Süddeutsche Zeitung

Prozess in Starnberg:Hindernisfahrt im Vollrausch

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Autofahrer touchiert einen Rollerfahrer und mäht mehrere Zäune um. Bei der Unfallfahrt hat er 2,8 Promille Alkohol im Blut. Wegen tadellosen Verhaltens nach der Tat kommt der Angeklagte mit einer Geldstrafe davon

Von Armin Greune, Starnberg

Es war ein Hindernisparcours, der Schlagzeilen machte: Zunächst touchierte der 50-Jährige beim Überholen mit dem Wagen auf der B 2 bei Deixlfurt einen Rollerfahrer, der dabei eine Prellung am Ellenbogen erlitt - sich zum Glück aber gerade noch auf dem Zweirad halten konnte. Der Autofahrer aber setzte seine Reise ungerührt fort, um wenig später mit einem Zaun in Traubing zu kollidieren. Schließlich mähte er dort in der Starnberger Straße noch einen weiteren Zaun und ein Verkehrszeichen um. Die Polizei traf ihn am Unfallort bewusstlos am Steuer an, der Mann hatte 2,8 Promille Alkohol im Blut. Nun musste er sich wegen Körperverletzung und vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs vor dem Starnberger Amtsgericht verantworten - nachdem er gegen einen Strafbefehl über 130 Tagessätze Geldstrafe Einspruch eingelegt hatte.

"Sie haben brutales Glück gehabt", verdeutlichte Richter Franz von Hunoltstein dem Angeklagten: "Es war eine reine Zufallsgeschichte, dass der Geschädigte bei dem Unfall nicht gestorben ist". In diesem Fall hätte eine Gefängnisstrafe zum Vollzug ausgesprochen werden müssen. So aber hatte der 50-Jährige noch ein zweites Mal Glück: Weil das Gericht wegen des enormen Alkoholpegels von Schuldunfähigkeit ausging, die Anklage daher auf Vollrausch lautete und keinen Vorsatz mehr beinhaltete, wurde die Strafe auf 90 Tagessätze à 50 Euro reduziert. Damit blieb das Urteil unter den von der Staatsanwältin geforderten 100 Tagessätzen und gerade noch in dem Bereich, bei dem die Strafe nicht im Führungszeugnis auftaucht. Von Hunoltstein begründete dies mit dem "vorbildlichen Nachtatverhalten" des Angeklagten.

Der konnte zum Tathergang nicht viel beitragen: Am Vorabend habe er nach einem bis dato beispiellosen Streit mit seiner Frau zu trinken begonnen. Am Morgen des 21. Dezembers vergangenen Jahres sei es dann zuhause in Tutzing mit Bier weitergegangen. "Was dann passiert ist, weiß ich nicht mehr, ich bin erst im Krankenhaus aufgewacht." Um ihn zu bergen, mussten die Polizisten ein Autofenster einschlagen. Der regungslose 50-Jährige war nicht ansprechbar und reagierte erst auf die Berührung, als ein Beamter seinen Puls fühlen wollte. Laut Protokoll soll der Unfallfahrer bloß mehrmals "Ich fahr jetzt weiter, ich muss los" gemurmelt haben, im Fußraum des Wagens lag eine leere Wodkaflasche.

Der 62-jährige Rollerfahrer gab an, seinerzeit gegen 17.15 Uhr mit weniger als 30 Stundenkilometern unterwegs gewesen zu sein. "Dann hat es Krach-Bumm gemacht", dabei riss der Außenspiegel vom Auto ab. Der 62-Jährige aber konnte einen Sturz verhindern und kam knapp vor der Leitplanke zum Halt. Der Autofahrer sei erst ganz langsam weitergefahren und habe dann Vollgas gegeben, sagte der Zeuge aus. Noch heute spüre er Schmerzen im Arm; der Roller, für den er im Sommer zuvor 200 Euro bezahlt habe, sei noch nicht repariert. Aber der Unfallfahrer habe sich persönlich bei ihm entschuldigt und 300 Euro überreicht, gab der 62-Jährige an. Den Schaden am Zaun in Höhe von 2800 Euro übernahm vorerst die Haftpflichtversicherung des Angeklagten. Der nimmt seit Januar an einem Abstinenzkontrollverfahren teil und hat bereits vier Mal nach kurzfristiger Aufforderung Urinproben abgegeben, die frei von Alkoholspuren waren. Außerdem hat der 50-Jährige 15 Sitzungen bei einer Psychologin absolviert.

Auch wenn er bei der Rauschfahrt unverletzt blieb, kommt ihm die Unfallserie teuer zu stehen. Das Auto hatte er erst wenige Tage zuvor erworben, am Leasing-Wagen entstand 20 000 Euro Schaden, den Angeklagten erwarten hohe Regressforderungen der Versicherungen. Und den Führerschein, der nach den Vorfällen einkassiert wurde, darf er frühestens in neun Monaten wieder beantragen. Dabei bleibt höchst fraglich, ob er die Medizinisch-Psychologische Untersuchung besteht. Und doch hatte der Angeklagte in seinem Schlusswort noch etwas Positives zu berichten. "Es geht mir besser, seitdem ich keinen Alkohol mehr trinke." Zuvor hatte er einen Kasten Bier pro Woche geleert.

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Quelle:
SZ vom 16.10.2019
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