Prozess:Streitigkeiten unter Nachbarn

Gericht stellt Verfahren um Belästigung und Verleumdung ein

Von Christian Deussing, Krailling

Hier hängt der Haussegen schief: Ständig gibt es Beschwerden in dem Kraillinger Anwesen über Nachbarn, die abends noch im Keller die Waschmaschine bedienen, in der Wohnung sonntags saugen oder ihre Getränkekisten im Treppenhaus abstellen. Darüber regt sich besonders eine 54-jährige Mieterin auf: Die Frau sendete der Hausverwaltung vor geraumer Zeit zudem eine E-Mail und behauptete, auf der Treppe berührt und sexuell belästigt worden zu sein. Der beschuldigte Nachbar in dem Mehrfamilienhaus wollte das aber nicht auf sich sitzen lassen und zeigte die Büroangestellte wegen "Verleumdung" an: Eine Berührung der Mieterin am nackten Arm im Juni 2017 auf der engen Treppe sei nur versehentlich und unabsichtlich erfolgt.

Durch die Anzeige der üblen Nachrede kassierte die Frau einen Strafbefehl von 450 Euro. Das ließ sie sich wiederum nicht gefallen, legte Widerspruch ein und begegnete somit jetzt als Angeklagte ihren Kontrahenten im Amtsgericht Starnberg wieder. Dabei schaffte es die Kraillingerin, das Blatt zu ihren Gunsten zu wenden. Das Gericht stellte das Verfahren wegen Geringfügigkeit sogar ohne Geldauflage ein. Zuvor hatte die Angeklagte den Vorfall emotional aufgewühlt geschildert. "Er streifte mich genüsslich am linken Arm, es war ein unerwünschter intimer Kontakt und ging mir durch Mark und Bein", berichtete sie aufgeregt. "Es ist demütigend gewesen". Sie sei nun aber sehr froh, dass der Mann und seine Partnerin inzwischen weggezogen sind. Die 54-Jährige sprach von einem "zehnjährigem Martyrium" und blätterten in einem dicken Aktenordner, in dem sie diverse Ereignisse dokumentiert hat.

So soll der Mann sie schon einmal angerempelt und sogar ins Gesicht geschlagen haben. Die hagere Frau berichtete auch davon, dass er ihre Wohnungstür bespuckt und dort ein Loch gebohrt habe. Doch Richterin Christine Conrad bremste die erboste Mieterin und verwies auf separate Verfahren in dem langen Nachbarschaftsstreit. Diesmal ging es nur um die Verleumdung.

"Es ist Rufmord, aus dieser Sache eine Körperverletzung oder sexuelle Belästigung zu machen", empörte sich dagegen der einstige Nachbar im Prozess. Seine Freundin habe mit einem Wäschekorb hinter ihm gestanden, als er hinunter gehen wollte, und dabei versehentlich den Ellenbogen der Frau gestreift habe, sagte der 39-jährige Verkäufer, der als Zeuge recht forsch und ungehalten auftrat. Sein aggressiver Ton und seine unbotmäßigen Gegenfragen an das Gericht missfielen Richterin Christine Conrad jedoch. Sie fand auch seine Aussagen zur Szene im Treppenhaus als unstimmig, zumal seine Partnerin anderslautend erzählt hatte, mit ihrem Wäschekorb nicht direkt hinter ihrem Gefährten gestanden zu haben und daher die Situation offenbar nicht im Blick hatte.

Die Richterin forderte die Angeklagte jedoch auf, sich künftig nachsichtiger gegenüber den Mitbewohnern im Hause zu verhalten und "nicht gleich auf die Barrikaden zu gehen".

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