Prozess:Vom Pech verfolgt

42-Jährige verletzt Motorradfahrer und erhält Geldstrafe

Von Armin Greune, Seefeld

"Ich bin so froh, dass dieser Mensch lebt!": Zum wiederholten Mal sagt die Angeklagte diesen Satz und fängt erneut zu weinen an. Der 42-Jährigen wird vorgeworfen, einem Motorradfahrer auf der Staatsstraße am Pilsensee die Vorfahrt genommen zu haben, der daraufhin stürzte und sich schwere Verletzungen zuzog. Nun muss sich die Frau, die in einer Gemeinde am Ammersee lebt, vor dem Starnberger Amtsgericht wegen fahrlässiger Körperverletzung verantworten. Einen Teil der Tränen dürfte sie auch deshalb vergießen, weil für sie viel auf dem Spiel steht: Sie hat die unabsichtliche Straftat in offener, allerdings nicht einschlägiger Bewährung begangen. 2015 war sie wegen Betrugs zu zwei Monaten Haft verurteilt worden, die für vier Jahre zur Bewährung ausgesetzt ist. Ein Widerruf hätte wohl nicht nur für sie selbst schlimme Folgen: Als Alleinerziehende muss sie für zwei elf und 15 Jahre alten Buben sorgen.

Im Gerichtssaal macht Richterin Christine Conrad allerdings bald klar, dass sie die Angeklagte nicht hinter Gitter schicken, sondern es bei einer Geldstrafe belassen wolle. Einem Gutachten zufolge war der Motorradfahrer am 31. Mai vergangenen Jahres mit erlaubten 65 Stundenkilometern unterwegs, als die Angeklagte mit ihrem Wagen nach links auf die Staatsstraße einbog. Für den Biker sei die Kollision unvermeidbar gewesen, doch die Autofahrerin hätte ihn sehen müssen, wenn sie sich vorgebeugt hätte. Der seinerzeit 27-jährige Mann erlitt beim Unfall unter anderem im Genitalbereich schwere Verletzungen und musste mit dem Rettungshubschrauber in eine Klinik geflogen werden.

Zu Lasten der Angeklagten schlägt sich ihr umfangreiches Strafregister nieder: Es enthält elf Einträge wegen Diebstahls, Betrug und Beleidigung, die 42-Jährige musste auch schon Strafen im Gefängnis absitzen. Ihr Verteidiger weist darauf hin, dass die Mehrzahl der Verurteilungen seiner Mandantin wegen Ladendiebstählen geringwertiger Waren erfolgt sei. Inzwischen arbeite sie ganztags und habe sich längst gefangen. Der Anwalt erwähnt auch, dass die Frau denkbar schlechte Startbedingungen ins Leben hatte: "Ihr Vater hat ihre Mutter erstochen". Die Angeklagte meint selbst, sie sei "vom Pech verfolgt".

In diese Strähne passt schließlich auch das Urteil, selbst wenn die 42-Jährige teilweise erleichtert ist, weil sie von einem weiteren Freiheitsentzug verschont bleibt: Conrad verhängt schließlich 70 Tagessätze à 35 Euro Geldstrafe - und damit mehr, als die Alleinerziehende in zwei Monaten für ihre Familie zur Verfügung hat. Wären die Vorstrafen nicht gewesen, hätte man es bei 25 Tagessätzen belassen können, fügt die Richterin hinzu.

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