Prozess um Bahn-Gutachten:Richterin kritisiert Starnbergs Bürgermeisterin

Eva John hätte die Stadträte besser informieren müssen. Das meint das Verwaltungsgericht, auch wenn der Prozess mit einer Einigung endet - und mit einer Mahnung an die Starnberger Politik.

Von David Costanzo

Stadtrat verklagt Stadt, Vize-Bürgermeister gegen Bürgermeisterin: Dass es so einen Prozess schon einmal gegeben hat, daran konnte sich die Vorsitzende Richterin Christine Gibbons nicht erinnern. Doch tatsächlich saß Eva John (BMS) am Tisch der Beklagten in Saal fünf des Münchner Verwaltungsgerichts, ihr Stellvertreter Klaus Rieskamp (Parteifreie) nahm auf Seiten der Kläger Platz. Im Kern ging es um die Frage: Wie viele Informationen muss die Bürgermeisterin dem Stadtrat gewähren? Die Meinung des Gerichts lautete: ziemlich viel.

Allein die Konstellation der Klage erfüllte Richterin Gibbons mit Sorgen. Man könne sich "kaum vorstellen, wie das weitergehen soll", redete sie den Starnberger Volksvertretern ins Gewissen. Die Politik solle an die Zukunft denken, der Dauerstreit koste Ressourcen. In der Sache kritisierte sie die Bürgermeisterin, während der Stadtrat seine Ziele erreichte. Der Prozess endete mit einer Einigung, das Verfahren wurde für erledigt erklärt und eingestellt.

Prozess um Bahn-Gutachten: Musste sich einiges an Kritik anhören: Starnbergs Bürgermeisteirn Eva John.

Musste sich einiges an Kritik anhören: Starnbergs Bürgermeisteirn Eva John.

(Foto: Catherina Hess)

Über Starnberg schwebe ein Damoklesschwert, hatte der Vize-Bürgermeister die Klage begründet. Eine Zwei-Drittel-Mehrheit hatte diesen Weg beschlossen, um Einblick in ein Gutachten zu bekommen, das der Stadtrat selbst gefordert hatte. Darin geht es um die 1987 geschlossenen Verträge mit der Bahn über die Verlegung der Gleise zwischen Stadt und Ufer - der so genannten Seeanbindung. Der Pakt lief Ende 2017 aus, das Gutachten eines Rechtsanwalts sollte zuvor über die Folgen aufklären. Laut Rieskamp steht ein dreistelliger Millionenbetrag im Raum, "der die Stadt in die Knie zwingen würde".

Doch es geschah lange nichts. Obwohl der Stadtrat das Gutachten bereits im Juli 2016 beschloss, gab die Bürgermeisterin es erst im April 2017 in Auftrag, erst im September erläuterte der Rechtsanwalt sein Werk im Stadtrat. Eine Mehrheit verlangte eine Kopie des Gutachtens. Das lehnte John ab, weil sie fürchtete, dass es in die Hände der Bahn kommen könne. Schließlich forderten die Stadträte, die Einschätzung zumindest selbst lesen zu können - und drohten mit Klage. Erst Mitte Dezember durften die Politiker an zwei Tagen insgesamt siebeneinhalb Stunden in den 130 Seiten blättern - in einem einzigen Exemplar für 30 Stadträte, unter höchstem Zeitdruck, da die Bahnverträge zwei Wochen später ausliefen, wie die Siebte Kammer zusammenfasste. Da war die Klage schon eingereicht. Im Prozess argumentierten Rieskamp und der Anwalt des Stadtrats, Christian Langgartner, die Stadträte bräuchten mehr Zeit.

Prozess um Bahn-Gutachten: Starnbergs Vize-Bürgemeister Klaus Rieskampf wirft Bürgermeisteirn Eva John vor, dass sie die Stradträte nicht genug informiert hat.

Starnbergs Vize-Bürgemeister Klaus Rieskampf wirft Bürgermeisteirn Eva John vor, dass sie die Stradträte nicht genug informiert hat.

(Foto: Catherina Hess)

"Was spricht dagegen?", fragte Richterin Gibbons die Bürgermeisterin und den Anwalt der Stadt, Ulrich Numberger - und bestätigte die Haltung der Stadträte. Zwei Tage seien zu wenig. Der Stadtrat müsse so lange Einblick in das Gutachten bekommen, bis er umfassend informiert sei. Es sei nicht ersichtlich, warum dem Gremium in Zukunft die Einsichtnahme verwehrt werde solle, formulierte Gibbons die Haltung der Kammer nach Aktenlage.

Die Richterin war von Anfang an bemüht, den Streit nicht anzufachen und eine Einigung zu erzielen. Dass sie diese Kritik überhaupt so deutlich äußerte, lag am Drängen des Anwalts Johns. "Reicht Ihnen das?", beendete Gibbons eine erste Stellungnahme. Als der Anwalt insistierte, hob sie an mit: "Dann sagen wir's Ihnen noch einmal."

Dass es letztlich kein Urteil, sondern eine Einigung gab, lag an einer Aussage Johns, die nicht nur die Stadträte und das Gericht, sondern auch ihren eigenen Anwalt überraschte. Im Rathaus befinde sich längst ein Ordner mit allen Unterlagen zur Seeanbindung, darunter auch das Gutachten. Das habe der Stadtrat im März in nichtöffentlicher Sitzung so beschlossen. "Warum haben Sie das denn nicht vorgetragen?", staunte die Richterin. Dann wäre es vielleicht nicht zum Prozess gekommen, das hätte Geld sparen können. Eine Gegenklage der Bürgermeisterin wegen der Kosten hielt sie für unzulässig. Die Stadt muss das Verfahren zahlen.

Auch hier gab es eine Einigung. Die Stadträte zeigten sich nach der Einigung zufrieden. "Wir haben erreicht, was wir 2016 schon wollten", sagte Rieskamp. "Traurig, dass es zwei Jahre gedauert hat", sagte Otto Gaßner (UWG), der genau wie Stefan Frey (CSU) und Angelika Kammerl (Parteifreie) die Klage unterstützte. Bürgermeisterin John zeigte sich froh über die Einigung und setzt auf eine Mediation mit dem Stadtrat. Ihr Anwalt Numberger legte Wert auf die Feststellung, dass John die Einsicht gar nicht verweigert habe, nannte den Ausgang aber "unglücklich für alle".

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