Familie gewesen sein, denn es sei nicht zum ersten Mal auf eine Rabenkrähe im benachbarten Grundstück geschossen worden. Allerdings gelte hier der rechtliche Grundsatz "in dubio pro reo", befand die Richterin, die den 31-jährigen Berger deshalb freisprach. Auf dem Grundstück nebenan dürfe aber "kein Rabe mehr herunterfallen, sonst kann es eng werden", warnte sie.

Ein Zeuge hatte nach dem zweiten Vorfall dieser Art den Tierschutzverein und die Polizei eingeschaltet, als er am 26. März 2020 den toten Raben mit einem Durchschuss entdeckt hatte. Zuvor habe er aus 150 bis 200 Metern gesehen, dass jemand am Hauseingang des Angeklagten "etwas Langes in der Hand gehalten" habe. Danach habe er den Schuss gehört. "Doch die Person konnte ich nicht erkennen", sagte der 65-Jährige, der sich aber nicht mehr genau an die Uhrzeit erinnerte. Es hätte auch am Vormittag geschehen sein können, sagte der Zeuge. Der Polizei hatte er laut Gericht andererseits mitgeteilt, dass die Tatzeit gegen 12.15 Uhr gewesen sei.

Vernommen wurden auch der Bruder und die Mutter des Handwerkers. Sie beteuerten, keinen Schuss gehört zu haben. Beide bestätigten nur, dass er wie immer um 12 Uhr zum Mittagessen gekommen sei, um dann wieder schnell zur Arbeit zu fahren. Ein Kunde bestätigte, dass der Angeklagte an dem Vormittag bei ihm beschäftigt gewesen sei und ihn gleich nach dem Essen wieder aufgesucht habe. Im Prozess sagte zudem ein Polizist aus, dem der verdächtige Mann später bereitwillig seinen Waffensafe aufgesperrt hatte. Die Waffen seien "relativ schmutzig" gewesen, sagte der Beamte, hätten aber keine Erkenntnisse geliefert. Auch ein Projektil sei in der Nachbarschaft nicht gefunden worden.

Die Verteidigerin betonte, dass nicht nur die Tatzeit unklar geblieben sei. Es gebe in dem Fall "lediglich Mutmaßungen und viele Ungereimtheiten" und keine Beweise - daher sei ihr Mandant freizusprechen, forderte die Anwältin. Diesem Antrag folgte zwar das Gericht, mahnte aber, dass jetzt in dem Gefilde nichts mehr geschehen dürfe.

Dies gilt auch, wenn sich dort viele Rabenkrähen auf den Bäumen versammeln und laut krächzen, was manche Menschen sicher ärgert.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: