Süddeutsche Zeitung

Quatuor Modigliani in Gauting:Film gerissen

Lesezeit: 2 min

Die Gruppe aus Paris glänzt im Bosco zunächst mit Werken von Debussy und Fauré. Doch nach der Pause folgen nur Auszüge aus Werken von Korngold und Kreisler sowie flach wirkende Filmmusik von Nino Rota

Von Reinhard Palmer, Gauting

Auch wenn es großartige Komponisten gab und gibt, die wunderbare Filmmusik geschaffen haben und weiterhin in den Traumfabriken der Welt erschaffen: In klassischen Konzertformaten bleibt diese Musik problematisch, wenn die dazugehörigen Bilder fehlen. Filmmusik ist dazu gedacht, eine vom Plot bestimmte Atmosphäre zu kreieren und mit Emotionen aufzuladen. Nino Rota hat viele Filmklassiker unvergesslich vertont, so auch Zeffirellis "Romeo und Julia" (1968), Ford Coppolas "Der Pate" (1972) und Fellinis "La dolce Vita" (1960).

Zu Suiten gebündelt gab das Quatuor Modigliani mit der belgischen Harfenistin Anneleen Lenaerts diese Musik nun im Gautinger Bosco zum Besten. Unglücklicherweise zum Schluss, also auf dem Höhepunkt des Abends. Für Filmnostalgiker bestimmt ein schönes Erlebnis. Für Klassikfreunde, die den hochkarätigen kammermusikalischen Teil zuvor zweifelsohne genossen hatten, aber ein zumindest gewöhnungsbedürftiges Finale, zumal die eingängige Melodik der Stücke ohne Kontext doch fast schon seicht daherkam. Kein glückliches Konzept für so renommierte Musiker, die in anderen Programmen an dieser Stelle noch einmal zum Höhenflug ansetzen, wie es das Quartett im Jahr 2016 im Bosco vorgeführt hatte. Auch wenn die Zuhörer begeistert applaudierten und passend Rotas "The Taming of the Shrew" als Zugabe bekamen: Wer das Gautinger Publikum kennt, der ahnt, dass die Euphorie noch größer hätte sein können.

Während in der ersten Programmhälfte der Fokus auf französischem Impressionismus lag, gab es nach der Pause Werke von USA-Emigranten. Rotas "Sarabanda et Toccata" für Harfe solo schlug trotz stilistischer Rückgewandtheit von der Klangsinnlichkeit her eher eine Brücke zu Debussy und Fauré. Doch die einzelnen Sätze von Korngold und Kreisler ließen ihren Kontext im jeweiligen Werk vermissen. Korngolds beschwingtes Intermezzo aus dem Es-Dur-Streichquartett op. 26 von 1933 kündigte mit seiner Unbeschwertheit die leichte Muse an. Auch er war Oscar prämierter Filmmusiker in Hollywood nach der Flucht vor den Nazis. Dieses 2. Streichquartett, aus dem das Intermezzo stammt, entstand noch in Österreich unter dem Einfluss der Avantgardisten. Korngold folgte der Eroberung der Atonalität zwar nicht, aber er durchdachte seine Werke zeitgemäß. So allein für sich stehend konnte das Intermezzo daher nur wenig aussagen.

Kreisler war 1939 in die USA ausgewandert, sein Streichquartett in a-Moll hatte er bereits 1921 in Berlin geschrieben. Das vermeintlich heitere und entspannte Scherzo ist im Kontext des gesamten Streichquartetts aber nicht gar so vergnüglich. Es hinterfragt eher die leichte Muse, was im Bosco aber in den falschen Zusammenhang geriet.

Ganz anders die erste Konzerthälfte, in der Meisterwerke des französischen Impressionismus ihren besonderen Reiz entfalteten. Hier zeigte sich, mit welch großem Verständnis für diese Musik, die gerade bei Debussy oft sonderlich säuselnde Züge annimmt, dieses französische Quartett zu Werke geht. Nur Noten nachzuspielen, führt nie zum befriedigenden Ergebnis, aber bei Debussy noch nicht einmal zur Musik. Es galt also, die reichhaltig changierende Substanz mit viel Fingerspitzengefühl in Klang und Atmosphäre zu verwandeln.

Ein Zugriff, den die Musiker meisterhaft beherrschen. In Faurés Impromptu Des-Dur op. 86 von 1904 für Harfe solo glänzte Lenaerts zudem mit spannungsvoller Phrasierung und wohlaustarierter Agogik. Eine so packende Dramaturgie kreierte auch das Quatuor Modigliani. Die sich durch alle vier Sätze ziehende Thematik in Debussys Streichquartett g-Moll op. 10 tauchte bisweilen sehr konkret a empor, um sich dann wieder im farbenreichen Gesamtbild aufzulösen.

Noch stärker ausgeprägt war diese Formung in den zwei Tänzen von Debussy von 1904 mit der konzertierend auftretenden Harfe. Lenaert trat dennoch nicht allzu dominant auf und blieb auf Tuchfühlung mit den Streichern, deren edle Instrumente aus berühmten Werkstätten des 17. und 18. Jahrhundert viel Klangsinnlichkeit boten. Eine absolut überzeugende Vorstellung, die man sich auch nach der Pause gewünscht hätte.

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Quelle:
SZ vom 14.12.2019
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