Prozess um Cannabis-Plantage:Freudentränen im Gerichtssaal

Einer der Angeklagten kommt frei, der zweite muss noch ein halbes Jahr absitzen

Von Michael Berzl, Krailling/München

Mit Freudentränen und Umarmungen, mit einem Freispruch und einer Verurteilung zu einer Haftstrafe ist der Prozess um eine Cannabis-Plantage in Krailling nach drei Verhandlungstagen zu Ende gegangen. Einer der beiden Angeklagten darf nach mehr als einem Jahr in Stadelheim nach Hause gehen, weil das Landgericht in München ihm keine Tatbeteiligung nachweisen konnte. Sein Cousin dagegen muss noch etwa ein halbes Jahr absitzen. "Ein überschaubarer Zeitraum", wie Richter Anton Winkler nach seiner Urteilsbegründung sagte, in der er zugleich deutlich machte: "Das ist ein Verfahren, in dem wir eigentlich nicht wissen, wie es wirklich war." Unklar bleibt auch nach der Verhandlung, wer nun eigentlich der Auftraggeber für die professionelle angelegte Plantage in einem Kellerraum war.

Den beiden Männern im Alter von 30 und 36 Jahren, die angeklagt waren, hatte die Staatsanwaltschaft vorgeworfen, sie hätten in großem Stil Marihuana angebaut. Von den Pflanzen hat die Polizei zwar fast nichts mehr gefunden, aber es gibt Handyfotos und einen Videofilm von der Anlage mit mehr als 500 Pflanztöpfen. Gutachter des Bundeskriminalamts haben den drei Meter hohen und 30 Meter langen Raum mit einem Laserscanner vermessen, eine Chemikerin des Landeskriminalamts hat hochgerechnet, wie die Ernte ausgefallen sein müsste. Allein die Blütenstände hatten nach ihren Kalkulationen ein Gesamtgewicht von bis zu elf Kilogramm.

Verkauft oder geraucht wurde das Zeug aber nicht, wenn es stimmt, was der jüngere Angeklagte dem Gericht erzählte. Der 30-Jährige hatte schon am ersten Verhandlungstag ein umfassendes Geständnis abgelegt, er schilderte mit Liebe zum Detail, wie er spezielle Aufzuchtlampen installierte, die Sämlinge vorsichtig befeuchtete und später die Pflanztöpchen einzeln goss. Und wie er schließlich im August vor knapp drei Jahren alles weggeworfen habe. Denn nach Darstellung des Angeklagten ging die Cannabisaufzucht gründlich schief: Eines Tages sei die Lüftung ausgefallen und die Pflanzen seien bei einer Hitze von 64 Grad Celsius eingegangen und im Wald entsorgt worden. Verurteilt wurde er schließlich lediglich wegen Beihilfe, wie auch die Vertreterin der Staatsanwaltschaft gefordert hat. Das umfassende Geständnis verhalf dem Angeklagten zu einer milden Strafe von zwei Jahren und drei Monaten. Nach mehr als einem Jahr in Untersuchungshaft muss er den Rest wohl nicht mehr ganz absitzen. Sein Rechtsanwalt Andreas Müller rechnet aber damit, dass er danach nach Bosnien abgeschoben wird, weil er sich illegal in Deutschland aufhalte. Das Urteil nahm der 30-Jährige an. Haft und Prozess hätten ihn in die Tage seiner Kindheit zurückversetzt, sagte er in seinem Schlusswort: "Wir waren es gewohnt, dass die Polizei kommt, dass wir den Vater im Gefängnis besuchen." Seinen Kindern wolle er ein besseres Vorbild sein.

Sein Cousin hatte die Aussage verweigert. Die Staatsanwaltschaft war nach Hinweisen eines V-Mannes davon ausgegangen, dass der 36-Jährige die treibende Kraft beim Bau der Plantage war und warf ihm außerdem vor, dass er eine Frau zur Prostitution gezwungen habe. Zeugen, die dazu befragt wurden, erschienen dem Gericht jedoch als zweifelhaft. Das gilt für eine 29-Jährige, die einräumte, dass sie in einem Bordell des Angeklagten an der Landsberger Straße gewohnt habe, die nun aber im Gegensatz zu früheren Aussagen bestritt, dort gearbeitet zu haben. Zweifel hatte das Gericht auch an Einlassungen des Kraillingers, der seinen Keller vermietet hatte, von der Plantage aber nichts gewusst haben will. "Die Aussage hatte kabaretthafte Züge", sagte Rechtsanwalt Kai Wagler; zumal als von 300- und 400-Euro-Scheinen die Rede gewesen sei. Nach dem Freispruch fängt für den 36-Jährigen ein neues Leben an. Sein Bordell habe er aufgegeben, nun wolle er in einem Imbiss Burek verkaufen, sagte er dem Richter.

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