Prozess um versuchten Mord:Abgründe einer gescheiterten Ehe

54-Jähriger soll seine Ex-Frau bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt haben. Der 21-jährige Sohn ist laut Anklage dazwischen gegangen.

Von Michael Berzl

Der Tonbandmitschnitt eines Anrufs bei der Rettungsleitstelle gibt dramatische Szenen wieder: Verzweifelt schreit ein kleines Kind, ein Anrufer schildert, dass eine Frau regungslos auf dem Balkon am Boden liegt, kaum mehr atmet und nicht ansprechbar ist. Es ist die Mutter des Anrufers, die kurz zuvor von ihrem Ex-Mann vor ihrer Wohnung im Landkreis Starnberg angegriffen worden war. Der 21-jährige Sohn, der den Notarzt alarmiert hat, war dazwischengegangen, als sein Vater seine Mutter zu Boden drückte. Seit Mittwoch muss sich der 54-jährige Vater nun vor der Strafkammer in München verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, er habe seine Frau töten wollen. Laut Anklagesoll er die 47-jährige bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt haben.

Dies ist wohl der traurige Höhepunkt einer ganzen Reihe von Auseinandersetzungen im Laufe einer gescheiterten Ehe und in den Jahren nach der Trennung. Fünf Kinder haben die Beiden. Die jüngste Tochter, die der Angeklagte seine "Prinzessin" nennt, ist dieses Jahr erst sieben Jahre alt geworden; der älteste von vier Söhnen ist 27 Jahre alt. Die von den Familien der beiden Partner arrangierte Ehe währte 22 Jahre. Er habe seine Frau immer geliebt, beteuerte der Angeklagte in seinen ausufernden Erzählungen zum Prozessauftakt, um dann aber ein Martyrium zu schildern: Immer wieder habe es Streit um einen Möbelkauf gegeben, mehrmals habe die Frau ihn aus der Wohnung geworfen. Einmal habe sie ihm sogar mit einem Messer in den Bauch gestochen. Zuletzt sei sie "Chat-süchtig" und verrückt gewesen, habe Tausende Internet-Bekanntschaften gehabt und die Kinder vernachlässigt. In Briefen nennt der 54-Jährige seine Ex-Frau "Kreatur". Sie habe einen Plan verfolgt und Theater gespielt, um ihn ins Gefängnis zu bringen. Beim Amtsgericht in Starnberg und bei der Polizei in Herrsching war das einstige Paar bereits bekannt.

Seit Mitte September sitzt der Mann, der zuvor in Gauting mehrfach in psychiatrischer Behandlung war, in Stadelheim in Untersuchungshaft. Nach der Tat im August vergangenen Jahres hatte er sich aber zunächst aus dem Staub gemacht: Er war nach Garmisch gefahren, hatte sich mit seinen Kindern beim Tierpark Hellabrunn getroffen und war dann für einige Wochen in der Türkei, ehe er auf eine Anzeige seiner ehemaligen Gattin hin verhaftet wurde.

Vor Gericht bestritt der Angeklagte, die 47-Jährige gewürgt zu haben. Er habe sie nur aufgefordert, ihr "Scheiß Handy" endlich wegzulegen, ihr vor Wut eine Ohrfeige verpasst, als sie nicht reagierte, und habe ihr den Mund zugehalten, damit sie nicht schreien kann. Nächste Zeugin ist die geschiedene Ehefrau. Auch der Sohn, der seine Mutter gerettet hat, soll noch vernommen werden. Wegen Verstoßes gegen Bewährungsauflagen sitzt er derzeit selbst in einem Gefängnis. Vorübergehend ist er aber in Stadelheim - dort, wo auch sein Vater eingesperrt ist.

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